Sonntag, 18. Mai 2014
Gloomy Sunday.
Durch die geöffnete Balkontür höre ich die Mauersegler, die fröhlich ihre Runden über die Dächer ziehen. Der kleine Stinkbär sitzt in der Tür und beobachtet das Treiben. Maunzt, lockt, genießt die Sonne im Gesicht. Kinder lachen, die türkischen Nachbarn unterhalten sich. Irgendwo dudelt ein Radio. Ein Motor heult, jemand hupt. Über den Dächern ein Flugzeug. Und über allem immer wieder die Mauersegler.

Ich liege im Bett, schon den ganzen Vormittag. Die Sonne scheint, aber ich komme nicht hoch. Das Gefühl der Einsamkeit drückt mich in die Matratze. Meine Gedanken kreisen um die Menschen, die mir bisher hier am nächsten, am nähesten, die wichtigsten, die Liebsten waren, um LeSchwe und um F. Sie fehlen mir. Und gleichzeitig kommt die Erinnerung an diese negativen Gefühle hoch, die sie in mir zum Teil verursacht haben. Ein Sommer ohne diese Menschen? Es fühlt sich an wie das nackte Grauen. Ich habe Angst, unbeschreibliche Angst, dass ich das alles nicht aushalte. Bin ich genauso opportun wie LeSchwe?

Während ich mir Hirn und Herz zermarter, beschließe ich mal wieder auf F.'s Soundcloud Seite vorbei zu schauen. Manchmal hat er gute Sets.
Doch als ich das erste Set auf der Seite, das aktuellste, von gestern, sehe, bleibt die Welt für viel zu lange Zeit stehen. So muss sich Herzversagen anfühlen. Mein Mund wird trocken, und ich weiß wirlkich nicht, wieso dieser Muskel wirklich aufgrund psychischen Leidens ganz real weh tun kann, aber er tut es, dieser scheiß Herzmuskel. Mir wird schwindelig, die Hände kribbeln, und ich wünsche mir einfach nur, das alles nicht erleben zu müssen.
Dazu kommt der Schreck über die Heftigkeit meiner Reaktion.

F. hat über LeSchwe immer das gleiche gesagt wie ich. "Die ist keine Freundin. Das ist keine Freundschaft [zwischen F. und LeSchwe]. Die meldet sich, wenn sie gerade ein Loch in ihrem Terminkalender hat, oder wenn sie irgendwas braucht."
LeSchwe war F. gegenüber wenig tolerant, hat sich oft über seine Unzuverlässigkeit und seine Drogengeschichten beschwert. Völliges Unverständnis ihrerseits (sicher berechtigt). Ihrer beider Vorteil war, dass sie sich beide nie so nahe waren, dass sie das wohl irgendwie wirklich umgehauen hätte. Sie hatten auch nie wirklich kontinuierlich und viel Kontakt miteinander, und eigentlich war F. LeSchwe auch immer sehr egal.

Mein Nachteil ist, dass sie mir beide sehr nahe waren, und mich deswegen sowohl seine Schattenseiten als auch ihre so aus der Bahn geworfen haben, dass die Situation nun eben so ist wie sie ist.

Als ich nun auf diese Soundcloud Seite schaue, schüttelt es mich, und auch wenn es das letzte ist was ich will, so laufen doch Sturzbäche über meine Wangen. Weil mir das alles zuviel ist, und wenn sie mich treffen wollten, dann ist ihnen das gelungen.

Ich habe Angst vor diesem Sommer. Vor allen Tagen die da kommen. Plötzlich bekommt der Grauschleier, der seit Monaten über allem liegt, Gesicht und Namen. Ich habe Angst nie wieder glücklich zu sein, weil ich diese zwei Menschen nicht mehr in meinem Leben habe, und sie mir das eben auf eine ganz grauenhafte Art und Weise demonstriert haben. Und auf der anderen Seite sehe ich überhaupt keine Möglichkeit, wie diese Menschen so in mein Leben zurückkommen, dass es mir dabei gut geht.

 
Es ist Deine Entscheidung und Du stehst dazu.
Du wirst wieder glücklich werden. Wichtig ist zu verstehen, daß Du sie nicht brauchst, um glücklich zu SEIN. Wenn Du den Schalter gefunden hast, wird es besser gehen.

Manchmal reicht ein Abstand, eine gewisse Zeit Funkstille, und man kann diese Menschen wieder (bewußt) ins Leben lassen. Meistens begreift man dann auch manche Mechanismen und kann sie soweit von sich fern halten, daß sie kaum mehr Schaden ausrichten können.

