Dienstag, 16. Dezember 2025
NTM.
N. sagte noch etwas ganz anderes, das mir so wichtig ist, dass ich es extra schreibe. Sie habe sich viele Gedanken darüber gemacht, wie es für mich sei im Zusammenhang mit meiner Mutter, wenn ich Weihnachten nach Hause fahre. Das besorge sie. Sie meinte, das werde vermutlich relativ schwer, und bevor ich in die Heimat fahre, solle ich mir bewusst machen, dass ich Trost dort nicht finde. Dass ich mir gut überlegen soll, wie ich dort gut für mich sorge, und ob da jemand ist, der einfach da ist, wenn es mir den Boden unter den Füßen wegzieht. Ob ich nicht V. vorab ganz offen ansprechen kann, die Situation schilder und ihn bitte derjenige zu sein. Sie sei auch jederzeit erreichbar, aber eben nicht vor Ort.

Das hat mich stark berührt. Weil es etwas anrührt, was ich verdränge. Ich bin dankbar dafür, dass ich so tolle Menschen in meinem Leben habe. Die sich über so etwas Gedanken machen und mir das so direkt sagen. Die wie N. mich und meine Familie kennen, seit N. geboren wurde, sie kam etwas nach mir in diese Welt. Wenn ich an all das denke, was wir gemeinsam erlebt haben, wie sich unsere Wege manchmal auch getrennt und wieder gekreuzt haben, und in welcher Tiefe wir und begegnet sind, Wahnsinn, ich empfinde es als riesen Privileg das in meinem Leben zu haben.

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Weihnachten: zwischen Selbstschutz und Trotz.
Schon vor einigen Wochen habe ich mit meinem Vater und seiner Frau vereinbart, dass ich am 21.12. zu ihnen fahre, über den Geburtstag meines Vaters und Weihnachten. Irgendwann Ende Dezember fahre ich dann nach Berlin zu N. und ihrer Family, freue mich schon sehr auf mein Patenkind. Er bekommt ein Hertha-Badetuch, aber pssssst!

Vor einigen Tagen erklärte mein Vater am Telefon, sie hätten sich mit meinem Bruder abgestimmt, am 24. über mittags bei seiner Family zu sein, um auch die Kinder zu sehen, und dort das traditionelle Weihnachtsgericht zu essen. Ich könne da ja mit hin, wenn ich wollte. Abends wären wir dann zu dritt bei meinem Vater und seiner Frau. Klang für mich gut. Entspannt. Aber fands schon da irgendwie schade, dass sie mich gar nicht gefragt hätte, wie ich das denn finde oder worauf ich Lust habe. Da beging ich Fehler Nummer 1, das nicht zu äußern. Es war mir da auch gar nicht so bewusst. Das ist ein häufiges Problem bei mir, dass mir manchmal Dinge ein ungutes Gefühl geben, dass aber so subtil bleibt, dass ich in dem Moment gar nicht ins Bewusstsein kriege. Erst hinterher, und da auch manchmal erst, wenn nochwas drauf kommt. Das war mal eine Überlebensstrategie, erst auf die Beziehungssicherheit zu achten. Der Selbstabgleich entfiel über lange lange Zeit, musste, notwendigerweise. Meine Bedürfnisse passten oft nicht zu denen meiner Bezugspersonen. Doch heute ich bin nicht mehr auf sie angewiesen, mein Überleben hängt nicht mehr von den Bezugspersonen ab. Doch der Mechanismus, die Priorisierung der Bindungssicherheit sitzt sehr tief.

Gestern kam dann aber das "noch was drauf". Da erklärte mein Vater, sie hätten sich nochmal mit meinem Bruder besprochen. Sie wären nun doch ab dem Nachmittag dort, auch für die Bescherung der Kinder, und würden abends dort das traditionelle Weihnachtsgericht essen. Ich könne gerne mit, wenn ich wolle.

Also ich weiß nicht, wie sich das für Sie liest. Während ich es tippe, ist es noch befremdlicher für mich als vor dem Tippen, und da war es schon reichlich befremdlich. Aber auch im gestrigen Telefonat merkte ich nicht, was genau mich stört, nur dass mich etwas stört, und da ich nicht wusste, was, sagte ich, Fehler Nummer 2, wieder nichts. Erst als ich gestern spät abends im Bett lag, und es war spät, weil ich krankheitsbedingt immer noch tagsüber auch soviel auf dem Sofa schlafe, dass ich dann abends manchmal erst spät ins Bett komme, also erst da jedenfalls wurde mir klar, was mich da stört. Was ich da will oder wie ich mir das vorstelle, spielt bei deren Gestaltung einfach gar keine Rolle. Es fühlt sich an, als wäre es beliebig, ob ich dabei bin oder nicht. Als wäre ich auch gar nicht da.

Die erste Reaktion war dann Trotz. Ich schrieb, weil ich das los werden wollte, eine Nachricht, dass ich es seltsam finde, dass sie untereinander besprechen was sie Weihnachten machen und ich das dann halt mitmachen muss oder alleine bin. Dass mich das befremdet und ich mich dadurch nicht wirklich willkommen fühle und überlege in Mannheim zu bleiben.

