Mittwoch, 21. Dezember 2011
Sie können jetzt aufhören hier zu lesen. Das wird gerade alles nicht besser, und die Beiträge immer länger und chaotischer und jammeriger, und ich schäm mich schon ob meines Gejammers mit dem ich mich und Sie besudel. Es ekelt mich vor mir selbst. Ich schreib trotzdem weiter, weil es hier hin gehört und ich keine andere Stelle hab, an die ich es packen kann. Ach naja doch, das Alternativ-Blog, aber da gehört das nicht hin.

Ich hatte ein verlängertes Wochenende mit meiner längsten und besten Freundin N. aus Berlin. Wir sind ins "win*terliche in Bran*denburg" gefahren. Wirklich witzig war, dass sie vorher ernsthaft meinte, lass uns doch noch Äpfel und Mandarinen kaufen, ich weiß nicht obs da was gibt. Und ich musste immer an die Zeile aus dem Lied von Grebe denken: "Pack dir E*ssen ein, wir fahrn nach Bran*denburg". Winterlich wars da dann zwar nicht, aber Essen gab es. Über den Kaffee lässt sich streiten, oder tatsächlich auch nicht, aber Kaffeetrinken war ja auch nicht Zweck der Reise.

Tatsächlich weiß ich nicht, wie es mir ging, dort. Es war sehr schön mit ihr zu sein. Mal wieder mehr voneinander zu erfahren, sich zu erleben. Zu zweit. Sie hat sich so sehr in einen Schmetterling verwandelt in den letzten 8 Jahren, es ist wunderbar und erstaunlich und faszinierend. Und ich fühlte mich daneben wie ein total runtergewichstes Wrack. Klein, hässlich, dumm und ungebildet. Orientierungslos. Traurig. Kaputt. Und unendlich einsam. Früher konnten wir soviel lustige Dinge machen. Und ich war einfach nur nichtmal ich selbst auf dieser Reise, glaube ich. Unsicher und schüchtern. Ich erkenn mich nicht mehr. Es war, als würde mir durch sie meine ganze Widerlichkeit überdeutlich auf die Füße fallen. Mein abgrundtiefes Unglücklichsein mit dem Jetzt und mit Mir.

Meine Mutter hat furchtbare Mails geschrieben an dem Wochenende. Ich zitiere nur mal einwas daraus. Hintergrund war, das mein Bruder ihr mal nicht den Gefallen tun wollte, um den sie ihn bat, und sie tat so, als wäre das typisch für ihn. Und das ist es nicht. Wirklich. Und sie schwadronierte und gipfelte dann in:

"Ich möchte an dieser Stelle einmal sagen: ich hätte mich in all den vergangenen Jahren als Mutter nur ein einziges Mal so was von Unhilfsbereit gezeigt. Vielleicht würde ich heute auf mehr Hilfsbereitschaftlichkeit und Verständnis stoßen, wenn ich mir für euch den Arsch nicht so aufgerissen hätte.

Es sind harte Worte: verdient hat es keiner von euch. Man möge es nicht glauben, aber es ist so. Ich wenn in den vergangenen Monaten nur auf Menschen gekommen wäre, wie ihr beide, wäre ich nicht mehr da.

Fakt ist - das ich in keiner einzigen Form - was immer kommt - im leisesten auf euch beide Rücksicht nehme."


Mein Kopf weiß dass das nichts mit uns zu tun hat. Aber weh tut es trotzdem. Sehr. So sehr, dass ich es kaum spüren kann. Hinzu kommt das Gefühl, dass sie inzwischen mit dem Sui*zid spielt. Also nein anders: sie spielt uns gegenüber mit dem Sui*zid. Das ist ihr Joker geworden. Und manchmal denk ich mir, zwischen Ohnmacht, Hass und Wut: dann spring doch endlich vor den Zug, du blöde Kuh! Schlag doch die einzigen auch noch weg, die dich aufrichtig und bedingungslos lieben.

Sie war schon immer so, bei meiner Therapeutin habe ich es immer "emotionale Erpressung" genannt: wenn ich nicht tickte wie es ihr passte, wurde ich vor die Tür gesetzt oder ähnliches. Der Kopf hat das schon lange erkannt und begonnen zu verarbeiten. Aber mein Herz hinkt sehr nach, und unter diesen ganzen beschissenen Umständen ist es eh nur noch im Ausnahmezustand.