Ich kenne das von G.
Da hat es Jahre gebraucht, um zu verstehen, daß er mir schon ganz lange nicht mehr gut tut und in Wirklichkeit nur runter zieht. Noch viel schlimmer, er hat mich so lange ausgebremst. Als ich das irgendwann dann herz-und hirntechnisch auf einer Ebene hatte, und ganz konsequent MICH ein Jahr fern gehalten hab, konnte ich besser damit umgehen (immer geht es auch nicht, aber meistens schaff ichs ganz gut) und mittlerweile perlte einiges an mir ab, wenn wir dann doch mal Kontakt haben.

Leider ist er wohl immer weiter in seiner Spirale (+ massiven Alkoholkonsum) drin, weswegen ich auch keinen Grund sehe, mich zu melden. Zumal er an Zuverläßigkeit nichts dazugewonnen hat, trotz säusliger Ankündigungen.

Zwei Menschen auf einmal ist halt auch viel. Aber Du schaffst das. Ich weiß das, und Du wirds Dir das auch beweisen.

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@sid: auch da... aber ich freue mich, dass ihr alle Kommentare schreibt, über die ich nachdenken möchte. Danke euch! Bis bald :-)

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Du schaffst das, Oka.
Und diese Spiralen von - warum hab ich nur heute - usw. laß die sich alleine weiterdrehen (sagt sich ja soo leicht).

Manchmal spinnt man sich wirklich sehr viel mehr hinein, als tatsächlich dahinter war.

Bis bald Oka - schlaf gut!

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@sid: nochmal vielen Dank für deine Worte. Ich habe viel nachgedacht in den letzten Tagen über das, was war, und über eure Worte hier.

Du hast recht, man spinnt oft viel mehr hinein, und letztendlich habe ich auch einfach beschlossen, dass egal ist, wann ich mich melde

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Könnte mir in den Arsch beissen. Habe ganz erschütterliche 60 Minuten N. ins Telefon geheult und kam zu dem Schluss, dass ich mit LeSchwe reden müsste. F. ist ja gegessen, leider. Hier scheint es mit den Grundproblemen Drogen und mehr Gefühle als Freundschaft keinen einzigen gangbaren Weg für uns beide zu geben.

Den ganzen Tag darüber nachgedacht, dass ich LeSchwe eine kurze Mail schreibe, einfach nur, ob wir uns sehen können. Das dann auch gerade gemacht. Dummerweise erst danach auf FB rumgekuckt und gesehen dass ich erst ihren tollen Freunden und ihrer Familie für das schöne WE dankt. War vermutlich die Nachfeier ihres 30.

Komme mir sehr doof vor. Zum einen der Gedanke: shit, warum schreibst du ihr ausgerechnet heute? Zum anderen: du scheinst da auch einfach überflüssig zu sein. Dich vermisst da keiner. Mein Gott bin ich blöd.

Edit: mir ist klar dass ich interpretiere. Aber das ist nunmal das, was in mir hochkommt. Und was mich sehr ärgert: dass ich mich schon jetzt fühle wie der einzige Arsch an der Situation. Ich habe schon jetzt das Gefühl, alleinig die Verantwortung übertragen zu bekommen so als hätte sie nix zu überdenken gehabt. Ja, auch da: alles in meinem Kopf. Mit ihr lief ja die gnazen letzten Monate kein einziges Gespräch. Aber da ist es halt.

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Ich habe das gestern schon gelesen und wusste dazu noch nichts zu sagen.

Was wünschst Du Dir, das bei dem Gespräch mit LeSchwe herauskommen soll? Ich meine mich zu erinnern, wie wütend und enttäuscht Du im Bezug auf sie warst. Die Uhr zurückdrehen kann man sicher nicht, aber wie Sid zu recht anmerkt, kannst Du vielleicht nach etwas Abstand ihren Platz in Deinem Leben neu ausloten und bewerten.

Die Verantwortung für alles tragen - die Nummer habe ich gerade auch wieder durch. Aber wenn Du irgendwie kannst, nimm Abstand von dieser Vorstellung. Sie zerfrisst Dich nur. Jeder hat seine wunden Punkte, und nicht immer kann man was daran machen, dass der andere sich angegriffen fühlt, sich von einem entfernt, dass man sich nicht mehr versteht oder keinen Blick für den anderen hat. Die Frage ist, wie gehst Du damit um.

Ich denke nicht, dass Du einen unglücklichen Sommer verbringen wirst. Die Grauschleier kenne ich gut, sie scheinen alles matt und stumpf zu machen, und sei es noch so schön. Aber das hält nicht ewig. Wieder zu sich zu kommen ist nichts, was man künstlich herbeiführen kann, aber manchmal kommt es ungeplant und unverhofft.

