Donnerstag, 19. April 2012
Gehi*rnwäsche.
"Weißt du, wie das klingt?", fragt sie, "als hätten SIE bei dir Gehir*nwäsche gemacht". Das sagt man mal so. Zu nem Kumpel. Im Spaß. Aber das ist alles kein Spaß mehr.

"Mama", sage ich, "mit jedem Satz beweist du mir, dass du krank bist."

Zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits eine Stunde Gespräch hinter uns. Ein Gespräch das freundlich beginnt, in dem man sich erzählt und auch lacht, bis sie zwangsläufig das Gespräch auf IHR THEMA lenkt. Und von da an geht es jedes verdammte mal steil bergab.

Es bahnt sich immer noch einigermaßen harmlos an. Sie erzählt, dass sie jetzt diese Tabletten nimmt (Ab*ilify). Angeblich. Aber ich kommentiere es nur wohlwollend, hinterfrage es nicht. Sie merkt noch nichts, behauptet sie. Das dauert sehr lange, lass dem Körper doch Zeit, meine ich. Und dann versucht sie wieder und wieder mich zu überzeugen. Von ihrer Wahrheit. Von der "Folter", und dass sie Fo*rschun*gsobjekt sei. Von DENEN. Und ALLEM.

Ich versuche dann immer noch, die Eskalation abzuwenden, indem ich sage: "Mama, hör doch endlich auf mich von irgendwas zu überzeugen. Hör auf mit mir darüber zu diskutieren. Wir haben unterschiedliche Standpunkte, und wissen das. Und wissen auch, dass wir uns nur streiten, wenn wir uns auf die Diskussion einlassen. Also lass es doch bitte einfach. Ich will nicht mit dir streiten." Aber sie hört nicht auf. Nie. Manchmal tut sie so als ob, eingeleitet durch ein "also gut.. ich ... blabla... aber... " und an diesem Punkt fängt die Diskussion wieder an.

Und jedes mal endet sie damit, dass einer von uns beiden auflegt. Heute war ich es. Denn dann kam der Gehir*nwäsche-Spruch. Und ich glaube, dass sie danach in der Zeit, in der ich ihr versuchte zu erklären, dass wir nicht die Arschlochkinder sind, für die sie uns hält, dass uns das nicht alles am Arsch vorbei geht. Dass wir uns letztendlich für den Rest unseres Lebens fragen müssen, "warum haben wir nicht mehr gemacht?", wenn sie sich umbringt oder umbringen lässt. Dass wir leiden wie die Säue, seit über 2 Jahren, weil es uns weh tut sie so zu sehen, und weil wir sie nicht verlieren wollen. Und so weiter. Ich glaube, dass sie in all dieser Zeit den Hörer einfach vom Ohr weggehalten hat. So, wie Kinder es oft bei ihren Eltern tun.

Also sage ich: "Du kannst jetzt den Hörer wieder ans Ohr nehmen". Aber es kommt nichts. Ich sage es noch mal. Nur rauschen am anderen Ende, aber sie ist definitiv noch dran. Ich lege auf, und weine.

Ich weine inzwischen sehr sehr selten über sie und uns und dieses Thema. Weil ich wenig Zeit habe, und weil ich Angst davor habe, und weil ich jetzt gelernt habe, dass all die Wut die ich ich habe, und all der Hass und Groll und Unmut und Ärger, nichts ist als grenzenlose Verzweiflung und Traurigkeit. Würde ich das aber alles als Trauer ausleben, ich würde verrückt dabei. Und Zigaretten vermissen.

Und ich denke an diesen Film, von dem ich neulich schrieb, und daran, dass man mit verrückt wird, und ich glaube das ist es, was einen auch daran hindert, die ganze Sache nach außen zu geben. Weil man so sehr mitten drin ist. Und die andere Seite ist: will man ihr die Alternative (Zwangsmaßnahmen am Fließband für voraussichtlich den Rest ihres Lebens, denn ich glaube nicht mehr an Einsicht und Linderung) wirklich zumuten?

Ganz tief in mir habe ich ein grauenhaftes Wissen. Dass es entweder ein eigenhändiger, gewalttätiger Suizid sein wird, den wir verarbeiten müssen, oder einer, den wir begleiten. Andere Optionen kommen in meinen Gedanken an die Zukunft nicht vor.

Es ist schrecklich. Das alles ist schrecklich. Es lähmt und schmerzt und schreit. Und ich kann keinem erklären, wie schrecklich es ist. Außer meinem Bruder. Und der geht gerade nicht ans Telefon. Also betrinke ich mich.

