Mittwoch, 19. Juni 2024
Ich erzähle von aktuellen Ereignissen mit meiner Mutter, erzähle von meinen Träumen. Wir sprechen über Schuldgefühle, und darüber, wie ihre Erkrankung in letzter Konsequenz auch mit zunehmender Verwahrlosung und Asozialität einhergeht. Sie wird mehr und mehr verrückt, sage ich. Es ist wie ein Brandbeschleuniger, was letzten November war. Es klingt so komisch, erzähle ich, aber jetzt hat sie diese Diagnose seit 15 Jahren, und immer noch ist es neu für mich, dass sie so schwer erkrankt ist. Wir sprechen darüber, dass in der Beziehung zwischen ihr und mir nichts mehr oszilliert. Dass nur noch nichts möglich ist, weil sie sich jeder normalen Kommunikation entzieht, auch bedingt durch die fortschreitende Erkrankung. Erähle davon, was sie meinem Vater auf den Anrufbeantworter spricht. Davon, dass sogar mein Vater weint wenn er sagt, das tut ihm selbst so weh zu hören, wie verzweifelt und einsam diese Frau ist. Es ist sehr schwer für mich, für uns alle.

"Sie haben doch auch positive Erinnerungen an Ihre Mutter. Versuchen Sie, die zu bewahren."

"Ja, ich habe auch sehr schöne Erinnerungen an Sie, zum Beispiel wie sie mich darin bestärkt hat in die Welt zu gehen, und vor allem damals in Südafrika, diese Reise weiter zu machen, sie hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich nicht in Namibia vom Truck muss, sondern dass ich doch bis zu den Victoria Fällen mitreisen kann. So eine Frau war sie einmal.

"Diese Frau ist sie noch. Sie wird nur mehr und mehr überdeckt, überlagert von ihrer Krankheit. Wir haben doch mal über Joe Black und den Tod gesprochen. Erinnern Sie sich an die guten Dinge mit ihr, haben und bewahren Sie sich diese Erinnerungen."

"Das tut aber so weh."

"Das ist doch aber besser als das furchtbare Jetzt, dieses Nichts, diese Leere."

Ich weine und denke darüber nach, dass diese verdeckte Frau vielleicht jene ist, die verzweifelt auf Anrufbeantwortet spricht und um Kontakt fleht. Sie tut mir so unglaublich leid. Wir alle um sie herum tun mir unglaublich leid. Es ist einfach nur schrecklich und tragisch.

...

"Ich dachte, ich gewöhnte mich irgendwann daran, an sie, mit ihrer Erkrankung."

Ein irritierter Blick seinerseits. Dann:
"Nein. Wie soll man sich daran gewöhnen. Also ich als ihr Therapeut gewöhne mich daran vielleicht, ja. Aber wenn ich mir vorstelle, dass das meine Mutter ist. Da kann man sich nicht gewöhnen, nein."

"Der Freund einer Freundin meinte im März, nachdem ich auf seine Frage nach meinem Befinden meinte 'naja, mal so mal so': du darfst das dann fei auch irgendwann einfach loslassen."

Wieder irritiertre Blick. Kopfschütteln.
"Da gibt es nichts loszulassen."

Seelenheil ~ ... link (1 Kommentar)   ... comment