Mittwoch, 29. April 2009
Wirres Hinterfragen.
Heute hinterfrage ich. Das System. Wenn man die Firma jetzt mal System nennt. An dieser Stelle würde mich die Meinung von Mr. Cabman sehr interessieren. Er ist ja recht vertriebsaktiv, wenn ich das richtig interpretiere. Und vielleicht hat er ja die Muse, diesen Beitrag durchzulesen.
Ach ich hol mir erstmal nen Wein. Opium fürs Volk.

Wieso weiß ich nicht, aber nach dem übergeordneten Vertriebsmeeting, nennen wirs mal so, an das alle reporten, bin ich eh immer scheiße drauf und depressiv angehaucht. Mit dieser Stimmung lässt es sich dann um 19 Uhr prima in die daran anschließende Taskforce gehen, die sich mit unserem Punktemodell/ Gewinnbeteiligungsmodell beschäftigt.

Was soll ich sagen. Um 21 Uhr bin ich gegangen. Ich hatte Angst. Davor, dass ich gleich auf den Tisch kotze. Es gibt Dinge, da wär man fast besser dran gewesen wenn man sie nicht gewusst hätte. Blöderweise habe ich ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsbewusstsein. Das mag daran liegen, dass ich auf der falschen Seite der Umverteilung stehe, könnte mir einer entgegenhalten. Aber das glaube ich nicht. Wäre ich auf der anderen Seite, ich wäre peinlich berührt. Beschämt.

Zwei Beispiele.
Wir haben Accountteams. Für unsere größten Kunden. Mit festen Umsatzzielen. Liegt das Team am Jahresende über diesem Umsatzziel, profitiert es von der sogenannten Überperformance. Wer sitzt in den Accountteams? Business Manager (die eh schon zum Großteil mit ihrem Kapital am Unternehmen beteiligt sind).
Zusätzlich gibt es Akquisepunkte. Derzeit liegt der bei 20 Punkten pro 1000 Euro Umsatz. Nun überlegt man, dies auf 50 Punkte zu erhöhen. Um zu signalisieren, Akquise ist uns wichtig. Vor allem bei weniger gut ausgebauten Kunden. Und auch durch das Ohren offen halten der Mitarbeiter.
Wer macht die Akquise? Business Manager.

Man nimmt hierbei in Kauf, dass eine doppelte Belohnung (der Manager!) stattfindet. Durch die Überperformance aus dem Account, und durch den (nochmals) erhöhten Akquisepunkt.


Einige Minuten später das Thema "Fachgruppen". Innovationen. Neuerungen innerhalb eines Themas. Solche Themen werden in Fachgruppen behandelt. In diesen Gruppen sind zumeist Mitarbeiter, deren Möglichkeiten Punkte zu sammeln ziemlich gering sind. Zumeist sind unsere Berater Techies, die super auf ihrem Gebiet sind, und vereinzelte Fälle von unentdeckten Sales-Talenten schlummern mit Sicherheit unter ihnen. Aber. Techies. IT-Berater. Bisher bekam jeder standardmäßig für seine Beteiligung 1000 Punkte. Das ist nicht viel. Wirklich. Nun meinte einer der Geschäftsführer zuerst: raus damit. Das ist Hobby. Bis der andere einlenkte, das würde die falschen Signale senden. Ach was? Ach was, meinte der andere. Das ist doch Spaß, die brennen doch auf ihre Themen, da muss man den Spaßfaktor untermalen, wir streichen die pauschale Bepunktung. Dafür bekommt das übergeordnete Gremium ein Kontingent von 5000 Punkten, die es am Jahresende an die innovativsten Beiträge aus diesen Gruppen verteilen kann.

Warum macht man das nicht so mit der Akquise? Ach, das ist doch Spaßßßßßß!!! Die brennen doch darauf zu vertreiben. Das übergeordnete Gremium verteilt am Jahresende 10.000 Punkte an die mit der meisten Akquise. Ich treib es bewusst auf die Spitze. Klar ist Akquise wichtig. Aber wieso behält man die 20 Punkte dann nicht für die Accountteams und Manager bei, und erhöht den Wert für die weniger gut ausgebauten Kunden und "normalo" Mitarbeiter? Akquise ist der JOB des Business Managers!!! Wie will er sonst sein Team auslasten???

Dieses Beispiel ist meines erachtens repräsentativ für das gesamte Modell:

Während die einen ihren Hals nicht vollbekommen, werden die anderen abgespeist.

Auch der Tonfall während dieser Taskforce hat mir nichts anderes vermitteln können.

Trotz meiner Fassungslosigkeit und der daraus resultierenden Sprachlosigkeit habe ich keine Lust, das still abzunicken. Auch auf die Gefahr hin, eins in die Fresse zu kriegen, werde ich das addressieren. Wenn man das nicht aushält, dann gehe ich guten Gewissens.

[Edit] Ich weiß, übers Geld redet man nicht. Aber: mein Gehalt liegt unter dem durchschnittlichen Einstiegsgehalt nach dem Studium, und das nach fast 3 Jahren Berufserfahrung. Gerechtfertigt wird mein Gehalt mit dem Argument, man könne ja so toll Punkte sammeln. Vor einer Woche bekam ich den Bescheid über meine Bonusauszahlung vom letzten Jahr. Der Grund, warum ich in die Taskforce ging. Es waren (netto) 420 Euro.

 
Mutig. Ich bewundere Dich sowohl für Dein Engagement als auch für den Mut, den Tiger auf den Tisch zu bringen. Hut ab.

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@pandora: das sind die Momente in denen ich Schiss vor der eigenen Courage bekomme. Aber das ist ein Punkt, da lass ich mich nicht abspeisen. Das stößt mir richtig sauer auf. Danke für deinen Zuspruch, ich kann ihn sehr gut gebrauchen!!!

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Ich bin mir absolut sicher, Du machst das. Tschakka!

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Danke! :-) *umärmel*

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... hört sich alles mächtig kompliziert an ..
Und da behältst Du den Überblick?
Diese Bonusauszahlung ist Dir sicher wie Öl runter gegangen :-)
Freu mich für Dich!

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@surety: das klingt jetzt blöd, denn es ist Geld, ja, und sicher auch nicht wenig. Aber wenn ich höre, dass die durchschnittliche Auszahlung pro Berater bei ca. 1.300 Euro netto liegt, und die der Manager bei knapp 4.000 Euro, dann fühlt man sich doch verarscht.

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