Donnerstag, 12. Mai 2016
"Das Problem liegt nicht darin Gefühle zu haben und sie zu zeigen. Das Problem liegt meistens beim Gegenüber, das nicht gelernt hat mit diesen gezeigten Emotionen umzugehen, die Situation schnell als unangenehm empfindet und überfordert ist."

 
Wer auch immer diesen klug Satz gesagt hat, meine langjährige experimentelle Überprüfung gibt ihm zu 100% recht.

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@mascha: das dachte ich mir auch, bei genauerer Betrachtung. So bewusst war mir das nie, suche den Fehler meistens bei mir. Denke mir: du kannst dich den anderen nicht so ungefiltert zumuten. Oft heißt es ja, gerade im Business (und gerne gerade bei Frauen): "Du bist so/ zu emotional!" Habe das aber auch schon im Bekanntenkreis gehört. Ein Perspektivwechsel hilft manchmal. Jetzt frag ich mich, was eigentlich mit den Emotionen der anderen passiert ist. Und dann ist man doch wieder ganz schnell beim guten alten Erich Fromm.

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Same here. Gefühle haben und zeigen als Makel.

Im Job gelte ich damit als "schwierig" (glaube ich). Als es mal um eine leitende Position ging, hat man mir auch ins Gesicht gesagt, ich sei zwar fachlich top, aber zu impulsiv und emotional und damit unprofessionell. Als mir im Gespräch mit einem Chef mal die Tränen kamen, sagte er prompt so was wie "sehen Sie!".
Beruflich ist mir das inzwischen egal, weil ich glücklich mit dem bin, was ich mache.

Privat bin ich immer wieder erstaunt, wenn Menschen z.B. nicht mehr wissen, wann sie zuletzt traurig waren, geweint haben oder Freudentränen gelacht. Meiner Erfahrung nach spielt da Erziehung/Sozialisation eine große Rolle: wenn man nie gelernt hat, dass Emotionalität etwas Natürliches ist und dass es gut tut, über die eigenen Empfindungen zu sprechen, dann kann man das auch als Erwachsener nicht oder nur sehr schwer - und dann ist man schnell überfordert von Menschen wie uns. ;)

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Ich glaube, wir leben nicht von ungefähr in einer Kultur des Nicht-Fühlen-Dürfens. Insbesondere, was die sogenannten negativen Gefühle betrifft. Wenn man im Gegenüber keine Entsprechung und Resonanz findet, begreift man von Beginn recht schnell, dass das Äußern bestimmter Gefühle als unangemessen betrachtet wird. Und manches Mal geht es glaube ich noch weiter: Man schneidet sie sich selbst aus der Seele und meint, sie gar nicht mehr zu haben.

Ein echter Lesetipp in dieser Hinsicht ist meiner Meinung nach Arno Gruens "Der Verlust des Mitgefühls".

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@sturmfrau: gleich mal recherchiert. Das klingt sehr interessant, danke für den Buchtipp! Macht mich schon jetzt sehr nachdenklich.

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Kommt ganz darauf an, um welche Gefühle es geht und wie man die zeigt.

=> Rumschreien, andere beleidigen/abwerten, schlagen, emotionale Erpressung (durch demonstratives Zeigen bestimmter Gefühle bzw. des eigenen Leidens)

empfinde ich nun einmal nicht als legitime Art seine Gefühle zu zeigen. Da ist mir jemand, der seine Gefühle nicht an anderen auslebt, deutlich lieber. Aber sowas meintest du wohl nicht, nur gibt es in deinem Satz keine Einschränkung bzgl. des Zeigens von Gefühlen gegenüber anderen.

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@snaiperskaja: stimmt, der Satz war aus dem Kontext gerissen. Da ging es primär darum eigene Verletztheit und auch Traurigkeit zeigen zu können (z.B. Weinen aufgrund von Traurigkeit oder Wut vor jemand anderem). Es ging darum, nicht ständig auf neutrale Diplomatie zu pochen oder Gleichgültigkeit, Coolness, Überlegenheit demonstrieren zu müssen, wenn das nicht dem entspricht, was man tatsächlich fühlt. Aggressives Verhalten, verbal wie nonverbal, war damit nicht gemeint. Wobei ich finde, dass eine verbale Auseinandersetzung durchaus auch mal lauter sein und ans Eingemachte gehen kann. Ich hab nichts gegen ein reinigendes Gewitter, so lange es nicht respektlos wird. Mir ist es lieber, mich brüllt einer in seiner Wut an, als wenn er sich schweigend entzieht.

