Samstag, 22. Februar 2014
Tetris.
Seit Monaten spielt alles in mir Tetris. Stapelt, schaufelt, kippt, sortiert, packt um, verstaut, holt hoch, prüft und ordnet neu. Es ist als würden die Therapiejahre – vor allem die letzte Zeit bei Herrn M. - sacken und verarbeitet werden. Es strengt unfassbar an, fickt mich in alle Öffnungen und ganz besonders hart da, wo gar keine sind, und geht an meine letzten Reserven.

„Oka, du musst nicht auf einen Mann warten, bis du dir ein Haus kaufst“, erklärte mir neulich nachts im Traum ein älterer Kollege, der mich von seiner Art her manchmal an meinen Vater erinnert. Und ich dachte mir: joa. Stimmt. Und sah mir wunderschöne kleine Häuschen inmitten von Weinhängen an mit Blick auf einen Fluss im Tal. Es war herrlich.

Sie mögen jetzt sagen: ok…… und weiter? In mir gongte beim Aufwachen ein ganz lautes: „Guten Morgen!“ Es war wie ein Meilenstein in einem monatelangen Prozess. Tatsache ist: bis zu diesem Traum war mir das alles so nicht wirklich bewusst – auch wenn ich es seit Jahren wusste. Und ja: natürlich geht es dabei nicht nur um ein rein physisches Haus, und auch nicht um Männer an sich – aber bestimmt auch. Es geht vielmehr um das „wenn nur endlich <xyz> geschieht, dann werde ich glücklich“.

Und so leite ich nun unelegant zu meinem letzten Eintrag über. Er entsprang nur wenigen Minuten tiefer Verzweiflung, die sich aber erstaunlich schnell lichtete…. Denn…

Eigentlich möchte ich gar nicht in Koma versetzt werden, auch wenn ich mir das phasenweise so sehr wünsche. Es wäre zwar irgendwie gut nichts mitzubekommen vom eigenen Heilungsprozess, und einfach cool, calm and collected irgendwann aufzuwachen – aber irgendwie wäre das halt auch gar nicht gut. Denn mal ehrlich – der Weg ist mit all seinem Elend und seiner Lethargie, seiner Statik und Dynamik schlichtweg unglaublich. Und genau das ist vermutlich der Punkt warum es mir immer leichter fällt auf Betäubung - welcher Art auch immer: legale wie illegale Drogen, Fickbetäubung, Zersträuungsbetäubung, Ablenkungsbetäubung - zu verzichten. Ich betäube mich immer seltener, auch wenn oder obwohl es mir beschissen geht. Denn ich merke wie hier unten, wo ich panisch, am Ende meiner Kräfte und tatsächlich fast in Todesangst dachte: fuck ey weiter gehts doch jetzt gleich nicht mehr runter, mit den kleinen zaghaften Schritten und den ganz bewusst und selbst gewählten Aktivitäten und Entscheidungen Mut zurückkommt. Unter all dem Schlamm, all den Ruinen stoße ich völlig überraschend und wider jeglichen Erwartungen auf Willen. Auf die Lust zu leben. Auf eine neue Art zu leben. Darauf Neues zu entdecken. Mich neu zu entdecken. Ich will wissen was ich will und was ich nicht will, was mir gut tut und was nicht, was mir weh tut und was nicht. Ich will bei mir sein. Ich will das alles spüren und mitbekommen. Ich will es aushalten. Weil etwas in mir weiß, dass ich es kann, und dass nach der Scheiße das Gold kommt. Weil ich mir ganz hellwach einen Palast aus diesem Gold baue, egal wie lange es dauert und egal wieviel Anstrengung es kostet, egal wie oft die Mauern wieder bröckeln oder einstürzen und mir Trümmer auf die Füße donnern und ich eine wunde Nase habe weil ich verheult in dreckige Baumwolltaschentücher rotze, egal wie oft ich Brocken umdrehen, umsortieren, umstapeln, umpacken, prüfen und neu ordnen muss. Einen verdammten Palast aus Gold. Meinen Palast! Genug auf Godot gewartet. Nimm das, you fucking son of a bitch!




~ Kollektiv Turmstrasse - Heimat

Seelenheil ~ ... link (11 Kommentare)   ... comment