Mittwoch, 28. Dezember 2011
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Irgend jemand oder mehrere fragten mich hier, ob ich denn nicht mal meine alten Beiträge würde lesen wollen, um mir zu überlegen, ob ich da echt glücklicher war. Ich hab das gerade gemacht. Und ja: ich will zurück. Immer noch.

Die letzten Tage möglichst wenig bei meinem Vater und seiner Frau gewesen. Ich kann ihnen gar nicht mehr wirklich in die Augen schauen. Also vier Tage lang nur unterwegs gewesen und möglichst viel getrunken, mit Leuten getroffen. Und es funktioniert nicht. Ich sitze in den Kneipen, Clubs, und brauche immer erstmal eine halbe Stunde, bis mir alles keine Angst mehr macht. Dann sitze ich da wie unter einer Taucherglocke. Ich höre sogar schlecht. Kommt aber vielleicht von dem scheiß Gebeisse. Immerhin funktioniert es irgendwie für die Außenwelt, glaube ich. Also zumindest dringen anscheinend Geräusche aus mir, die für das Umfeld irgendwie Sinn machen. Aber die Diskrepanz zwischen der Frau unter der Taucherglocke, und der, die da redet und lacht und trinkt. Das ist. Schizo. Hahahahahahaha!!!!!!

Ich schreibe und schreibe und lösche und lösche.

Heute dann. Treffe mich morgens mit einem Freund zum Frühstücken in der Stadt. Das war nett. Aber es strengt alles so an. So sehr. Danach 1,5 Stunden zur Oma. Das war nett. Aber es strengt alles so an. Dabei ist sie so süss, und so erkältet.

Danach kurz zu Papa. Ich sage: ich glaub, ich packs jetzt mal. Erstauntes Schweigen. "Wohin?" Naja, zurück nach Nür*nbe*rg. "Aha. Was machst du da?" Ich: ".... öhm..." .. Er: "Schaun?" Ich: "Ja."

Ich gehe in den 1. Stock packen. Er sagt: "Du hast noch deine Bescherung bei uns". Wissen Sie, das ging bisher einfach nicht. Alles in mir wollte diese Geschenke einfach nicht aufmachen. Ich will keine Geschenke. Ich will Verständnis. Und ich weiß schon in dem Moment, dass das, was jetzt kommt, ein Drahtseilakt wird, den ich verkacken werde.

"Schenkt es mir doch zum Geburtstag." Tja naja. Ich hab Sie ja gewarnt, ich werde es verkacken. Das rutschte einfach so aus mir raus. Es rutschte raus und sagte all das, was ich mir seit 4 Tagen verkneife.

Mein Vater und ich haben ein großes gemeinsames Talent: wie schießen wir uns gegenseitig hoch in nur 2 Sekunden. Dann ging es also ab. Also noch versuchte ich ruhig zu sein. Ging ins Erdgeschoss zurück, packte Ladekabel, Handtasche. Und er brüllte schon los: "Merkst dus überhaupt noch? Wie du hier rumläufst? Mit einer Fresse!" Also ich erwähnte ja, dass ich nicht wirklich viel dort rumgelaufen bin, und gestern Abend zum Beispiel saß ich ganz nett auf dem Sofa und hab mit Tat*ort geschaut.

Was sich nicht leugnen lässt: JA! Die Stimmung ist seit 4 Tagen angespannt. Das haben unausgesprochene Konflikte so an sich. Ich habe in den letzten Wochen aber auch gelernt, dass ich diesen Konflikt weder bei ihm noch bei ihr weiterhin adressieren kann, ohne mich danach noch beschissener zu fühlen. Also hab ich es einfach gelassen, wo ich ja anscheinend eh die einzige bin die spürt, dass diese Arbeitssituation einfach nur unterirdisch ist.

Jetzt kann ich momentan leider nicht mehr den Anspruch an mich haben, auch noch dort, wo ich die Tür nach dem Trinken und Lachen und Reden aufsperre, und "ankomme", auch noch zu lachen und zu trinken und zu reden. Sondern da bin ich ruhig, und still, und leise, und mache einfach mein Ding, um möglichst schnell ins Bett zu verschwinden, ohne Diskussionen.