Vielleicht war es aber auch ein Schutzbedürfnis mir selbst gegenüber. Denn das, was da passiert ist, ist ein Muster in dieser Familie. Ich möchte mal als eigenständige Person mitgedacht werden. Es wiederholt sich hier für mich ein Bindungs- und Zugehörigkeitsthema. Das hat auch was mit der aktuellen Situation zu tun, aber natürlich auch damit, dass das etwas ist, was eben schon seit ich lebe so ablief. Nicht immer, aber sehr sehr oft, meistens. Oder dass ich eben dafür da bin, aktiv die Bedürfnisse anderer Personen zu erfüllen. Ich will das aber nicht mehr. Ich möchte mich selbstwirksam und autonom erleben. Ich bin 45 und möchte nicht nur als optionaler Anhang gedacht werden.

Nun habe ich mir mögliche Alternativen überlegt.

Alternative 1 wäre mir ein Ehrenamt zu suchen. Das wäre das, was ich hier in Mannheim gemacht hätte, da gibt es eine Kirche, die sucht Unterstützung, das habe ich vor drei Jahren oder so schon mal gemacht.

Alternative 2 ist es, eine nicht ganz so enge aber langjährige Freundin einzuladen, die auch in der Heimat wohnt. Ich hatte sie heute nach Optionen für ein Ehrenamt gefragt. Sie meinte, sie sei auch alleine, weil ihr Bruder und seine Frau auch ihre Entscheidungen getroffen hätten. Da denk ich mir, ich könnte sie zu meinem Vater einladen, sie sind ja nicht da, für uns kochen und gemeinsam essen.

Alternative 3 wäre gar nicht zu fahren. Es gäbe tolle Sachen und Treffen hier. Aber ich möchte auch gerne V. sehen, mit ihm um die Häuser ziehen, die wunderschöne Natur dort genießen, in die Sauna gehen, etc., und vor allem auch meine Mutter sehen. Ich weiß nicht, ob sie ein weiteres Weihnachten erleben wird, es geht ihr schlecht.

Alternative 4, ich gehe einfach mit zu meinem Bruder.
Aber wissen Sie - es geht mir gar nicht um meinen Bruder, denn dort wäre ich ja vielleicht auch gerne mit hingegangen. Es geht mir nicht um den Ort, sondern darum, wie das geplant wurde. Und dass ich da zwar mitgedacht werde, im Sinne von: sie kann ja auch kommen, oder sie ist ja auch eingeladen. Aber nicht in die Planung einbezogen. Das ist dann: friss oder stirb, vor vollendete Tatsachen gesetzt. Und damit habe ich wirklich ein Problem. Vielleicht eben auch so sehr aufgrund meiner Historie in dieser Familie. Ich KANN das diesmal nicht mitspielen, ohne dass ich das, was das bei mir ausgelöst hat, wegdrücke, auch wenn ich vielleicht ansich gerne mit hingegangen wäre. Ich WILL das nicht mehr. Tricky.

[Edit] Unerwartet tat sich Alternative 5 auf. Vorhin fragte ich V., ob er über Weihnachten ganz sicher in die Heimat kommt. Denn ich sei ins Wanken geraten, Familie und so. Für mich hatte ich überlegt, wenn er nicht käme, würde ich ernsthaft in Erwägung ziehen nicht hinzufahren. V. wollte mich ursprünglich dann auch mit nach Berlin nehmen vor Sylvester. Und V. sagte, doch doch, außer einer seiner Kollegen werde krank, dann müsse er einspringen, aber ansonsten sei er da. Ich antwortete, dass ich dann wohl den geplanten Sparzug nehmen werde. Daraufhin bot V. mir an, ob er seine Familie mal fragen solle, ob ich mit zu ihnen kommen kann. V. ist einfach einer der besten Freunde, die ich habe. Er hatte es ja auch damals organisiert, dass ich für einige Monate bei seinen Eltern auf dem Hof wohnen kann, 2021, weiß nicht ob Sie sich erinnern. Das war auch die Zeit, in der die Katze so krank wurde, mein Herz tut immer noch weh, wenn ich daran denke. Ich mag seine Eltern sehr gerne, vor allem seine Mama. Es ist total okay, wenn sie mich an Weihnachten nicht dabei haben wollen, denn ich weiß, dass sie eh volles Haus haben mit den Söhnen und der Familie des einen Sohnes etc. Allein das Angebot von V. hat mein Herz sehr erwärmt. Er ist für mich auf eine ganz eigene, besondere Art und Weise da, das kann ich gar nicht richtig erklären, ganz unabhängig von dem Vorschlag jetzt. Er ist DA. Immer. Und zwar ganz unaufgeregt, in einer Selbstverständlichkeit. Egal in welchem Zustand er mich erlebt, egal was er von mir schon gesehen hat, und es gab Situationen, da hat er bei mir echt in den Abgrund geblickt. Ich bin sehr dankbar für ihn.

Tiefer Seufzer. Mal mit N. darüber sprechen.

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