Mein Vater schenkt mir seit Jahren einen Adventskalender. Nicht einfach irgenwelche mit Schokolade drin, sondern ich merke jedes mal, dass er sich große Mühe in der Auswahl gibt. Sie sind meistens wunderschön, erinnern an "früher", wecken das Gefühl von Kindheit und einer Sehnsucht nach Geborgenheit, und bergen kleine Sprüche. Der diesjährige birgt alles mögliche, Anleitungen für Kinderpunsch, zum Basteln von Weihnachtsketten, Wunschzettel von Kindern, ... (so viel kenn ich ja noch nicht ;-))

Im gestrigen "Türchen" steckte der Zettel von einem Klaus, der da schrieb: "Lieber Weihnachtsmann, ich wünsche mir ein knallrotes Fahrrad und eine Bastelanleitung für eine Zimmeraufräummaschine (wenn möglich). Dein Klaus"

Lieber Weihnachtsmann. Klaus hat mich auf eine tolle Idee gebracht. Ich hätte gerne eine Bastelanleitung für eine Lebenaufräummaschine (wenn möglich). Oder so etwas wie Veritas-Serum für meine Mutter. Oder auch für mich, ich kapier nämlich auch nichts mehr. Wenn nicht, schließe ich mich Klaus an. Das wär dann aber das mindeste. Deine Oka.

Lieber Weihnachtsmann,

das kam ja postwendend. So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt, aber ich will nicht kleinlich sein. Oder saßt gar du selbst auf dem Arztsessel am anderen Ende der Leitung, in der Psy*chiatrie, in der ich eben anrief um zu fragen, was zu tun sei?

Der Arzt hat sich den Fall im Computer aufgerufen, und ja, es gab eine offizielle Diagnose damals. Und er sagte: wenn das jetzt schon das ganze Jahr über anhaltend war, also durchgehend akut, dann ist das chronifiziert. Und wir würden hier über Positivsymptome sprechen. Und aus seiner Erfahrung heraus gehen die Erfolgschancen, dass diese Symptome bei einer chronischen Erkrankung jemals wieder verschwinden, auch bei medikamentöser Behandlung gegen null.

Gerade im Kontext mit der Trinkerei sei sie somit wahrscheinlich ein Fall fürs heim.

Dabei schmatzte er, es waren sicher Dominosteine.

Ich erklärte ihm die körperlichen Symptome, wie z.B. die Hautv*erbre*nnungen um die Augen, aber er meinte, dass er da jetzt keinen direkten Zusammenhang zum Wahn sieht, und dass vielleicht doch eine Autoimm*unerkrankung vorliegt. Laut Hausarzt tut es das nicht, sagte ich.

Das ist alles sehr schwierig, antwortete der Mann am anderen Ende der Leitung. Und ich fühlte, was er meint. Wie man langfristig mit ihr zu verfahren hat, müssten wir uns später überlegen. Jetzt dürften wir aber auf keinen Fall zulassen, dass sie sich etwas antut, sollten die Mails ausdrucken und damit zur Polizei gehen.

Lieber Weihnachtsmann. Das war ein bitteres Veritas-Serum, und mein Bruder und ich haben große Angst vor dem was da kommt.

Deswegen habe ich noch einen kleinen Wunsch. Schenk uns Kraft.

Hach Du.

Zum 2. Advent von mir 2x gedrückt.

Ich bin gerade sprachlos. Im Wortsinne. Ich kann Dir nur mein Mitgefühl ausdrücken und Dir Kraft wünschen.

Sorg dich nicht. Du machst das schon alles richtig.
Das ist kein Film. Die Gefahr ist real.


(http://www.navigator-medizin.de/schizophrenie/die-wichtigsten-fragen-und-antworten-zur-schizophrenie/verlauf-a-prognose/476-sind-menschen-mit-schizophrenie-selbstmordgefaehrdet.html)