Mittwoch, 6. Juni 2018
WmDedgT 06/18
In bewährtem 2-Monats-Turnus heute meine Juni-Memoiren zu Frau Brüllens Frage: was machst du eigentlich den ganzen Tag?

Durch die halb runtergelassene Jalousie kann ich sehen: draußen ist es hell und die Vögel zwitschern. Ein Blick auf die Uhr verrät mir: es ist 5 Uhr. Die Katze freut sich und denkt es gibt Futter als ich aufstehe. Aber ich schließe die Fenster in Schlaf- und Wohnzimmer, die über Nacht für Durchzug offen sind. Meistens kann ich dann weiterschlafen, heute nicht, obwohl erst um 1 eingeschlafen und total gerädert. Um 6 Uhr denke ich, scheiß drauf, wander zum Napf und dann unter die Dusche, wähle ein hübsches dunkelblaues Kleid, stecke die Haare im Nacken zusammen, finde mich schön und radel in die Arbeit.

Dort erstmal alle Fenster im Großraumbüro aufreissen. Nur 2 andere KollegInnen sind schon da. Ich checke Mails, denke über das Coaching nach das ausnahmsweise mal ich selbst gestern bei einem externen Trainer hatte, gehe in die Küche und schnippel mir Obst, außerdem gibt’s Frühstücksbrei mit frischen Himbeeren. Als ich zurück an den Platz komme, haben sich die anderen Schreibtische etwas gefüllt. Büro-Schnack.

Grundsätzlich ist es eigentlich seit sehr langer Zeit so, dass ich operativ in Orga- und Koordinationskram absaufe. Das wird aber mit dem Firmenwachstum immer schlimmer. Über 600 Leute werden wir sein ab dem 1.7., und in der PE sind wir immer noch mit 1,20 Personen unterwegs: ich 75% (weil ja Teilzeit), meine Kollegin 20%, mein Chef 25% (arbeitet aber locker 60% für PE). In dieser Mannschaft sollen wir die Führungskräfte- und Mitarbeiterwelt retten, wahnsinns Konzepte und Strategien entwerfen und umsetzen, den dadurch anfallenden Mehraufwand natürlich auch auffangen, eine Governance-Funktion wahrnehmen, Kostencontrolling und natürlich den kompletten operativen Schulungs-, Coaching und Mentoring-Betrieb am Laufen halten, der bei uns echt umfassend ist. Nicht zu vergessen unsere eigene Prozessoptimierung inkl. neuer Tools. A fool with a tool is still a fool. Und der Schuster hat stets.. naja. Was ich damit sagen will: ich arbeite in den 6 Stunden wie ein Duracell-Hase auf Crystal. Dabei heute keine besonderen Vorkommnisse. Mir wird nur durch das gestrige Coaching einmal mehr klar, warum mich mein Job so frustet. Er entspricht mir einfach nicht. Nicht, dass ich das nicht schon wusste. Aber nochmal aus einer anderen Perspektive heraus. Spannend jedenfalls. Zwischendrin diskutieren E. und ich die Immobilienpreisentwicklung in meinem Kietz. Das ist wirklich haarsträubend, aber vermutlich in allen Städten der gleiche Mist.

Mittagessen. Der Dönermann muss mich zweimal zur Bestellung auffordern. Dann denke ich ständig, er würde sagen: ein Dürüm, okay. Nein nein, sag ich ihm an die 3 mal. Döner, Döner. Döner. Dreimal sagt er Ja Ja, Döner! Er lächelt milde. Kennt mich ja gut genug. Kurze Nacht, entschuldige ich mich beschämt. Als ich mit den anderen den Laden verlassen will, meint er: ähmm du musst noch zahlen..?

Um 13 Uhr gehe ich lieber und haue mich eine halbe Stunde zu Hause aufs Ohr, bevor ich in die neue Welt radel. In der neuen Welt ist es noch schwüler als draußen. Keine Klima-Anlage. Ich mag Klima-Anlagen sowieso nicht, aber manchmal, so 5 Minunten… Das tolle ist, dass ich dort unter anderem etwas tue, bei dem es völlig legitim ist wenn ich einschlafe. Und das tue ich auch ordentlich und wache frisch und erholt auf, bereite alles nach, denke schon euphorisch an meinen Sportkurs um 19:45 Uhr… und merke wie beim Hin- und Herwuseln mein Kreislauf schlapp macht und mir kotzübel wird. Blöderweise muss ich ausgerechnet heute länger bleiben, weil die Dinge erledigt werden wollen. So cancel ich den Sportkurs und verlasse gegen 20:15 Uhr die neue Welt.

Auf dem Weg nach Hause rufe ich meinen Vater zurück. Ich hatte ihm eine Frage zu meiner Gehaltsabrechnung gestellt. Er teilt meine Vermutung, dass vergessen wurde mir mit dem April-Gehalt den fälligen Anteil des variablen Anteils für das Jahr 2017 zu überweisen. Eine Summe, über die manch einer lachen mag. Für mich ermöglicht sie einen kleinen Urlaub.

Um 20:30 endlich zu Hause. Die Katze kräht. Wenn sie ihr Mäulchen so aufreisst erinnert sie mich manchmal an einen Clown. Mit ihrer weißen Schnute und der rosa Zunge dazwischen, und dazu die weit aufgerissenen fordernden Augen. Das lässt mich schmunzeln, auch jetzt. Dann gibt’s obligatorische Katzen-Wellness, mit Ganzkörper-Massage. Erst danach erlaube ich mir Tagliatelle mit grünem Spargel, Olivenöl, Zitrone und Pecorino zuzubereiten. Dazu ein gemischter Salat und eine Folge dieser neuen Anwalts-Serie auf ARD. Falk. Ganz nett und vor allem ohne Gehirnschmalzeinsatz meinerseits.

I. schreibt währenddessen, unter anderem dass sie betrunken ist, wofür ich gerade gar keine Nerven habe. Außerdem meldet sich eine Frau, die ich gestern über den Katzenverein kennengelernt habe. Sie wohnt nur zwei drei Häuser weiter und ist sehr sympathisch. Sie fragt, ob wir bald mal was gemeinsam unternehmen wollen. Das machen wir, sage ich, und verspreche ihr mich morgen zu melden, wenn ich mehr Muse für meinen Kalender-Check habe.

In dem Zusammenhang fällt mir siedend heiß das Windows-Update ein. Sonst werde ich irgendwann von unserer IT zwangsmigriert im Lauf der Woche. Wir alle ahnen, dass das sicher im unmöglichsten Moment geschieht. Schnell das WMDEDGT in die Tasten hauen, denk ich mir, das Update anstoßen und nix wie ab auf den Balkon, mit nem Edelhell meiner Lieblings-Biobrauerei.

Prost Leute.

Nachtrag, vom Balkon: ohhh, so schön, zwischen Tomatenstauden, Kräutern, Lavendel und Blumen, im Kerzenlicht. Und weil ich nicht das komische Gemetzel hören will das aus dem Laptop vom Balkon unter mir hochschallt, mit Gabriel Anandas Soulful Techno auf den Ohren. Endlich Zurücklehnen, Füße hoch, Kehle erfrischen, träumen. Gute Nacht.


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