Freitag, 18. Juli 2025
Oh, habe ich über einen Monat nichts mehr geschrieben? Es ist schade, dass ich selten über innere Prozesse oder Freudiges schreibe. Ich glaube manchmal wäre es gut später nochmal etwas nachzuvollziehen.

Jetzt wollte ich sagen: normalerweise habe ich erwachsene Patient:innen. Aktuell aber zwei Minderjährige, im Teenageralter. Es macht das, was ich bisher immer kognitiv entschieden habe, spürbar: ich kann keine Kinder- und Jugendpsychologin sein. Sie berühren mich zu sehr, gehen mir zu nah. Ich nehme sie mit nach Hause. Den einen aufgrund seines physischen Schicksals. Die andere aufgrund ihres psychischens. Gleichzeitig merke ich, dass ich es vielleicht könnte, also fachlich. Das Mädchen öffnet sich inzwischen sehr, hat vertrauen gefasst. Der Junge hat mich zumindest nicht gleich wieder weggeschickt, damit hatte ich eigentlich gerechnet, und ich darf am Montag wiederkommen.

Bis dahin muss ich sie irgendwie aus meinem System kriegen. Es ist das erste mal, dass ich Patient:innen in dieser Form mit nach Hause nehme. Und ich denke, das ist eben aufgrund ihres Alters. Ich hab ein riesen Herz für sie. Ein zu großes. Das ist schön, aber auch schade.

Ψ ... comment

 
Meinst Du, Du bist keine gute Psychologien, weil Du nachfühlen kannst? Jugendliche brauchen nichts so sehr wie das. Und sie fühlen das, dass Du ein mitfühlender Mensch bist.

Wenn ich keine Anteilnahme für die Schicksale meiner Schüler gehabt hätte, wäre ich keine gute Lehrerin gewesen. Und es gibt so wenig Erwachsene, die sie fühlen können.
Ich habe vieles mit nach Haus genommen. Und es ausgehalten. Es gab sonst niemanden, der geholfen hätte.
Morgens auf dem Parkplatz habe ich mir meine imaginäre Schuluniform angezogen und nach dem Unterricht wieder ausgezogen, das half.

... link  

 
@croco: deine Worte begleiten mich durch die Woche, denke viel darüber nach. Kommende Woche hab ich Urlaub, da will ich dir gerne in Ruhe antworten, wenn sich meine Gedanken ein bisschen gesetzt haben.

... link  

 
@croco: ja, ich kann es nachfühlen, und spüre sie selbst dabei aber irgendwie zu sehr. Das ist sehr seltsam, bei Erwachsenen habe ich das nicht in dieser Form. Wenn ich den Raum betrete, kann ich schon komplett deren Energie spüren. Bevor irgend etwas gesagt wurde. Das mutete mir v.a. bei dem Mädchen fast gruselig an, denn ich hatte, als mein Kollege und ich das erste mal das Zimmer betraten und das Mädchen und ihre Mutter in der Szenerie sahen, sofort ein sehr starkes Bild und Wort in meinem Kopf. Das passiert mir sonst nie. Es war ein Märchen. Ich hab das dann erstmal weggepackt, gedacht, das ist vielleicht meins, und erstmal gekuckt was in den Gesprächen mit dem Mädchen so passiert. Das Bild und das assoziierte Märchen hätten aber treffender nicht sein können. Dann sagte das Mädchen irgendwann mal, dass sie vor allem in Bildern denkt. Das fand ich auch abgefahren. Weil das auch noch nie jemand zu mir gesagt hat, und sie gleichzeitig die einzige ist, bei der ich so ein starkes Bild hatte.

Dann bei dem Jungen. Als ich das zweite mal zu ihm bin, hat für mich der ganze Raum gesagt: lasst mich einfach sterben. Er wollte an dem Tag auch nicht mit mir reden. Seine Augen waren die pure Resigation. Er schüttelte einfach nur den Kopf. Sein Vater erzählte mir ein ander mal, dass der Junge gesagt hätte, er wäre bei dem Unfall lieber gestorben als nun so zu leben.

Und dann gab es da nochmal eine 13-Jährige. Die war erst sehr schwer spürbar. Dann aber fiel es mir fast wie Schuppen von den Gefühlsaugen. Auch da bestätigte sich die Intuition.

Also das klingt vielleicht alles nach Hokuspokus oder Esoscheiss. Und würde ich das nicht erleben, würde ich denken, was ein Schwachsinn. Vielleicht waren das auch nur Zufälle. Und doch ist es für mich sehr real, was ich da fühle, wenn ich bei diesen Jugendlichen bin. Bei meinem Patenkind in Berlin geht es mir ähnlich, er ist nun 11. Bei kleineren Kindern habe ich das allerdings auch nicht. Es sind die ab etwa 10.

Das Ding ist, dass mich diese Gefühle und Eindrücke im ersten Moment überwältigen, und sie mich dann auch lange nicht loslassen. Inzwischen sind beide schon länger entlassen, aber ich denke immer noch jeden Tag an sie. Bei den Erwachsenen ist das total anders.

Gleichzeitig hast du so recht mit dem was du sagst: sie brauchen so sehr jemanden der sie sieht, erkennt, spürt und einfach mit aushält. Und ich bewundere alle, die das können. Ihr seid so wichtig! Sie haben so ein Glück dich zur Lehrerin zu haben. Für mich aber wäre das glaub ich nicht gesund. Ich habe viel geweint in der Zeit, als ich insb. die beiden hatte. Wenn ich nur Jugendliche hätte, ich wüsste nicht wie ich das verarbeiten sollte. Leider darf ich nach meiner Ausbildung nicht ab und zu Jugendliche machen, sondern eben nur Erwachsene. Das hätte ich mir sonst noch vorstellen können. Und eine doppelte Approbation ginge zwar an meinem Institut - aber schon so ist es unfassbar teuer und zeitintensiv. Das würde ich nicht packen.

Wie hast du ausgehalten? Wie hast du es verarbeitet?

... link  


... comment


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.