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Mittwoch, 2. Oktober 2024
okavanga, 13:43h
Jedes mal, wenn ich Post von einem Notar, Amtsgericht oder sonst einer offiziellen Stelle erhalte, läuft in mir erstmal das volle Programm zu meiner Mutter ab. Auch wenn ich noch gar nicht weiß, ob es wirklich sie betrifft. Alles auf einmal, Sorge, Angst, Erinnerungen, Liebe, Wut, Trauer, und Erinnerungen über Erinnerungen, die sich mit Befürchtungen vermischen, alles in Sekunden und sehr bildhaft.
Gestern war es ein Schreiben vom Amtsgericht. Der Betreuer, der inzwischen vom Psychiater bestellt wurde, da mein Bruder auch am Ende seiner Kräfte ist, wir beide, wir können nicht mehr Verantwortung übernehmen, hat meine Mutter zwangseinweisen lassen in die geschlossene Abteilung der Bezirkspsychiatrie. Es wird auch erläutert, wer an dieser Entscheidung beteiligt ist, und warum sie getroffen wurde.
Man könnte meinen, ich gewöhne mich irgendwann an das alles("Wie soll man sich denn daran gewöhnen??" - Meister Yoda). Seit 15 Jahren lebe ich nun mit einer schizophrenen Mutter. Es ist nicht die erste Einweisung, aber die erste, in die wir nicht involviert sind. Sondern die jemand veranlasst hat, dem sie nicht nahe steht. Es ist ein schreckliches Gefühl für mich. Als würden wir sie gänzlich im Stich lassen. Ich verstehe auch nicht, warum man ihre notarielle Vereinbarung, die getroffen wurde als sie noch zu solchen Entscheidungen und Unterschriften fähig war, nicht berücksichtigt. Die Bezirksklinik ist für sie ein Trauma. Sie will in eine andere, diese liegt allerdings in einem anderen Bundesland, vermutlich geht es deswegen nicht. Doch wozu legt man sowas dann notariell fest?
Wie beängstigend ist das, auch für uns alle, denke ich mir. Zählt man irgendwann einfach nicht mehr? Werden Bedürfnisse irgendwann nicht mehr ernst genommen? Es macht mich auch sehr wütend.
Und es bricht mir das Herz. Weil ich weiß, wie furchtbar es für sie dort ist, und weil ich weiß, dass die geschlossene Station kein guter Ort für solche Patienten ist. Mit "solche Patienten" meine ich die, bei denen die Krankheit auf die Art und Weise ausgeprägt ist wie bei meiner Muttter. Die nie Krankheitseinsicht erlangte. Die selbstständig keine Medikamente nimmt. Die einfach immer wieder von vorne anfängt, sobald sie entlassen wird - mit einem Trauma mehr im Gepäck. Freiheitsentzug ist so etwas entsetzliches, und einmal mehr, wenn man selbst nicht versteht, warum es geschieht.
Ich bin sicher, dass alle Beteiligten aus bester Überzeugung und in bester Absicht handeln. Und doch finde ich es furchtbar. Wie sehr würde ich ihr einen Fürsprecher wünschen! Jemand, der sie liebevoll anfasst, egal wo sie steht. Mein Bruder und ich können diese Menschen meistens nicht sein, und auch das ist etwas, was ich nur schwer ertrage. Ich schäme mich, fühle mich schuldig.
Es ist nicht so, dass ich eine bessere Lösung habe. Ja, meine Mutter war in Kurzzeitpflege, dort wollten sie sie nicht länger dabehalten, weil sich meine Mutter unmöglich aufgeführt haben muss. Ich kann es mir lebhaft vorstellen, und das, obwohl ich sie seit diesem akuten und schnell voranschreitenden Verfall nicht mehr persönlich gesehen habe. Sie kann nicht mehr alleine leben. Mein Vater erzählte mir, mein Bruder kam neulich zu ihr nach Hause, da saß sie nackt auf dem Sofa und hatte sich eingenässt. Ich erzähle das nicht um sie blosszustellen, ich finde es ist eine herzzerreissende Szene.
Es gibt Wohnheime für psychisch Erkrankte, leider gibt es in der Heimat davon nicht viele. Warum haben wir keine guten Orte für diese Menschen. Verdienen sie es denn nicht auch als Menschen gesehen und behandelt (nicht im medizinischen Sinne) zu werden?
6 Wochen in der Geschlossenen, ich mag es mir nicht vorstellen. Klar beenden sie das und verlegen auf die offene Station, wenn es sich bessert, aber sie wird nicht auf der offenen bleiben, wenn sie diesmal überhaupt dorthin kommt. Und danach? Wie sehr mag sie da noch leben wollen?
