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Sonntag, 22. Mai 2011
Ohne Titel ins nächste Kapitel.
okavanga, 02:22h
Obgleich ich bei Frau Sturmfrau des öfteren ins Grübeln geriet bezüglich des Themas "Kinder, die sich von ihren Eltern abwenden", so hätte ich mir das für mich nicht vorstellen können. Also so unmittelbar. Ich stellte mir oft die Frage, was da schlimmes passiert sein muss, damit es soweit kommt. Vielleicht muss es gar nicht immer etwas "so schlimmes" sein. Vielleicht reicht es manchmal einfach.
Ich habe in diesem Jahr ca. 3 mal mit meiner Mutter telefoniert, und es ist jedes mal total eskaliert, was immer damit endet, dass sie auflegt. Weil - ich - ihr - nicht - glaube. Und sie nicht - sehen - kann - dass - ich - ihr - auf - meine - Art helfen will. Seit 1,5 Jahren kämpfe ich für sie, auch wenn sie es nicht merkt. Beschäftige mich mit dem Thema. Mach mich verrückt, reib mich auf. Weine, weil mir die "alte" Mama fehlt. Manchmal war es so krass, dass ich dachte, ich müsse den Verstand verlieren.
Am Mittwoch rief ich ihre Therapeutin an. Weil sie meinem Bruder gegenüber wieder Dinge sagt wie: "ich möchte selbstbestimmt sein, und wenn ich dann eine bestimmte Entscheidung treffe, macht euch keine Vorwürfe, ich hatte ein schönes Leben".
Hass und Ohnmacht durchfluten mich, wenn ich an das Telefonat denke und an das, was danach kam, so dass ich den rechten Einstieg gerade nicht finde.
Die Therapeutin glaubt ihr. Sie hält meine Mutter nicht für schizophren. Aus ihrer Sicht sind sie (die Therapeutin) und ich in verschiedenen Welten, sehen mit anderen Augen. Für sie sei das Universum etwas kostbares, in dem auch sein kann, was nicht in unser "normal" passt. Freunde der Kunst. Ich bin niemand, der sich prinzipiell dieser Thematik entzieht, aber in diesem Kontext bin in explodiert.
Ich brüllte sie an. Ob sie wisse was sie da tut. Und wenn sie doch meiner Mutter angeblich so toll hilft seit über einem Jahr, warum geht es ihr dann jetzt immer beschissener. Sie rast mit 180 auf eine Wand zu, sage ich der Therapeutin, und sie meint mit ihrem Betroffenheitsbumsertonfall (den sie das ganze Gespräch über nicht abgelegt hat), dass sie das auch mit großer Besorgnis sieht. "Das ist meine Mutter", schreie ich. Meine Mutter. "Und ich mache Sie mitverantwortlich, wenn Sie sich etwas antut, weil Sie mit ihrer Pseudotherapie eine Therapieform und Medikamente verweigern, die ihr helfen könnten. Die ihr jeweils in der Klinik geholfen haben. Wenn sie ruhiger wurde, aufgehört hat sich so reinzudrehen, reinzusteigern, als sie anfing wieder Englisch zu lernen, zu stricken, mit uns über das Leben zu reden."
Die Therapeutin möchte das Gespräch beenden. Aber ich nicht. Sie meint, sie habe meine Mutter während dieser Zeit nicht erlebt, also könne sie sich da ja nur meine Aussagen dazu anhören. Sie glaubt nicht an die Schulmedizin, und sie glaubt nicht an die Medikamente. Sie hat zwar eine Kassenzulassung (wie das????????) und auch einen Dr., aber den Dr. nur in irgendem Heilpraktikerscheiss. Ich frage sie, ob sie denn dann an den bei meiner Mutter angeblich implementierten Chip glaubt, über den meine Mutter ferngesteuert wird. Ob sie daran glaubt, dass das CIA hinter meiner Mutter her ist. Dass das alles eine Wahnsinnsverschwörung von Ärzten sei, deren Namen meine Mutter komischerweise nie nennt (weil sie keine Antwort hat)?
