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Montag, 1. Juli 2013
Scherbenpark.
okavanga, 01:44h
"Letztendlich
geht es doch darum:
dass wir
so viele schöne Momente
wie möglich
sammeln
bis wir sterben."
~ Theraonkel
Am Freitag fahre ich mit der Gewissheit von meinem Theraonkel weg, dass ich B. auf jeden Fall sagen will, wie sehr er wieder nachschwingt. Denn: wenn Dinge weh tun könnten, dann könnte man sie natürlich immer vermeiden. Das führt aber dazu, dass man nicht einmal die schönen Momente hat, nach denen es vielleicht (!) weh tut. Und wohin hat mich mein Vermeidungsverhalten, meine destruktiven Gedankenkreise und meine permanenten Unterstellungen gegenüber anderen Menschen bisher gebracht?
B.'s Antwort überrascht mich. Auch das möchte ich gerne für mich behalten, weil es so wunderschön ist. Das, was er schreibt, fühlt sich so intensiv und nahe an, dass mir warme Schauer über das Herz laufen. Es bleibt dabei, dass ich nichts erwarte, und viel bekomme, für den Moment. Und vielleicht geht es ja wirklich nur um eben diesen.
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Samstag. Karo*tte wird auf Sonntag verschoben. "Soll ich heute Abend trotzdem zu dir kommen?" fragt der kleine Benjamin. "Hm was machen wir denn da dann?", entgegne ich. Der kleine Ben schreibt: "Wie meinstn du das?" Und ich beeile mich zu sagen: ja ne, haste recht, war ne blöde Frage. Es ist und bleibt eben nur das eine.
Am Abend hole ich ihn ab, zum ersten mal dort wo er wohnt. Im Odenwald. Mein Vater sang meinem Bruder und mir, als wir ca. 7 und 6 waren, vor: "Im Odenwald im Odenwald, da wurden ihm die Hoden kalt." Diesmal wurden erst mir die Hoden kalt. Es ist nämlich das erste mal, dass wir uns treffen, wenn ich vollkommen nüchtern bin. Und so stelle ich mich auch an. Schüchtern. So schüchtern. Es ist aber auch komisch. Da steigt jemand bei Ihnen ins Auto, und Sie fühlen sich wie so ein kleiner Freier. Fahren mit diesem jemand zu sich nach Hause, und Sie wissen genau - der jemand wills jetzt aber auch wissen. Sehr gewöhnungsbedürftig für mich, ganz nüchtern, und in dieser Konsequenz.
Als ich endlich in Fahrt bin und auf ihm sitze, dauert es keine 2 Minuten. Dann ist es vorbei. Ich schaue blöd. Denke mir: wars das jetzt? Dafür bin ich in den Odenwald gefahren??? Er spürt mein
Am nächsten morgen kassiert der kleine Pascha noch ein Frühstück bei seiner Freierin. Ja, es schmeckt. Na das freut mich. Ich bin leicht pissed. Und ziehe ihn deswegen heran zu Schadensersatz für die letzte Nacht. Das gleiche Szenario. Ich bin fassungslos und versuche es mir nicht zu sehr anmerken zu lassen, weil ich merke, dass es Ben wirklich peinlich ist und er gerne im Erdboden versinken möchte. Er will nach Hause. Hm. Ich fahre ihn. Wir haben uns nie viel zu sagen, so ist das auch im Auto, schon beim Holen. Wir sind einfach null auf einer Wellenlänge - außer im Bett, und da hats diesmal echt... -
Witzig war, als er mir eine Abkürzung zeigen wollte und meinte: "Ich zeig dir wie es schneller geht"... es hat mich zerrissen. Ihn dann auch.
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Auf dem Heimweg kommt die Einsamkeit. Der wunderschöne Odenwald zieht an mir vorbei, soviel Grün, so schöne Hügel, eine Idylle mit Pferden und Wäldern. Und mittendrin mein kleiner Druffi Benjamin. Der nicht versteht, warum ich nicht RTL2 auf Favoritenplatz 1 habe, sondern ZDF Doku, Einsfestival und Co. Der nicht versteht wenn ich versuche etwas Privates zu erfahren, und der kaum versteht, wenn ich Privates erzähle. An einer Baustelle meinte er, als der vor uns eine komplette Grünphase verpasst: "Ich hasse dumme Menschen!" Ich versuche nicht gemein zu sein, lache nicht und spare mir die Frage: "Das sagst du?!" Die Arroganz würde mir sowieso im Hals stecken bleiben. Vermutlich tue ich ihm unrecht. Er kann ja auch so unglaublich süß sein, und doch...
... wäre er nie ein Mann für mich. Deswegen verstehe ich nicht, wieso die Einsamkeit ihre Krallen nach mir ausstreckt und über das Herz kratzt. Warum ich mir wünsche, er würde sich mehr für mich - also MICH - interessieren. Fragen stellen. Mich mehr umwerben. Sich in mich verlieben.
Ich versuche, wie schon öfters in den letzten 12 Stunden, an die Worte meines Therapeuten zu denken, um nicht wieder in einen Gedankenkreisel zu geraten. .. Schön... Moment... Was höre ich... was sehe ich... der Moment... Da ist jemand der mich begehrt... Ich will doch selbst auch nicht mehr... alles ist gut... genieße den Moment...