Am Montag war ich dann beim Zahnarzt. Weil ich nachts so krass beiße. Er schaute es sich an, den Kiefer, die Zähne, drückte und drehte, und meinte: "Ihre Seele leidet unbeschreiblich." Dann erzählte er mir davon, dass er bis vor einem halben Jahr erzkatholisch war, verheiratet, zwei Kinder, jetzt hat er mit irgendeinem religiösen Zeug irgendwas für sich entdeckt. Und naja irgendwann meinte er dann: "Wissen Sie, es gibt Leute, die haben irgendwann das Gefühl, sie sind falsch abgebogen. Die haben ständig das Gefühl, sie haben an der Kreuzung den falschen Weg gewählt. Aber die bleiben dann auf diesem Weg. Die trauen nicht ihrem Gefühl, richten sich irgendwie damit ein und dümpeln auf diesem Weg dahin." Dann hat er den Abdruck gemacht, und ich bin gegangen, zurück auf meinen Weg, der sich überhaupt nicht wie der meine anfühlt.

In der Arbeit heute wegen einer Kleinigkeit ausgeflippt. Versucht dem GF zu erklären, was mein Problem mit der Sache war. Er versteht nicht. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass er nicht versteht. Für mich sind das kleine Dinge, die dennoch eine Menge sagen. Und sie sprechen mich nicht an. Ich fühle mich weiterhin wie der Alien. Es gib Tage, da kann ich das runterdrücken. Und es gibt Tage wie heute, da kann ich es nicht. Und dann werde ich sehr sehr müde und muss auf dem Klo heulen. Es ist, als würde an den kleinen Dingen mein Geist zerbrechen, weil ich mit dem Großen schon überhaupt nicht klarkomme. Ich kann es nicht anders beschreiben.

N. habe ich einen Bruchteil meines Innenlebens sehen lassen. Zwar nur einen Bruchteil, aber mehr, als ich irgend jemandem sonst seit Monaten zeige. Aber nicht soviel, wie ich ihr früher gezeigt habe. Ich habe das Gefühl, mein Innenleben ist egal wo völlig unangebracht. Es passt nirgends hin. Und in mir ist nicht genügend Platz dafür.

Zu N. habe ich gesagt, dass ich immer, wenn ich einen Therapeuten suche, was ja schon öfters vorkam, und hier jetzt vor einigen Wochen wieder, und wenn ich erklären soll, am Telefon, was mein Anliegen ist... alles so unglaublich nichtig erscheint. So banal. Man schämt sich, dass man den Hörer in der Hand hat und um psychische Betreuung bittet. Sie sagte, ihr geht es genauso. Sie hat nun nach 8 Jahren Therapie demnächst die letzte Sitzung, und sagt, es geht ihr auch heute noch oft so, wenn sie bei der Therapeutin sitzt und ein Thema anspricht.

Ich kann nicht mehr. Alles in mir schreit Hilfe und Stop und Fuck und Nein. Und gleichzeitig komme ich mir deswegen dermaßen bescheuert vor, dass es noch schlimmer wird.

Morgen wird mein Vater 60, und es steht Weihnachten vor der Tür, und wenn ich nicht bei meiner bekloppten Mutter wohnen will, sehe ich jeden Tag meine Chefin. Ich könnt mich erschiessen. Verstehen Sies nicht falsch. Aber ich könnts, wenn ich könnte.

 
Ach Oka, ich drück Dich ganz fest.

Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.
Aktuell denke ich, daß irgendwie wieder alle Familien am Rad drehen müssen, nur um am Rad zu drehen. Ist eine verrückte Zeit und nicht mal Vollmond. Alle gaga oder so.

Mal ganz blöd gefragt - gibts niemanden, bei dem Du sonst die Tage unterkommen könntest? Damit Du räumlichen Abstand von Mutter und Stiefmutter haben kannst?

Und nein - das ist Dein Blog hier. Schreib und jammer, bis keine Kraft mehr in den Fingern ist. Dafür gibts solche Ecken. Also los... und bitte keine Entschuldigungen mehr dafür.

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fühl dich gedrückt!
ab dem 24. auch gern live. ;)

p.s. bruxismus ist sehr verbreitet. ich hab dass ja auch. meine zähne gehen jetzt auch schon langsam kaputt. aber manche menschen bauen stress halt leider irgendwie schlecht ab.