Sie bumst betroffen weiter und meint: natürlich glaube ich nicht jedes Detail. Aber Sie können ja Ihrer Mutter sagen, dass sie sich einen neuen Therapeuten sucht.
Ich bin ausgeflippt. Ernsthaft, brülle ich, Sie wissen genauso gut wie ich, dass meine Mutter eine erwachsene Frau ist, die natürlich sehr viel lieber zu Menschen rennt, die ihr sagen, sie glauben ihr. Wieviel bequemer ist das, als sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen zu müssen, man sei krank. Psychisch krank. Ich erzähle ihr, dass mein Verhältnis zu meiner Mutter beschissen ist, weil ich die Arschlochtochter bin, die ihr nicht glaubt und aus ihrer Sicht jede Hilfe verweigert. Ich bin außer mir, schlichtweg.
Warum tun Sie dann nichts, frage ich Sie, warum tun Sie dann nichts? Sie weiß auch nicht weiter, sagt die blöde Fotze. Und wenn ich doch einen Vorschlag hätte, dann kann ich ihr den gerne sagen. Ich erzähle ihr von der Idee meines Bruders und von mir, von einem Schlaflabor, in dem Herz und Hirnströme untersucht werden, evtl. mit anderen Strahlenmessgeräten im Raum, und was weiß ich was, Ursache - Wirkung, und so. Denn, so sage ich, wenn das alles möglich ist, aus Ihrer Sicht, dass meine Mutter mit Strahlen gefoltert wird, warum zum Teufel kann diese Strahlen keiner messen? Wenn Technik soweit ist, dass das heutzutage möglich ist, mit normalen Menschen, warum ist es nicht messbar, mit der ach so tollen Technik?
Ja, bumst sie wieder, das ist eine sehr gute Idee. Und wir reden über Hausarzt und was man anleiern müsste. Aber sie lehn sich da zurück und die Hände in den Schoss, überlässt alles mir. Ich müsste mit dem Hausarzt reden und mich kümmern und und und.. und sie kriegt einfach nur Kohle für ihre beschissene Nichthilfe in den Arsch geschoben. Gegen Ende des Gesprächs bin ich ruhiger, und sage auch, es tut mir leid dass ich Sie persönlich angreife, aber aus mir spricht die pure Verzweiflung. Betone aber weiterhin, dass ich die Therapieform für falsch halte und sie für verantwortungslos und grob fahrlässig.
Am Donnerstag Abend ruft mein Bruder an. Oka, sagt er, Mama wird dich anrufen. Sie war bei der (jetzt hätte ich fast den Namen geschrieben) Therapeutenfotze. Und die hat ihr gesagt, ich hätte ihr gedroht sie zu verklagen wegen Mitschuld, falls meine Mutter sich etwas antut.
Ich weiß nicht, wie oft sich der Puls derartig beschleunigen kann, ohne dass man umkippt. Aber anscheinend ist da noch Luft nach oben. Danke, sage ich, und er sagt: ich halte es für richtig, was du getan hast.
Kurz danach ruft Mama an. Ruhig. Gelassen. Gleichgültig, würde ich sagen. Was in mich gefahren sei. Wir kommen in diesem 5-Minuten Telefonat keinen Schritt nach vorne. Ich versuche ihr zu erklären, dass sie unsere Art der Hilfe eben einfach nicht sehen kann, und dass ich verzweifelt bin. Sie behauptet, sie käme nicht mehr an uns ran. Und wirft mir vor, dass ich mich nie mit dem Thema beschäftigt habe und das auch nie wollte. Und sie sagt: dass ich mir bis jetzt nichts angetan habe, das liegt nicht an dir und deinem Bruder. Ihr wart nicht für mich da. Das liegt an der Therapeutin. Ich weine, und sage, wie kannst du mich einfach so fallen lassen, weil ich dir nicht glaube. Warum siehst du nicht, warum hörst du uns nicht zu. Du hörst uns überhaupt nicht mehr zu. Sie legt auf. Und ruft nochmal an. Und sagt, sie hätte sich eh nicht mehr gemeldet bei mir, wenn die Therapeutin ihr das erzählt hätte. Ich weine, und sage nochmal, wie kannst du mich einfach fallen lassen. Und sie legt auf.