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Freunde gehen nicht ans Telefon oder haben keine Lust. Ich habe allerdings noch zwei Freikarten mit freier Filmauswahl für das Festival des Deutschen Films, das mit diesem Wochenende enden soll. Ich fühle mich einsam... Mag mich denn keiner..
Moment... Schön... Wetter Sonne..
Vom Hafenstrand wehen Kar*ottes Klänge... Wegbeamen? Aber allein? Allein...
Mit wehem Herzen fahre ich um halb fünf zum Filmfestival. Weil ich weiß (und fühle!), dass das besser für mich ist. Die Frau an der Kasse rät mir von allen für den heutigen Tag anstehenden Filmen zu Scherbenpark. Ich mag Ulrich Noethen, und den Film letztendlich auch.
Er entbehrt nicht einer gewissen Komik. Leider bekomme ich den Original Dialog nicht mehr hin. Sinngemäß: Das Mädchen Sascha entjungfert den Sohn des Redakteurs. Er kommt noch schneller als Ben. Sie kuckt enttäuscht. "Wie, schon vorbei?" Er: "Na.. wielang sollte sowas denn dauern?" Sie: "Naja.. irgendwie länger." Dabei schmecke ich Ben in meinem Mund und rieche ihn an meinen Fingern, ich lache und mein Herz auch ein bisschen, und ich freue mich, dass ich alleine zum Filmfestival und in genau diesen Film gegangen bin.
Moment... schön... Zufrieden.. Sonne... Wasser... Alles gut...
Weil ich ja nun noch eine Karte übrig habe, hat mir die Kassenfrau für morgen einen weiteren Film empfohlen. Morgen weil: LU war dieses Jahr etwas vom Unglück verfolgt. Erst das Hochwasser, das Umsiedeln des Festivals, dann der Lagerbrand. So wird ein Montag rangehängt und es werden die Filme von vor einer Woche, dem Brandsamstag, wiederholt.
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Zu Hause. Die Sonne schein. Und Kar*otte klingt so gut. Ich nehme mir ein Bier aus dem Kühlschrank und setze mich an den Kanal um mein Gesicht in die Sonne zu halten und zumindest so den Sound zu genießen. Telefoniere mit J., der mir von seiner neuen Beziehung erzählt.
Alles gut... soll doch... Kanal.. Sonne... Gräser im Wind... gute Musik.... Wegbeamen wär schön.
Plötzlich steht F. vor mir. Drauf wie Lotte, und mit einem mir völlig unsympathischen Kumpel. Deswegen beschließe ich, mich den beiden nicht für ein aktives Abzappeln mit allem drum und dran für die letzten zwei Stunden Hafen anzuschließen, sondern gehe nach Hause und koche. Auch, weil F. extrem kurz angebunden ist. Neulich habe ich ihm von Ben erzählt. Und auch, dass er bedeutungslos für mein Leben ist. F. war ganz sprachlos: "Warum schläfst du mit jemandem, der für dich bedeutungslos ist, aber nicht mit jemandem, der dich mag, und den du magst? Warum schläfst du nicht mit mir? Warum lehnst du das so sehr ab?" "Weil wir uns endlich gut verstehen, mit Sex würde wieder alles ganz komisch und wir würden uns zerstreiten und Monate nicht miteinander reden... alles von vorne..." Aber seine Worte klingen nach. Auch heute noch. Es gibt immer wieder kleine Momente, in denen sie hochpoppen. Danach hat F. das erste mal nicht mit mir in einem Bett geschlafen, obwohl ich es frisch beziehen wollte. Er hat alleine auf dem Sofa im Wohnzimmer geschlafen. Mir hat das wehgetan. Aber das Drumherum ihm vermutlich noch mehr, deswegen schluckte ich meine Verletztheit. Es ist komisch mit uns.
Im hier und jetzt.... Wegbeamen wär so schön... Sonne... Hach legt der gut auf... Moment.... muss doch alles irgendwie gut sein......
Beim Kochen spüre ich den Kloß im Hals. Papa ruft an. Und alle Dämme brechen. Ich erzähle ihm von B. und Ben und meinen Gefühlen und dass ich so bin wie ich bin und warum ich da nicht rauskomme aus dieser Traurigkeit, von der ich gar nicht weiß warum sie da ist. Und dass ich doch schon versuche, dann mir Gutes zu tun. Mit Film. Und Hafen. Denn es geht nicht um Ben, auch wenn er das nun erstaunlicherweise ausgelöst hat. Und auch nicht um B. Es ist etwas in mir, ganz tief und allumfassend und alt und völlig unabhängig von Ort, Zeit und Mann.
Dann bin ich ruhiger. Und ich schreibe das hier. Im Herz ein kleiner Scherbenpark, einen, wie ich ihn schon oft gespürt habe, von dem ich aber weiß, dass er mit heute und gestern nichts zu tun hat, sondern dass er ein Teil von mir ist. Wenn ich nur wüsste, wie ich ihn loskriege. Oder endlich annehme. Ben rieche ich immer noch.
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