 
For the records: Ich schrieb es schon an anderer Stelle: sie ist seit Anfang März arbeitslos. Der letzte Fitzel Normalität. Ihre psychische Krankheit (oder ist doch etwas an ihrer Wahrheit?????? wir werden alle verrückt.) hat sie in die Arbeitslosigkeit gebracht. Und ihre Uneinsichtigkeit. Und vielleicht auch wir. Weil wir versagt haben. Weil wir nicht tun was alle erwarten. Weil wir unfähig sind mit der Situation umzugehen. Weil wir nicht reichen. Nicht reichen. Nicht reichen. Nicht reichen. Nicht reichen.

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Und als ich auflege habe ich ihren Anruf vom Wochenende im Kopf: "Ich bin so einsam. Komm mich doch bitte endlich mal besuchen. Ich bin so allein. Ich würde mich so freuen dich zu sehen."

Und ich fühle mich wie ein Vollarsch, während sie das sagt, weil es mir so leid tut, und sie mir so leid tut, und weil mir das ganze so unendlich weh tut, aber es ist jedes mal eine riesen Überwindung, sie zu besuchen, weil man es wirklich nicht aushält! Man hält diese Texte, die sie von sich gibt nicht aus! Man möchte sie in eine Tonne stopfen und den Deckel drauf machen, in solchen Zutexte-Momenten, und gleichzeitig möchte man sie in den Arm nehmen und weinen und schreien und fluchen und beten. Und man schämt sich für die Tonne-Gedanken, und liebt sie noch mehr, und sie tut einem noch mehr leid, und man schämt sich dass man an die Tonne denkt, und alles tut noch mehr weh und und könnte schreien und weinen und fluchen....

Verstehen Sie. Man wird selbst ganz verrückt ob dieser widersprüchlichen Gefühle in einem selbst. Und letztendlich glaube ich immer nur, an dem Schmerz, der dadurch verursacht wird, völlig zu zerbrechen.

Ich wünschte mir einfach nur, dass wir die Zeit, die wir noch haben, nicht in einem so beschissenen Verhältnis verbringen würden. In Dauerstreit. In Dauerzwispalt. Zwischen Groll, Wut und Schmerz. Ich wünschte einfach nur, dass...

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Und sie schreibt nach allem nur eine Mail: "Bitte ruf mich nicht mehr an. Du brauchst auch nicht zu kommen. Gespräche mit dir geben mir endgültig den Rest."

Ich weiß nicht mehr. Ich hasse nur, und zerbreche. Und täglich grüßt das Murmeltier.

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Es ist wirklich das erste mal seit sehr sehr sehr sehr langer Zeit, dass ich nicht mehr weiß, wen ich anrufen soll, jetzt. In diesem Moment. Ich weiß es einfach nicht. Denn ich habe das Gefühl, nirgends das zu bekommen, was ich jetzt brauche. Auch wenn das echt nicht viel ist. Aber diese Momente machen unglaublich einsam.

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*knuddel*
*verweil*

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Danke! Das ist schon so viel! Ich nehm Sie jetzt mit raus an den See. Ich muss vor die Tür. Wie gesagt. Danke!

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Von Herzen gerne.

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Da sitze ich, ich verschissenes Häufchen Elend. Steuer wie auf Automatik die Tanke an, kaufe ne Packung Kippen nach 1,5 Wochen Nichtrauer-Dasein, und ne Flasche Bier. Wander zum See. Setz mich auf eine Bank. Schau die Wolken an und die vereinzelten Sterne dazwischen blinzeln mich an. Sie blinzeln mich an als würden sie sagen wollen: ja aber, das ist so, und wir sind da, und alles ist da, und friss oder stirb. Und ich rauche diese Zigarette, und sie schmeckt so scheiße, dass ich noch eine rauchen muss.

Und ich werde zu einem blinzelnden Stern der mich ansieht und murmelt: schau dich an. Vernebel dein Gehirn. Brauchst nen Glimmstengel, für was? Hockst da mit verquollenen Augen auf ner Bank an dem stockfinsteren See. Und wartest ... auf was?

Also gehe ich zurück. Rufe den Exfreund Sesamina an, von dem ich immer das Gefühl hatte, er sei der einzige in meinem Umfeld, der dieses Päckchen mitschultern kann, und der zum Glück nicht ans Telefon geht. Und schreibe das. Denn ich halt grad nix aus.

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Wer nimmt Dich in den Arm?

Das ist so viel. Mehr, als eine Person tragen kann. Ganz sicher bist Du kein Arschlochkind, Du bist nicht ungenügend, und auch wenn ich verstehe, dass Dich der Tonnengedanke zerreißt, kann ich ihn dennoch nachvollziehen. Ein ganz großer Strudel, in dem man sich selbst zu verlieren droht...

Angebot (alles kann, nichts muss!): Du hast meine Mail-Adresse. Ich schicke Dir meine Telefonnummer, wenn Du jemanden zum Sprechen brauchst und das willst. Wenn nicht, ist das vollkommen in Ordnung. Wenn doch, auch. Brauchst Dich nur zu melden.

Ich schließe mich darüber hinaus Trivialis an, nehme Dich in den Arm und bin da.

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