Und vor mir legt ein Scherbenhaufen, ich schneide mir die Füße auf, sehe das Blut, sehe die Scherben, über die ich die ganze Zeit laufe, und frage mich, warum ich so dermaßen blute.
Ich rufe N. an. N. N. N. Und frage sie, warum bricht sie (Mama) nie den Kontakt mit meinem Bruder, obwohl er ihr auch nicht glaubt und daraus ebenfalls keinen Hehl macht. Warum geht sie mit ihm so anders um.
Und dann sagt sie etwas, so gewaltig, dass ich bis heute den Donner nachhallen höre, weil in mir ein Monsterstein plumps und eine Gehirnwindung klack gemacht hat. Es rastet immer noch ein, vibriert nach in seinem Aufprall.
"Oka. Das war schon immer so. Überleg mal, wie deine Beziehung zu ihr vorher war. Wie sie schon immer war. Hat sie deinen Bruder jemals vor die Tür gesetzt? Wollte sie ihn mit dem Windschutz totschlagen? Hat sie ihn jemals so verletzt wie dich? Hat sie ihn jemals fallengelassen?"
In. All. Der. Krankheit. Ihrer Krankheit. Habe ich alles vergessen. Alles. Und mit diesen Worten war alles wieder da, auf einen Schlag.
Dieses Alles lässt sich hier jetzt nicht kurz erklären. Aber es tut weh. Und mir wird klar, dass dies alles keine neue Situation ist. Sondern dass es eine ist, wie ich sie schon tausendfach hatte. Sobald ich nicht so funktioniere wie sie es möchte, sobald ich nicht so denke wie sie, sobald ich eine eigene Meinung habe... werde ich fallengelassen. Rausgeschmissen aus ihrem Leben. Damals hat sich das immer alles irgendwie einrenken können, obwohl auch da lange Monate des Schweigens waren (nach meinem Auszug dann, und auch danach). Aber man konnte irgendwann doch darüber reden.
Das geht mit der Krankheit nicht. Man kann nicht darüber reden. Und es reicht. Sie will ihren Weg gehen, ohne mich, wenn ich ihr nicht glaube. Sie soll ihn gehen. Ohne mich.
Ich wünschte, ich wäre bei N. gewesen. Es war eine harte Nacht. Puzzleteile fügen sich zusammen, auch was mich selbst angeht. Plötzlich hat das alles eine Dimension, die ich so nicht erahnt habe, weil ich immer ihre Krankheit im Vordergrund gesehen habe.
Am Freitag Abend telefoniere ich mit meinem Bruder. Er sagt, er versteht mich. Ich sage ihm, dass ich immer für ihn da bin, aber nicht mehr für sie. Sie hätte ihm gesagt, sie will mich aus ihrer Patientenverfügung nehmen. Ja, sage ich, das wäre jetzt meine Bitte gewesen. Bitte nehmt mich raus.
Freitag Nacht erhalte ich eine Mail von ihr. Endlos lang, in dem sie wieder all das schreibt, was sie schon die ganze Zeit erzählt. Und ich soll mir wenigstens die Mühe machen es zu lesen. Vielleicht sollte ich es mal hierher kopieren, damit es jemand liest.
Heute schreibt sie mir eine Mail:
Liebe Oka,
leider habe ich auf das Mail von gestern keine Antwort von dir bekommen. Dennoch möchte ich eines nachschicken: ich halte es für dringend erforderlich, dich bei Frau Dr. [x] zu entschuldigen. Solltest du das nicht tun, werde ich sowohl beim Rechtsanwalt als auch notariell
eine Aussage dazu machen.
Herzliche Grüße
Mama
Ich werde mich nicht entschuldigen. Und ihr auch nicht mehr antworten. Ich werde gar nix mehr.
