Dienstag, 11. Juni 2024
Friedensarbeit.
Zu der Wahl, mir fehlen ein bisschen die Worte. Nicht, weil es überraschend käme. Sondern weil ich einfach nicht mehr weiß was ich sagen soll. Die Situation beunruhigt und belastet mich. Umso mehr mag ich meine Blase im grünen Heidelberg, mag ich meinen Kiez hier in Mannheim, in dem aktuell die Grünen die meisten Stimmen haben und Volt auf über 9% kommt. Dabei versuche ich im Dialog zu sein mit Menschen in meinem weiteren Umfeld, die anders denken. Fällt mir nicht leicht, ich finde es sehr sehr anstrengend, über "zuviel ausländische Energie", "Sylt fand ich nicht so schlimm, immerhin stechen sie keinen ab" oder "man darf ja gar nicht mehr frei seine Meinung äußern" zu diskutieren. Doch eigentlich wollte ich was ganz anderes schreiben. Vielleicht hängt das aber auch zusammen.

Mir wird momentan sehr viel Zuneigung zuteil. Liebe, von meinen Freund:innen. Und vermutlich war das schon immer da. Aber wir haben weniger darüber gesprochen. Es uns vielleicht nicht so gezeigt. Oder, und das ist das wahrscheinlichste: ich habe es nicht so sehr gezeigt, und es von der anderen Seite nicht so wahrgenommen, weil ich mir schwer tat mit der Zuneigung zu mir selbst. Doch seit ein paar Monaten, in den letzten paar Jahren, entwickeln sich in diesen engeren Beziehungen Dynamiken und eine Nähe, die ich einfach nur toll finde. Ich fühle mich so sehr geliebt. Und vom Schicksal beglückt, dass ich diese Menschen in meinem Leben habe (ganz abgesehen davon, wie unfassbar privilegiert wir sind in diesem Land geboren zu sein bzw. zu leben). Dazu gehörte auch mich bewusst von denen zu trennen, die viel meiner Energie abgezogen haben. Ich fühle mich aufgehoben, geborgen und geliebt mit meiner Wahlfamilie.

Dieses Gefühl, so zu lieben und geliebt zu werden, das wünsche ich jedem. Jedem einzelnen Wesen, und ganz besonders denen, bei denen Hass und Hetze so verfangen, bei denen sich Bitterkeit im Herzen breit macht und die Seelen eng werden. Ich weiß wie sich das anfühlt, leider, und das sage ich nicht ohne Scham, auch wenn das nie Auswirkungen auf meine Wahlentscheidung hatte. Es waren andere (persönliche, nicht politische) Themen bei mir, und ich habe die Schuld meist bei mir gesucht, nicht bei "denen da oben" oder vermeintlichen "Outgroups". Und davor gefeit, dass mein Herz sich wieder wandelt, bin ich auch nicht, aber sehr achtsam was seinen Takt angeht.

Wie sehr hängen persönliche Themen, die keine Partei für uns lösen kann, wohl mit Wahlentscheidungen zusammen? Das finde ich eine spannende Frage. Wir alle wollen letztendlich gesehen werden. Und ich denke das gilt immer, wenn das Herz hässlich, bitter und eng wird, egal aus welchem Grund: es ist eine bewusste Entscheidung an diesem dunklen Ort nicht zu verweilen. Und ja, der Weg ist lang und anstrengend und mitunter ätzend, denn man muss ihn selbst gehen. Das nimmt einem keiner ab, egal ob schwarz, rot, grün, blau, gelb, lila, regenbogen. Aber er lohnt sich, am Ende für eine ganze Gesellschaft. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich will damit die Politik nicht ihrer Verantwortung entbinden. Ich meine hier nicht das neoliberale Gebet von der alleinigen Verantwortung des Individuums. Doch durch Hass wurde einfach noch nie etwas besser. Es ist schon was dran, was die Suchttherapeutin unserer Gruppe sagte: Therapie, das ist auch Friedensarbeit.

~ Florence and the machine - You've got the love