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Ganz so aus dem Kontext gerissen war mein Beispiel aber nicht, weil ich auch sowas meinte:
"Wobei ich finde, dass eine verbale Auseinandersetzung durchaus auch mal lauter sein und ans Eingemachte gehen kann. Ich hab nichts gegen ein reinigendes Gewitter, so lange es nicht respektlos wird. Mir ist es lieber, mich brüllt einer in seiner Wut an, als wenn er sich schweigend entzieht."

Gut, da kommen wir nicht auf einen Nenner. Anbrüllen geht gar nicht für mich. Man kann auch in normaler Lautstärke sagen, was einen ärgert. Wenn jemand meint rumbrüllen zu müssen, würde ich mich auch schweigend entziehen; ich habe nämlich ein gutes Gehör und sehe mich nicht als Sandsack für die Launen von Mitmenschen.

Mal ganz davon zu schweigen, dass Anschreien/Anbrüllen m. E. durchaus unter aggressives Verhalten fällt.

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@snaiperskaja: da ist jeder anders, denke ich. Bei mir liegt es in der persönlichen Geschichte begründet, dass es mir lieber ist jemand brüllt (oder weint, schluchzt, zittert) was er denkt als wenn es einfach unter den Teppich gekehrt wird oder weggeschwiegen wird bzw. sich jemand permanent (notwendigen) Gesprächen entzieht. Heißt nicht, dass das der Königsweg für mich ist, aber eben lieber laut als gar nicht. Dabei geht mir hier nicht um Launen, sondern um Themen die Zwischenmenschlichen eben so hochkommen. Und nicht: ich hatte heut nen schlechten Tag und kotze deswegen jeden an.

Ich staune ja über Menschen, die immer alles ganz sachlich, freundlich und höflich über die Bühne bringen. Ich kanns nicht, und erwarte es wohl deswegen auch nicht von anderen.

Edit: mit "aus dem Kontext" meinte ich nicht deinen Satz, sondern mein Zitat im ursprünglichen Beitrag. Hier landet ja nur das Zitat. Ich kenne den Kontext der ganzen Sitzung.

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Nochmal drüber nachgedacht. Es geht tatsächlich überhaupt nicht um Launen. Gefühle sind für mich keine Launen. Und es geht mir darum, dass es legitim ist Gefühle zu haben und diese auch zu zeigen. Es sollte nicht Usus sein in unserer Welt sie ständig hinter Fassaden verstecken zu müssen. Und damit meine ich jetzt explizit nicht Gewalt! Es gibt ja so viele Gefühle mehr als Wut. Ich will in der Diskussion das jetzt nicht auf den einen Aspekt reduzieren. Ich möchte nicht ständig meine Gefühle kontrollieren müssen weil mein gegenüber davon unangenehm berührt sein könnte (Weinen, aber auch lautes Lachen, Verwunderung, Überraschung, Entsetzen, Mitgefühl, Trauer, Begeisterung, Euphorie). DARUM geht es mir.

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Vorweg: Ich denke es hat jeder seine persönliche Geschichte, warum er dieses oder jenes bevorzugt und anderes ablehnt.

Es ist mir persönlich neu, dass es nicht legitim sei Gefühle zu haben und sie auch zeigen. Zumal extravertiertes Verhalten tendenziell eher als erstrebenswert gilt. Bei dir liest sich dass für mich wie aus einer anderen Welt kommend, in der es gerade nicht so ist und der dir praktisch verboten wird zu lächeln, sich zu freuen etc..

Wenn du deine Gefühle kontrollierst, weil du fürchtest, dass Mitmenschen davon unangenehm berührt sein könnten, liegt das nicht in der Verantwortung deiner Mitmenschen, sondern ist deine eigene Entscheidung mit der du offensichtlich unzufrieden bist. (Wenn andere wiederum unangemessen auf deine Gefühlsäußerungen reagieren, tragen die dafür die Verantwortung). Das Schöne ist, dass du dir selbst erlauben kannst/könntest, deine Gefühle nicht zu unterdrücken.

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Wenn ich sie unterdrücken würde, könnte ich wenig über die Resonanz dazu sagen können. Tatsächlich liegst du mit diesem Verdacht weit daneben. Ich erlebe es schon so, dass an vielen Stellen erwartet wird, dass man seine Gefühle kontrolliert - vor allem auch von der Allgemeinheit negativ bewertete, wie z.B.auch hier in einem anderen Blog zu lesen, wenn das Umfeld erwartet, man könne doch jetzt endlich mal ausgetrauert haben. Es ist schön, wenn du deine Welt/ Umfeld anders erlebst.
Finde das mit der Küchenpsychologie immer ein bisschen schwierig, insbesondere bei Menschen, die man nicht kennt.

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