Also sage ich: "Jetzt haben wir 4 Tage lang alle unsere Klappe gehalten. Können wir das jetzt nicht noch 2 Minuten einfach so beibehalten?" Naja und dann wars ganz aus. Und er brüllte. Während sie immer leise flüsterte (und das fand ich noch beschissener): "H., hör auf". Und er brüllte Dinge, die meine Restnerven dermaßen trafen, von wegen, ob ich denn glaube, dass ich die einzige mit Problemen sei (nein, das meine ich nicht, aber mir reichen meine gerade und ich komm mit ihnen nicht klar und sie fressen mich im wahrsten Sinne des Wortes auf, und ich weiß dass sie für mich einfach als Ansprechpartner für meine Lebensgestaltung weggefallen sind), dass ich ausgeflippt bin. Völlig hysterisch ausgeflippt. Ich glaube, würde ich einen Film davon sehen, würde ich mich totlachen. Aber es war, als würde sich endlich alles, was in mir ist, einen Weg nach außen bahnen. Und äußern in einem Schrei, wie ich ihn noch nie geschrieen habe, und in einem Gestampfe, wie ich noch nie gestampft habe.
Und sie flüstert immer noch leise: "H., hör auf", und ich komm mir noch mehr vor wie ein Psychofall und würde gerne beide umbringen, und schreie: "Lasst mich einfach in Ruhe! Haltet die Klappe und lasst mich in Ruhe", während mein Vater schreit: "Mit dir kann man gar nicht mehr reden".

Ich bin dann gegangen. Hatte einen Termin mit meiner Schizo-Mama in der Stadt, sie wollte mir noch einen Schlafan*zug kaufen. Und ich weiß wie sehr es sie anstrengt in die Stadt zu fahren, also gehe ich zum Treffpunkt, aber als sie da ist sage ich: "Mama, ich habe keinen Nerv jetzt, das ist alles total eskaliert". Sie weiß ja seit Weihnachten was da so Sache in mir ist mit dieser Arbeits- und Familien-/Vater-/Frau-Situation. Also sage ich: "Es tut mir so leid!" Und sie sagt: "Es muss dir nicht leid tun, komm wir gehen zu mir Kaffee trinken".

Und dort fragt sie, ob ich wirklich noch nach Nbg will, oder nicht besser bei ihr schlafe. Und ich sage ne, ich will nach Nbg, und fühle mich wieder wie eine Fotzentochter die vor ihr wegläuft.

Und dann ist sie so sehr Mama, wie sie es sehr sehr lange nicht mehr war. Und das ist alles so krank und schräg, dass ich es echt. Ich pack das alles nicht mehr.

Sie umarmt mich, und lässt mich an ihrer Brust weinen, und streichelt mich. Und kocht uns Kaffee. Und ich erzähle und erzähle, und sage: scheiße man du hast deinen eigenen Scheiß und jetzt laber ich dich auch noch zu. Und sie sagt: "Ja aber deswegen hab ich doch immer noch ein offenes Ohr für dich. Weil ich merke wie schlecht es dir geht." Und das ist wirklich absolut merkwürdig, denn wir glauben schon sehr lange, dass sie keine Antennen mehr für uns und unsere Sorgen hat. Und ein Ohr für andere? Hahahahahahaha! Das ist wirklich ein Weltwunder. Wirklich!

Sie macht einen Plan mit mir, was ich nun tun kann, und redet mir zu, dass ich mich mit Papa aussprechen muss. Und meint, ich soll Antide*pressiva nehmen, bis ich mich zumindest halbwegs stabilisiert habe und mich ein The*rapeut begleitet. Und in diesen Momenten möchte ich schreien, warum sie das nicht für sich auch in Anspruch nimmt. Sie bringt mich so gut runter, gibt mir so tolle Mama-Ratschläge, und das ist alles. Verrückt! Verstehen Sie das? Ich weiß nicht wie ich das erklären soll. Diese ganze Verrücktheit, in mir und um mich. Wenn nichts mehr zu passen scheint. Wenn alles ständig anders ist. Wenn nichts mehr Sinn macht, und ständig andere Gesetze gelten. Wer seid ihr alle? Und wer bin ich in all dem? Und wie in Gottes Namen kannst du darüber nachdenken dich umzubringen? Und wenn du es nicht tust und nur drüber redest: in Gottes Namen, scheiße verdammte. WARUM? Und WARUM lässt du dir nicht von uns helfen?