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Ich glaub,
ich verstehs schon richtig, und vielleicht wäre ich damals froh gewesen, wenn ich mir das alles hätte von der Seele bloggen können (auch wenns natürlich nicht unbedingt was geändert hätte, aber allein schon die Ventilfunktion!).

In dem überschaubaren Umfeld, dem ich überhaupt mit dem Thema kommen konnte, war irgendwann alles gesagt, was man dazu sagen kann. Von daher hätte ich auch nicht unbedingt die Erwartung, dass in einer Selbsthilfegruppe von Angehörigen wesentlich mehr rumkommt als ein paar Standard-Phrasen und Fragen, die man sich selber auch schon gestellt hat. Eine Therapie habe ich für mich auch nicht unbedingt als Notwendigkeit gesehen, davon abgesehen war ich in der Zeit auch nicht durchgängig krankenversichert, hatte also auch mit dem eigenen Existenzrisiko nicht zu knapp zu kämpfen. Weiß manchmal selber nicht, wie ich durch diese Zeit gekommen bin, warum ich nicht vom Hochhaus gesprungen bin, irgendwie war noch ein Restgefühl dafür da, dass noch irgendwas anderes kommen muss und dass nach der langen Nacht doch wieder irgendwann ein Tag anbrechen muss. Und was soll ich sagen? Wenn die Nacht am dunkelsten ist, ist der Tag am nächsten. Klingt nach einem blöden Kalenderspruch, wenn man selber drinhängt, ich weiß. Aber ich bin in meinen Gedanken immer wieder bei Ihnen, auch wenn ich mich nur selten zu Wort melde.

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Nein, ich werde nicht aufhören zu lesen. Bitte rede Dir nicht ein, jammerig zu sein. Ich kenne das Gefühl gut, man fühlt sich fehl am Platz, fehl überhaupt, nichts geht mehr. Aber genau dann kann es hilfreich sein, zu verbalisieren, und genau das hast Du ja auch getan. Im Übrigen ist es wichtig, anderen die Chance zur Anteilnahme und damit Dir die Chance auf Trost zu geben, und ich denke, es zeigt sich ja auch, dass es Menschen gibt, die Dir hier - wenngleich auch nur virtuell - Trost spenden wollen.

Das alles, was Du erlebst, ist nicht nichtig. Aber natürlich habe ich auch schon bei meinem Therapeuten gesessen und meine Probleme für banal gehalten, und heulend mit dem Gatten auf dem Sofa - "Mensch, ich sollte darüber längst hinweg sein!!" Dabei ist man mit sich so gnadenlos, wie es niemals jemand anderes wäre.

In Deinem Fall allerdings: Wenn ich die Zeilen Deiner Mutter lese, dann kommt auch da eine Gnadenlosigkeit zutage, die ich erschreckend finde. Lassen wir doch mal völlig außer Acht, ob sie etwas dafür kann oder nicht. Zwischen den Zeilen ist eine heftige Feindseligkeit spürbar, und Du wärest kein Mensch, wenn Dich das nicht verletzte und wütend machte. Wenn Du dann noch hinzufügst, emotionale Erpressung sei schon immer ihr Mittel gewesen, um Dich zu einem gewünschten Verhalten zu manipulieren, dann wundert es mich überhaupt nicht mehr, dass Du das Gefühl hast, verkehrt und fehl am Platze zu sein. Ich kann es Dir voll und ganz nachfühlen. Das geht an die Substanz, und man spürt ganz innen, dass man nie so wird sein können, wie es erwartet wird. Verliert sich selbst dabei. Und das tut weh. Klar knirscht man dann mit den Zähnen, das kenne ich auch gut.

Ich kann nicht mehr. Alles in mir schreit Hilfe und Stop und Fuck und Nein. Und gleichzeitig komme ich mir deswegen dermaßen bescheuert vor, dass es noch schlimmer wird.

Auch diese Schleife kenne ich gut. Das hilft jetzt wenig - ich weiß, wie schwer es ist, tatsächlich anzunehmen, dass diese Gefühle samt und sonders berechtigt und okay sind. Du bist ganz sicher nicht bescheuert. Auch, wenn sich das gerade anders anfühlt.

Bitte schreibe weiter, denn das ist zumindest ein Anker, ein Fixpunkt. Ich lese weiter, und wenn es irgendwas gibt, was ich tun kann -

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