Ich werde irgendwie Scherben aufkehren und versuchen, mich in mir mit ihr zu versöhnen. Mit unser ganzen verkorksten Historie. Ohne sie. Damit ich mit dieser ganzen Scheisse mal klarkomme. Am besten, bevor ich an ihrem Grab stehe. Und wenn noch einmal jemand zu mir sagt: versuch doch mal mit ihr zu reden, oder: immerhin lebt deine Mutter noch, dann muss ich leider in die Fresse hauen.
Ich habe in diesem Jahr ca. 3 mal mit meiner Mutter telefoniert, und es ist jedes mal total eskaliert, was immer damit endet, dass sie auflegt. Weil - ich - ihr - nicht - glaube. Und sie nicht - sehen - kann - dass - ich - ihr - auf - meine - Art helfen will. Seit 1,5 Jahren kämpfe ich für sie, auch wenn sie es nicht merkt. Beschäftige mich mit dem Thema. Mach mich verrückt, reib mich auf. Weine, weil mir die "alte" Mama fehlt. Manchmal war es so krass, dass ich dachte, ich müsse den Verstand verlieren.
Am Mittwoch rief ich ihre Therapeutin an. Weil sie meinem Bruder gegenüber wieder Dinge sagt wie: "ich möchte selbstbestimmt sein, und wenn ich dann eine bestimmte Entscheidung treffe, macht euch keine Vorwürfe, ich hatte ein schönes Leben".
Hass und Ohnmacht durchfluten mich, wenn ich an das Telefonat denke und an das, was danach kam, so dass ich den rechten Einstieg gerade nicht finde.
Die Therapeutin glaubt ihr. Sie hält meine Mutter nicht für schizophren. Aus ihrer Sicht sind sie (die Therapeutin) und ich in verschiedenen Welten, sehen mit anderen Augen. Für sie sei das Universum etwas kostbares, in dem auch sein kann, was nicht in unser "normal" passt. Freunde der Kunst. Ich bin niemand, der sich prinzipiell dieser Thematik entzieht, aber in diesem Kontext bin in explodiert.
Ich brüllte sie an. Ob sie wisse was sie da tut. Und wenn sie doch meiner Mutter angeblich so toll hilft seit über einem Jahr, warum geht es ihr dann jetzt immer beschissener. Sie rast mit 180 auf eine Wand zu, sage ich der Therapeutin, und sie meint mit ihrem Betroffenheitsbumsertonfall (den sie das ganze Gespräch über nicht abgelegt hat), dass sie das auch mit großer Besorgnis sieht. "Das ist meine Mutter", schreie ich. Meine Mutter. "Und ich mache Sie mitverantwortlich, wenn Sie sich etwas antut, weil Sie mit ihrer Pseudotherapie eine Therapieform und Medikamente verweigern, die ihr helfen könnten. Die ihr jeweils in der Klinik geholfen haben. Wenn sie ruhiger wurde, aufgehört hat sich so reinzudrehen, reinzusteigern, als sie anfing wieder Englisch zu lernen, zu stricken, mit uns über das Leben zu reden."
Die Therapeutin möchte das Gespräch beenden. Aber ich nicht. Sie meint, sie habe meine Mutter während dieser Zeit nicht erlebt, also könne sie sich da ja nur meine Aussagen dazu anhören. Sie glaubt nicht an die Schulmedizin, und sie glaubt nicht an die Medikamente. Sie hat zwar eine Kassenzulassung (wie das????????) und auch einen Dr., aber den Dr. nur in irgendem Heilpraktikerscheiss. Ich frage sie, ob sie denn dann an den bei meiner Mutter angeblich implementierten Chip glaubt, über den meine Mutter ferngesteuert wird. Ob sie daran glaubt, dass das CIA hinter meiner Mutter her ist. Dass das alles eine Wahnsinnsverschwörung von Ärzten sei, deren Namen meine Mutter komischerweise nie nennt (weil sie keine Antwort hat)?
Sie bumst betroffen weiter und meint: natürlich glaube ich nicht jedes Detail. Aber Sie können ja Ihrer Mutter sagen, dass sie sich einen neuen Therapeuten sucht.