Später rufe ich sie an um ihr zu sagen, dass ich gut angekommen bin. Sie erzählt mir eine Stunde von ihren wilden Theorien. Sagt immer: "Ich will dich damit aber eigentlich gar nicht belasten, mir tut schon deine Situation mit Papa so leid", und redet dann trotzdem weiter, aber anders als sonst. Weniger, wie sehr sie leidet, sondern auf einer sachlichen Ebene, und ich hinterfrage sachlich, und sie ist gar nicht unaufgeschlossen dem Hinterfragen gegenüber. Bleibt aber natürlich auf ihrem Standpunkt. Am Ende des Gesprächs sage ich: "Danke Mama. Das Gespräch heute mit dir hat mir sehr sehr geholfen und gut getan." Und sie sagt (JAAAAA ich weiß!!!! JA. Und andererseits weiß ich nicht. Ok ich flippe aus, entschuldigung): "Bin ich ja doch noch zu was gut." Und lacht. Und ich sage: ach Mama, das bist du doch sowieso! Und sie sagt nur: "Ne wirklich jetzt. Es tut mir gut, dass dir das heute gut getan hat." Und ich frage mich: scheiße was ist wenn sie nur mehr Zuwendung von uns braucht? Und wo sind die Grenzen? Und überhaupt. Vielleicht fehlt ihr einfach nur .. mehr Liebeszeichen von uns. Ich weiß das klingt blöd, aber in dieser ganzen Scheiß Sache führen wir ja meistens nur Diskussionen und reden und reden, aber nie oder selten liebevoll. Und sie versteht ja unsere Liebe nicht, wenn wir ihr erklären, dass sie eigentlich Neu*role*pika braucht. Klar dass sie das nicht als Liebesbeweis sieht. Ich weiß nicht, auch hier scheitern wieder all meine Erklärungsversuche. Letztendlich dreht sich alles um Schuldfragen für mich, egal wie gerecht- oder ungerechtfertigt sie sein mögen.

Danach spreche ich mit meinem Bruder. Er hatte einen Anruf von ihrem Hausarzt. Sie hätte ihm erzählt, dass ihre Kinder so leiden würden unter der Situation. Und ansonsten meint er, akut sei da gerade nichts, und wir stimmen zu, denn sie freut sich uns im Januar wiederzusehen. Aber hey der Teufel ist ein Eichhörnchen, und letztendlich weiß ich gar nicht mehr was ich glauben soll und glaube letztendlich an nichts mehr.

Mein Bruder geht die nächsten zwei Tage Skifahren. "Ich kann nicht mehr, verstehst du?" "Ja, das verstehe ich". Er macht sein Handy dort aus, sagt er. "Mach das, A., mach das echt." Er setzt an..: "Ich.. ich hab das Gefühl den Verstand zu verlieren. Gestern sitze ich bei einer Freundin. Und sitze da so. Und es tut mir so leid weil ich sie ja mag, aber ich sitze da nur so. Und heute morgen war ich bei B. (AdV: ein Kumpel von ihm), und ich hab ihm innerhalb von einer Minute zweimal die Hand gegeben, weil ich nicht wusste, ob ich sie ihm schon gegeben habe."

"Ich versteh das, sehr gut", sage ich.

"Ich hab das Gefühl ich werde selbst langsam verrückt."

"Ich verstehe das", sage ich wieder. Ich muss daran denken, wie sie ihm gestern sagte, nach dem ersten Klinikaufenthalt habe sie sich für einen möglichen Sui*zid einen Starkstromfön gekauft. Keine Ahnung ob es so etwas überhaupt gibt, und wenn ja, ob sie den echt gekauft hat. Aber das ist dem Herz auch egal.

"Ich hab das Gefühl, das verstehen nur ." Dann war der Akku leer. Aber mehr gibt es an dieser Stelle auch einfach nicht zu sagen.


Doch, eins noch. Ich bin so dankbar, dass ich kein Einzelkind bin. Und dass mein Bruder und ich uns so nah kommen. Und dass wir ohne viele Worte verstehen. Ich habe diesen Song schon letztes Weihnachten gepostet, nach einer Nacht, an die wir beide auch dieses Jahr intensiv gedacht haben. Wir hatten dort Themen, die bisher keiner weiß, selbst das Blog hier nicht. Aber diese Themen und das was wir sprachen, das ist wie kleine Schätze, die mich irgendwie weiterstolpern lassen. Ich liebe meinen Bruder, und er ist das, was mir gerade halt gibt. Ich glaube, das einzige.


Seelenheil ~ ... link (4 Kommentare)   ... comment