Sonntag, 5. Januar 2014
Distance makes the heart grow fonder.
Im Flughafen ist es erstaunlich ruhig, nur an dem angepeilten Schalter staut sich eine kleine Menschentraube. Vielleicht liegt es am 1. Januar, vielleicht auch an der Uhrzeit. Vielleicht träumen wir aber auch nur. Dass wir hier jetzt echt zusammen stehen hätten wir vor zwei Wochen auch nicht gedacht. "Fliegen Sie mit?" "Nein", antworte ich der netten Lady am Check-in mit einem wehmütigen Lächeln. Sie nickt. "Das nächste mal dann zusammen?" flüstert F. in mein Ohr. Ich lächeln weiter. "Mal sehen, hm?"

Es ist komisch ihn nun für 3 Wochen zu verabschieden. "Distance makes the heart grow fonder", hat mir in meinem Praktikum in England mal ein Kollege gesagt. Damals war ich schwer verliebt. Und mir war schon immer klar - in England wie in Afrika wie sonst wo auf der Welt - dass es immer für denjenigen, der geht, leichter ist, denn er zieht in ein Abenteuer. F. hat sich fast in die Hose gemacht in den Tagen vor dem Abflug. Sein erster Urlaub seit vielen vielen Schuldenjahren, den er nicht auf Balkonien verbringt. Und dann auch noch raus aus Europa. Da liegt ein 38-Jähriger Mann in meinem Arm, der sich fürchtet vor drei Wochen Traumurlaub. "Ich will nicht weg! Ich will in deiner Nähe bleiben!"

Ich wäre gerne mitgeflogen, auch spontan. Am Freitag vor Weihnachten bin ich noch Flüge durchgegangen. Arbeitstechnisch aber ausgerechnet in diesem Januar nicht möglich. Vielleicht hätte ich es erflehen können. Aber mein Pflichtbewusstsein hat gesiegt. Jetzt ärger ich mich.

"Ich habe mich in den letzten Jahren daran gewöhnt dich nicht zu haben", hat F. mir vor Weihnachten gesagt, als ich mit selbstgebackenen Lebkuchen und einem "Du fehlst mir" vor seiner Tür stand. Mir selbst wurde allerdings klar, dass er mich mehr hatte als jeder andere. Es war wohl nicht der verheiratete Mann, der mich im Sommer 2013 so berauscht hat. Er war es nicht, dem ich den Rücken gestärkt habe, und auf seine Seite habe ich mich nie geschlagen. Es war nicht sein Duft, den ich vermisst habe, als er nicht mehr da war. Und der Parade-Remix von Eulberg ist eben einfach nicht sein und mein Track gewesen, sondern F.'s und meiner, und jetzt weiß ich auch, warum mich diese Aussage vom verheirateten Mann so gestört hat. Manchmal bin ich ganz schön schwer von Begriff - aber wer will so etwas auch schon zulassen, mit "so einem"? Dagegen war der verheiratete Mann rational betrachtet einfach sehr viel sinnvoller.

F. ist mir vor Freude über die Lebkuchen um den Hals gefallen. Und er sagte: "Hey, das ist die erste Karte, die ich von dir kriege. Die bekommt einen Ehrenplatz!" Es ist süß, weil es klingt, als würde er davon ausgehen, dass noch mehr Karten folgen, irgendwann. Und weil es ihm wichtig ist.

Nachts liege ich neben ihm, und wie er mich anfasst und hält, das ist einfach so wundervoll, und mein Herz klopft bis zum Hals, und ich bin froh, dass er da ist.

Am nächsten Tag bin ich zu meinem Friseur in N. Der war ziemlich arschig, wohl weil er enttäuscht war, dass ich diesmal nicht zum traditionellen Schäuffele essen mit ihm bleiben konnte, sondern direkt weiter in die Heimat musste (und wollte!) um in den Geburstsag meines Vaters reinzufeiern mit einem ganz fantastischen Dinner. Dazu gibt es auch eine Geschichte, aber die erzähle ich vielleicht ein ander mal, so wie es überhaupt viel zu erzählen gäbe, aber es lässt sich nicht so recht raustippen.

Der Friseur war also arschig und angepisst und kommentierte die Lebkuchen, die ich ihm brachte, mit: "bei der Verpackung hättest du dir aber auch mehr Mühe geben können." Und als er einen probierte: "die hattest du aber zu lang im Ofen, oder?"

Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar. Der Satz geistert mir seither oft im Kopf rum.

Da gibt es Menschen wie F., die aussehen wie Assis, die aber rundum herzerwärmend und aufrichtig sind, wenn man nicht gerade mit ihnen in Clinch geht. Und dann gibt es Menschen wie den Friseur, die wirklich herzerwärmend aussehen, wunderhübsch und sexy, die witzig und intelligent sind, die aber immer mehrere Dinge parallel am Laufen haben und sich wie ich nun beim Friseur merke oft nicht nur in einer Hinsicht völlig assi verhalten.

Es ist das erste mal seit ich F. kenne, dass ich Angst habe ihn zu verlieren. Und das nicht erst, seit er weg ist. Schon vor meinem Besuch bei ihm vor Weihnachten habe ich mit einer Kollegin darüber gesprochen. Ich hoffe, er kommt (heil) zurück. Viel hält ihn in Deutschland nicht. Und auf der anderen Seite habe ich riesen Schiss davor was ist, wenn er zurückkommt. Mein kleiner Assi mit den graublaugrünen Glitzeraugen und dem Duft nach Sonnencreme.

~ Sugababes - Too lost in you


Seelenheil ~ ... link (8 Kommentare)   ... comment