Ich bin ausgeflippt. Ernsthaft, brülle ich, Sie wissen genauso gut wie ich, dass meine Mutter eine erwachsene Frau ist, die natürlich sehr viel lieber zu Menschen rennt, die ihr sagen, sie glauben ihr. Wieviel bequemer ist das, als sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen zu müssen, man sei krank. Psychisch krank. Ich erzähle ihr, dass mein Verhältnis zu meiner Mutter beschissen ist, weil ich die Arschlochtochter bin, die ihr nicht glaubt und aus ihrer Sicht jede Hilfe verweigert. Ich bin außer mir, schlichtweg.
Warum tun Sie dann nichts, frage ich Sie, warum tun Sie dann nichts? Sie weiß auch nicht weiter, sagt die blöde Fotze. Und wenn ich doch einen Vorschlag hätte, dann kann ich ihr den gerne sagen. Ich erzähle ihr von der Idee meines Bruders und von mir, von einem Schlaflabor, in dem Herz und Hirnströme untersucht werden, evtl. mit anderen Strahlenmessgeräten im Raum, und was weiß ich was, Ursache - Wirkung, und so. Denn, so sage ich, wenn das alles möglich ist, aus Ihrer Sicht, dass meine Mutter mit Strahlen gefoltert wird, warum zum Teufel kann diese Strahlen keiner messen? Wenn Technik soweit ist, dass das heutzutage möglich ist, mit normalen Menschen, warum ist es nicht messbar, mit der ach so tollen Technik?
Ja, bumst sie wieder, das ist eine sehr gute Idee. Und wir reden über Hausarzt und was man anleiern müsste. Aber sie lehn sich da zurück und die Hände in den Schoss, überlässt alles mir. Ich müsste mit dem Hausarzt reden und mich kümmern und und und.. und sie kriegt einfach nur Kohle für ihre beschissene Nichthilfe in den Arsch geschoben. Gegen Ende des Gesprächs bin ich ruhiger, und sage auch, es tut mir leid dass ich Sie persönlich angreife, aber aus mir spricht die pure Verzweiflung. Betone aber weiterhin, dass ich die Therapieform für falsch halte und sie für verantwortungslos und grob fahrlässig.
Am Donnerstag Abend ruft mein Bruder an. Oka, sagt er, Mama wird dich anrufen. Sie war bei der (jetzt hätte ich fast den Namen geschrieben) Therapeutenfotze. Und die hat ihr gesagt, ich hätte ihr gedroht sie zu verklagen wegen Mitschuld, falls meine Mutter sich etwas antut.
Ich weiß nicht, wie oft sich der Puls derartig beschleunigen kann, ohne dass man umkippt. Aber anscheinend ist da noch Luft nach oben. Danke, sage ich, und er sagt: ich halte es für richtig, was du getan hast.
Kurz danach ruft Mama an. Ruhig. Gelassen. Gleichgültig, würde ich sagen. Was in mich gefahren sei. Wir kommen in diesem 5-Minuten Telefonat keinen Schritt nach vorne. Ich versuche ihr zu erklären, dass sie unsere Art der Hilfe eben einfach nicht sehen kann, und dass ich verzweifelt bin. Sie behauptet, sie käme nicht mehr an uns ran. Und wirft mir vor, dass ich mich nie mit dem Thema beschäftigt habe und das auch nie wollte. Und sie sagt: dass ich mir bis jetzt nichts angetan habe, das liegt nicht an dir und deinem Bruder. Ihr wart nicht für mich da. Das liegt an der Therapeutin. Ich weine, und sage, wie kannst du mich einfach so fallen lassen, weil ich dir nicht glaube. Warum siehst du nicht, warum hörst du uns nicht zu. Du hörst uns überhaupt nicht mehr zu. Sie legt auf. Und ruft nochmal an. Und sagt, sie hätte sich eh nicht mehr gemeldet bei mir, wenn die Therapeutin ihr das erzählt hätte. Ich weine, und sage nochmal, wie kannst du mich einfach fallen lassen. Und sie legt auf.
Und vor mir legt ein Scherbenhaufen, ich schneide mir die Füße auf, sehe das Blut, sehe die Scherben, über die ich die ganze Zeit laufe, und frage mich, warum ich so dermaßen blute.