Ich finde es schrecklich, einfach nur schrecklich. Diese Ohnmacht, diese Sorge, Angst und Trauer um sie. Brutale Hilflosigkeit und Schuldgefühle. Es sitzt schwer auf der Seele. Mama du fehlst mir, schon so lange.
~ M83 - Wait
Gestern war es ein Schreiben vom Amtsgericht. Der Betreuer, der inzwischen vom Psychiater bestellt wurde, da mein Bruder auch am Ende seiner Kräfte ist, wir beide, wir können nicht mehr Verantwortung übernehmen, hat meine Mutter zwangseinweisen lassen in die geschlossene Abteilung der Bezirkspsychiatrie. Es wird auch erläutert, wer an dieser Entscheidung beteiligt ist, und warum sie getroffen wurde.
Man könnte meinen, ich gewöhne mich irgendwann an das alles("Wie soll man sich denn daran gewöhnen??" - Meister Yoda). Seit 15 Jahren lebe ich nun mit einer schizophrenen Mutter. Es ist nicht die erste Einweisung, aber die erste, in die wir nicht involviert sind. Sondern die jemand veranlasst hat, dem sie nicht nahe steht. Es ist ein schreckliches Gefühl für mich. Als würden wir sie gänzlich im Stich lassen. Ich verstehe auch nicht, warum man ihre notarielle Vereinbarung, die getroffen wurde als sie noch zu solchen Entscheidungen und Unterschriften fähig war, nicht berücksichtigt. Die Bezirksklinik ist für sie ein Trauma. Sie will in eine andere, diese liegt allerdings in einem anderen Bundesland, vermutlich geht es deswegen nicht. Doch wozu legt man sowas dann notariell fest?
Wie beängstigend ist das, auch für uns alle, denke ich mir. Zählt man irgendwann einfach nicht mehr? Werden Bedürfnisse irgendwann nicht mehr ernst genommen? Es macht mich auch sehr wütend.
Und es bricht mir das Herz. Weil ich weiß, wie furchtbar es für sie dort ist, und weil ich weiß, dass die geschlossene Station kein guter Ort für solche Patienten ist. Mit "solche Patienten" meine ich die, bei denen die Krankheit auf die Art und Weise ausgeprägt ist wie bei meiner Muttter. Die nie Krankheitseinsicht erlangte. Die selbstständig keine Medikamente nimmt. Die einfach immer wieder von vorne anfängt, sobald sie entlassen wird - mit einem Trauma mehr im Gepäck. Freiheitsentzug ist so etwas entsetzliches, und einmal mehr, wenn man selbst nicht versteht, warum es geschieht.
Ich bin sicher, dass alle Beteiligten aus bester Überzeugung und in bester Absicht handeln. Und doch finde ich es furchtbar. Wie sehr würde ich ihr einen Fürsprecher wünschen! Jemand, der sie liebevoll anfasst, egal wo sie steht. Mein Bruder und ich können diese Menschen meistens nicht sein, und auch das ist etwas, was ich nur schwer ertrage. Ich schäme mich, fühle mich schuldig.
Es ist nicht so, dass ich eine bessere Lösung habe. Ja, meine Mutter war in Kurzzeitpflege, dort wollten sie sie nicht länger dabehalten, weil sich meine Mutter unmöglich aufgeführt haben muss. Ich kann es mir lebhaft vorstellen, und das, obwohl ich sie seit diesem akuten und schnell voranschreitenden Verfall nicht mehr persönlich gesehen habe. Sie kann nicht mehr alleine leben. Mein Vater erzählte mir, mein Bruder kam neulich zu ihr nach Hause, da saß sie nackt auf dem Sofa und hatte sich eingenässt. Ich erzähle das nicht um sie blosszustellen, ich finde es ist eine herzzerreissende Szene.
Es gibt Wohnheime für psychisch Erkrankte, leider gibt es in der Heimat davon nicht viele. Warum haben wir keine guten Orte für diese Menschen. Verdienen sie es denn nicht auch als Menschen gesehen und behandelt (nicht im medizinischen Sinne) zu werden?
6 Wochen in der Geschlossenen, ich mag es mir nicht vorstellen. Klar beenden sie das und verlegen auf die offene Station, wenn es sich bessert, aber sie wird nicht auf der offenen bleiben, wenn sie diesmal überhaupt dorthin kommt. Und danach? Wie sehr mag sie da noch leben wollen?
Ich finde es schrecklich, einfach nur schrecklich. Diese Ohnmacht, diese Sorge, Angst und Trauer um sie. Brutale Hilflosigkeit und Schuldgefühle. Es sitzt schwer auf der Seele. Mama du fehlst mir, schon so lange.
~ M83 - Wait
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