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@sturmfrau: darüber muss ich auch ein bisschen nachdenken. Danke derweil für deinen Kommentar!

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@sturmfrau: deine Frage, was ich mir als Ergebnis des Gesprächs wünsche, war sowas von hilfreich. Es war eigentlich eine der primären Fragen, die mir in den letzten Tagen durchs Gehirn gespukt sind. Danke für den Anstoß, und was schon fast witzig ist: N. stellte mir in dem Telefonat mit ihr eine ähnliche Frage. Sie erzählte mir von einem Gespräch, dass sie erst vor kurzem mit ihrer Therapeutin hatte. In dem Gespräch erzählte sie der Therapeutin, dass sie überlegt ihrem Vater einen Brief zu schreiben zu all den Themen, die sie ärgern. Ihre Therapeutin fragte: was erwarten Sie sich davon? N. überlegte und war ein bisschen ratlos. Daraufhin meinte die Therapeutin: wenn Sie erwarten, dass er sich entschuldigt, dann schreiben Sie den Brief nicht.

Und daran musste ich auch so sehr bei deiner Frage denken. Es ist vermutlich DIE Frage aller Fragen in der Geschichte. Und es hilft mir dabei, die komplette Geschichte in einem ganz anderen Licht zu betrachten, jedenfalls glaube ich das.

Ich wünsche mir, dass sie mir ihre Sicht der Dinge erzählt. Ich möchte sie verstehen. Meine Sicht kenne ich schon. Ich möchte herausfinden, ob wir beide einander verstehen können und daraus die Möglichkeit entsteht, sich sehr langsam irgendwie wieder aneinander anzunähern, ohne große Erwartungen. Ich erwarte keine Entschuldigungen, dafür kann und möchte ich selbst mich auch nur dafür entschuldigen, WIE ich ihr all diese Dinge im Januar gesagt (unsensibel und absolut unterhalb der Gürtellinie vor den Latz geknallt) habe, aber nicht dafür, WAS ich gesagt habe, denn hinter dem Inhalt des Gesagten stehe ich nach wie vor.

Zu dem Grauschleimer muss ich dann nochwas sagen. Aber schon mal eins: oh ja, du sagst es! :-)

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Das ist ein bisschen schräg, denn vor dieser Briefe-an-meinen-Vater-Frage stand ich auch schon mal. Ich nehme an, dass mir der damalige Rat meines Therapeuten wohl im Kopf geblieben ist, vielleicht, ohne dass ich es recht gemerkt habe.

Ich finde es immer sinnvoll, sich zu fragen, was man sich erwartet, was man wünscht, auch wenn das schnell einen vermeintlich egoistischen Anstrich gibt (schließlich denkt man an sich selbst, nicht an die anderen). Im Fall meines Vaters war es sicher der Wunsch, die lang vermisste Zuneigung endlich doch noch zu erhalten und irgendwie die Defizite der Vergangenheit auszugleichen. Dass das nicht geht, ist mir nur sehr langsam und schmerzhaft klar geworden.

Für mich hatte das Sprechen- oder Schreibenwollen aber auch oft Entlastungsfunktion. Ich hatte durchgesetzt, was ich wollte, wollte dann aber ganz dringend hören, dass mich das Gegenüber noch lieb hat, dass mir nichts übel genommen wird - mit einem Wort: Absolution. Das Problem daran ist nur, dass man diese vermutlich nicht erhalten wird und dass man in Kauf nehmen muss, das Einstehen für sich selbst bringt es auch manchmal mit sich, dass man andere verletzt, abstößt oder enttäuscht. Es ist nicht leicht, mit diesem Gedanken zu leben, wenn man innerlich doch noch so sehr angewiesen ist auf anderer Menschen Wohlwollen.

Gerade aus dem Grund finde ich es gut, dass Du Dich nicht entschuldigen möchtest für das, was Du gesagt hast. Denn das bedeutet ja auch, dass Du Dir treu bleibst und die Grenze wahrst. Respekt!

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Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde !

Vermutlich kennst Du das Gedicht, Stufen, von Hermann Hesse

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@croco: ja, das kenne ich, es ist wunderschön, und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ich heute tatsächlich einen anderen Satz aus diesem Gedicht in das Fotoalbum für G. geschrieben habe, die wegzieht (Und jedem Anfang...).

Abschied. Loslassen. Meine ganz persönlichen Affen auf dem Rücken.