Ich rufe N. an. N. N. N. Und frage sie, warum bricht sie (Mama) nie den Kontakt mit meinem Bruder, obwohl er ihr auch nicht glaubt und daraus ebenfalls keinen Hehl macht. Warum geht sie mit ihm so anders um.
Und dann sagt sie etwas, so gewaltig, dass ich bis heute den Donner nachhallen höre, weil in mir ein Monsterstein plumps und eine Gehirnwindung klack gemacht hat. Es rastet immer noch ein, vibriert nach in seinem Aufprall.
"Oka. Das war schon immer so. Überleg mal, wie deine Beziehung zu ihr vorher war. Wie sie schon immer war. Hat sie deinen Bruder jemals vor die Tür gesetzt? Wollte sie ihn mit dem Windschutz totschlagen? Hat sie ihn jemals so verletzt wie dich? Hat sie ihn jemals fallengelassen?"
In. All. Der. Krankheit. Ihrer Krankheit. Habe ich alles vergessen. Alles. Und mit diesen Worten war alles wieder da, auf einen Schlag.
Dieses Alles lässt sich hier jetzt nicht kurz erklären. Aber es tut weh. Und mir wird klar, dass dies alles keine neue Situation ist. Sondern dass es eine ist, wie ich sie schon tausendfach hatte. Sobald ich nicht so funktioniere wie sie es möchte, sobald ich nicht so denke wie sie, sobald ich eine eigene Meinung habe... werde ich fallengelassen. Rausgeschmissen aus ihrem Leben. Damals hat sich das immer alles irgendwie einrenken können, obwohl auch da lange Monate des Schweigens waren (nach meinem Auszug dann, und auch danach). Aber man konnte irgendwann doch darüber reden.
Das geht mit der Krankheit nicht. Man kann nicht darüber reden. Und es reicht. Sie will ihren Weg gehen, ohne mich, wenn ich ihr nicht glaube. Sie soll ihn gehen. Ohne mich.
Ich wünschte, ich wäre bei N. gewesen. Es war eine harte Nacht. Puzzleteile fügen sich zusammen, auch was mich selbst angeht. Plötzlich hat das alles eine Dimension, die ich so nicht erahnt habe, weil ich immer ihre Krankheit im Vordergrund gesehen habe.
Am Freitag Abend telefoniere ich mit meinem Bruder. Er sagt, er versteht mich. Ich sage ihm, dass ich immer für ihn da bin, aber nicht mehr für sie. Sie hätte ihm gesagt, sie will mich aus ihrer Patientenverfügung nehmen. Ja, sage ich, das wäre jetzt meine Bitte gewesen. Bitte nehmt mich raus.
Freitag Nacht erhalte ich eine Mail von ihr. Endlos lang, in dem sie wieder all das schreibt, was sie schon die ganze Zeit erzählt. Und ich soll mir wenigstens die Mühe machen es zu lesen. Vielleicht sollte ich es mal hierher kopieren, damit es jemand liest.
Heute schreibt sie mir eine Mail:
Liebe Oka,
leider habe ich auf das Mail von gestern keine Antwort von dir bekommen. Dennoch möchte ich eines nachschicken: ich halte es für dringend erforderlich, dich bei Frau Dr. [x] zu entschuldigen. Solltest du das nicht tun, werde ich sowohl beim Rechtsanwalt als auch notariell
eine Aussage dazu machen.
Herzliche Grüße
Mama
Ich werde mich nicht entschuldigen. Und ihr auch nicht mehr antworten. Ich werde gar nix mehr.
Ich werde irgendwie Scherben aufkehren und versuchen, mich in mir mit ihr zu versöhnen. Mit unser ganzen verkorksten Historie. Ohne sie. Damit ich mit dieser ganzen Scheisse mal klarkomme. Am besten, bevor ich an ihrem Grab stehe. Und wenn noch einmal jemand zu mir sagt: versuch doch mal mit ihr zu reden, oder: immerhin lebt deine Mutter noch, dann muss ich leider in die Fresse hauen.
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