Montag, 28. März 2011
Des Rätsels Lösung.
Als ich vor 2,5 Wochen nach der Arbeit nach Hause kam, lag auf meinem Fußabreter vor der Wohnungstür schön an den Kanten ausgerichtet ein i*P*ad. Da kommt man.. naja ich.. dann doch mal ins Grübeln. Der Laptop, den ich habe, seit ich meinen Arbeitslaptop der alten Firma abgeben musste, ist wirklich archaisch und ich persönlich würde mich wahnsinnig über einen so chicken Nachfolger freuen. Aber.. Aber aber.. so wurde ich halt einfach nicht erzogen. Und vor allem: wer, und wie, und warum, und hä?

Also was tun. Ich startete mit etwas - meiner Meinung nach - sehr Banalem, und hängte einen Zettel unten im Hausflur aus: dass ich etwas gefunden hätte vor meiner Tür, das nicht mir gehört, und falls jemand oder dessen Besuch etwas verloren hätte, möge man sich bitte bei mir melden. Ich erwähnte (dummerweise) auch, dass ich bewusst nicht schreiben möchte, um was es sich handelt, da ich will, dass sich der rechtmäßige Besitzer findet. Also hätte ich nämlich im Jung*busch so eine Nachricht ausgehängt mit der Erwähnung des Gegenstands, wäre ich am nächsten Tag nicht mehr zu meiner Tür vorgekommen, weil 100 Leute meinen, sie hätten ein i*P*ad verloren.

Was für eine blöde Idee. Einen Tag später hing neben meiner Notiz der Brief eines anderen Hausbewohners. Er hätte zwar nichts verloren, gerät aber hinsichtlich meines Aushangs in tiefe Bedenken, dass ich doch der Hausgemeinschaft kriminelle Energie unterstellen würde. Und falls ich denn meine, in einem derart kriminellem Umfeld zu leben, dann solle ich den ominösen Gegenstand doch bitte einfach der Polizei übergeben. Mit befremdeten Grüßen, Herr .. nenne wir ihn Bird, denn der Name ist so, nur anders, und er hat wohl echt nen Vogel!

Am Wochenende darauf besuchte mich ein Freund aus Berlin. Wir lästerten lautstark im Hausflur, wonach der Brief von Herrn Bird verschwand, sich aber nach wie vor kein Betroffener fand. Der Berliner nahm das Ding unter die Lupe und stellte einen Namen fest. Dieser Name war auch auf einem der Klingelschilder zu finden. Also klingelten wir. Keiner öffnete. Mein Aushang verschwand (war etwa auch hier Herr Bird aktiv, der anscheinend Tag und Nacht Wache hinter seiner Tür im Erdgeschoss bezieht? Wir werden es nie erfahren!). Und wir schwelgten in den perverstens Verschwörungstheorien.

Es folgte eine Woche, in der ich täglich klingelte (und keiner öffnete). Ein Blick in den Briefkasten des Herren ließ mich vermuten, dass er vielleicht verreist sei. Also warf ich einen Zettel in den Briefkasten.

Eine weitere Woche verging. Nichts geschah, aber der Briefkasten war leer.

Heute Mittag klingelte es. Durch die Lautsprechanlage vernahm ich den Namen des vermeintlichen i*P*ad-Besitzers. "Ach ja, endlich, kommen Sie ruhig hoch". Oben angelangt, stand mir ein älteres Ehepaar um die geschätzt 70 Jahre vor mir. Hä? Den Herren, nennen wir ihn Stone, hatte ich mir wesentlich jünger vorgestellt. So.. Mitte 30.

"Wir sind die Eltern von Herrn Stone". Ach. Meine Kinnlade fiel runter. "Ähm wie genau... was?" "Er hat ihnen das i-P*ad vor die Tür gelegt, nicht wahr?" "Ähm ja, anscheinend, ich wusste nicht, dass er selbst es war, aber wie auch immer, mir hat sich das alles nie erschlossen."

"Er ist psychisch verwirrt, irrte im ganzen Treppenhaus herum, und dann auch vor der Tür, die Polizei hat ihn irgendwann aufgegriffen und in die Bezirksklinik eingewiesen. Dort ist er inzwischen auf der offenen Station, und wir hoffen, in zwei Wochen kann er wieder raus".

Staunen. Bauklötze. Ein tiefes Gefühl der Verbundenheit. Und Bewunderung für diese Offenheit.

"Was hat er denn?" rutscht mir raus... "Er ist extrem überarbeitet.." Ja und hat vermutlich ein bisschen nachgeholfen, vermute ich. Nur von Bu*rnout bekommt man das glaub ich nich in dieser Form. Wenn da mal nich mehr im Spiel war, aber wer weiß.

"Vielen Dank jedenfalls, dass Sie sich gemeldet haben. Unser Sohn wird sicher selbst noch bei Ihnen vorbeikommen und Ihnen etwas dafür geben." Also das wäre ja noch schöner, meine ich, und: richten Sie ihm viele Grüße aus, und er soll jetzt erstmal schauen, dass er wieder auf die Beine kommt.

"Ja.. das braucht Geduld", meinen die Eltern. Ich glaube, es sind tolle Eltern. Sie wohnen eigentlich nicht hier, sondern 100 km weg, aber sie kommen zweimal in der Woche, um den Briefkasten zu leeren udn ihn zu besuchen.

Ich überreiche Ihnen das i*P*ad, und bin gespannt, wer Herr Stone wohl ist. Ich bin mir sicher, dass wir uns irgendwann begegnen, und vielleicht auch etwas zu sagen haben...

 
Schön, dass Sie dieses Ding nicht einfach an sich genommen haben.
Möge dieser Mensch an der ganzen Geschichte wachsen und das ist manchmal leichter, wenn man ganz unten gelandet ist. Sie wissen, das glaube ich, und ich auch.

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@berenike: zwischendrin hatte ich ja arge Zweifel und schon überlegt, dass ich das Teil einfach stillschweigend hätte behalten sollen. Aber jetzt denke ich mir: alles richtig gemacht. Zum einen hätte er sich eh daran erinnert, und zum anderen: es fühlt sich einfach verdammt richtig an.

Ja, doch, wir wissen das, glaube ich auch. Schön mal wieder von Ihnen zu lesen :-)

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