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man muss sich immer wieder knallhart bewusst machen, dass man nicht die menschen vermisst. sondern die guten zeiten, die man mit ihnen hatte. die kommen nicht wieder. diese menschen sind andere geworden oder man nimmt sie wenigstens anders wahr.

ich rede mich nicht leicht, ich kenn das ja auch. überhaupt, als wenig selbstbewusster mensch immer in der anfechtung zu stehen, bin ich liebenswert? falls ja, bin ich nicht viel zu verschroben, um geliebt zu werden? und ich selbst? kann ich lieben? bin ich nicht viel zu blockiert? misstrauisch?

mir gehts gerade gut. zu gut. bin euphorisch, überdreht, obwohl meine lage nach wie vor prekär ist und die finanziellen polster im grunde aufgezehrt sind. aber das blende ich aus. arbeite mir den wolf, mache nebenbei meine steuer, plane meinen urlaub. ich weiß, dass viel davon an das objekt gekoppelt ist. es hat mich gestern auch ausdrücklich gewarnt, mein glück nicht so da dran zu hängen. diese abhängigkeit von menschen, die ist schon bizarr. als hätte man für sich alleine keine existenzberechtigung. keinen grund zur freude.

total banane. wirklich. richtig bescheuert.

das objekt hat gestern versucht, meine euphorie zu fassen, mit dem argument, wenn ich sie definieren kann, dann kann ich sie auch festhalten oder vielleicht sogar erzeugen, wenn ich mal wieder down bin. ich kann mir die euphorie aber nicht erklären außer mit dieser vorfreude auf unseren urlaub. alles andere muss reine hirnchemie sein. oder diese unfassbare tatsache einer perspektive.

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@c17: wie bei frau sturmfrau. darüber will ich ein bisschen nachdenken. danke :-)

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@c17: über deine Worte, dass es nicht die Menschen sind, sondern die Zeiten, habe ich auch viel nachgedacht. Zu einem kleinen Teil gebe ich dir recht. Zu einem wesentlich größeren passt das für mich persönlich allerdings nicht. Denn gerade im Umgang mit Menschen im Alltag fällt mir auf, dass ich tatsächlich nicht wahllos mit Menschen gut klar komme, und ich den Großteil auch gar nicht wirklich mag und auch nicht nah an mich rankommen lassen möchte. Es ist sehr sehr schwer sich den Weg in mein Herz zu bahnen. Zu dem Punkt, an dem ich mich zeigen kann, ohne Maskerade. Aber wenn man diesen Platz in mir gefunden hat, bzw. wenn ich bereit war, ihn diesem Menschen zu geben - dann hat dieser Mensch ihn.

Früher habe ich das immer ganz flappsig gesagt, ohne zu wissen, wie unabänderlich wahr das doch ist. Das wurde mir auch klar, dass ich das vom kleinen Professor hörte. Und auch bei F. All diese Menschen haben weiterhin einen Platz in meinem Herzen, auch wenn die gute Zeit mit ihnen - gerade beim kP - mehr als knapp bemessen war.

Ein Knallersatz von dir, der mir auch echt zwischendrin immer wieder Auftrieb gibt, ist: "als hätte man für sich alleine keine existenzberechtigung. keinen grund zur freude." Wow. Ja. Es klingt so banal und ist doch so... gar nicht banal, und weiß Gott auch nicht trivial. Für mich ist es jetzt das Jahresmotto 2014. Ja, verdammte scheiße. Ich darf mich freuen.

Tatsächlich finde ich das mit der emotionalen Abhängigkeit, die das Objekt anspricht, ein sehr zweischneidiges Schwert. Noch sowas banales: geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. Es stimmt. Und deswegen ist es enttäuschend, wenn gemeinsam geschmiedete Pläne, auf die man sich freut wie Bolle, nicht stattfinden. Und ich finde, man darf dann auch einfach enttäuscht sein. Es hat alles seine Kehrseite. Wir sind nicht gerne alleine. Und da gehört es dann eben auch dazu, enttäuscht oder verletzt zu werden. Wichtig im Gesamtkonstrukt ist, dass man sich verlassen kann, für mich jedenfalls. Wenn der Rahmen bzw. die Basis passt, dann geht da einiges.

[Edit] nochmal kurz nachgedacht. Das mit der Perspektive hat was. Die Perspektive ist es. Nur kann man tatsächlich auch für sich selbst, unabhängig von anderen, Perspektiven schaffen. Schön ist, wenn man das dann mit jemandem teilen kann. Aber vorangehen, sich bewegen. Gestalten. Für sich selbst. Das ist glaube ich ein sehr sehr wichtiger Punkt.

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