Mittwoch, 19. Oktober 2011
Meine Nerven sind langsam ein bisschen im Arsch. Es ist sehr skurril: ich träumte vor langer Zeit einen furchtbaren Alptraum, dass meine Mutter neben dem Wahn auch noch ein Alkoholproblem hat. Meine Mutter trinkt NIE. NIE NIE NIE. Alkohol. Außer vielleicht an Sylvester ein Glas Sekt. Oder dann auch mal zwei.

Jetzt schreibt sie uns, dass sie (wie regelmäßig ist uns noch unklar) trinkt und dazu starke Tabletten nimmt.

Es mag unpassend sein, und vielleicht auch falsche Offenheit, aber ich lade mal als pdf eine Mail hoch von ihr. Solche bekommen wir fast täglich. Seit knapp 2 Jahren. Sie ändern sich nur in den Syptomen, die immer krasser werden. Und die Länge variiert. Diese ist recht kurz, für das was wir gewohnt sind.

tag1 (GIF, 23 KB)
tag 02 (GIF, 31 KB)

Ich hoffe, pdfs werden von g**gle nicht durchsucht. Falls ich doch dadurch auffindbar sein sollte, bitte ein kleiner Hinweis an mich. Haha, ja, Par*noia ist erblich ;-)

Frau W. auf die Mailbox gesprochen. Noch kein Rückruf. Fühlte heute Hitzeanfälle, Herzrasen und das Gefühl, dass ich gleich wegrennen muss, weil ich keine Luft mehr bekomme. Klingt selbstmitleidig, hm? Mir machts echt Angst. Ist die Gesamtsituation zur Zeit echt.. nicht so einfach. Aber allein schon das Feld "Meine Mama" überfordert mich so sehr, emotional wie rational, dass ich nicht mehr weiß wohin mit mir. In mir ist irgendwie nur noch ein merkwürdiger Ausnahmezustand.

 
Es IST einfach krass. *dich mal lieb drück*

Wirklich Sinnvolles dazu kann ich nicht sagen. Es wundert mich, dass sie trotz Behandlung weiter so stark psychotisch ist.

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@pandora: Behandlung? ... Schön wärs. Aber wir planen sozusagen mal wieder die nächste Einweisung. Wollen vorher noch ein Gespräch mit ihr und meinem Bekannten S.

Sie nimmt keine Medikamente. Selbst wenn - "die würden ja sofort außer Kraft gesetzt werden". Wir hoffen, diesmal wirklich De*postspritzen durchsetzen zu können. Und einen Aufenthalt über 6 Wochen hinaus.

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Das klingt nicht selbstmitleidig. "Nicht so einfach..." mag man schon fast für die Untertreibung des Jahres halten. Was kann man tun, außer auf die Ferne mal zu umarmen?

Hast Du mal hier gelesen? Falls Du die Verlinkung lieber wieder rauswerfen willst, kann ich das verstehen - mach ruhig. Ich dachte nur oft an Deine Erlebnisse mit Deiner Mutter, wenn ich dort mal hineinlas, und Dein pdf bestätigt es noch einmal. Ist sicher nichts, was Du nicht schon weißt, aber vielleicht noch einmal: Es IST krass, ich stimme pandora zu.

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@sturmfrau: wow. das ist heftig. nein, diesen link kannte ich bisher nicht. Panik macht mir der Zeitraum. Und diese... Verbohrheit. Ich verstehe, dass diese Menschen denken, es sei die Realität, weil es für sie nunmal ihre Realität ist. Aber es kotzt mich dermaßen an, es macht mich stinksauer, dass sie ihr Leben lieber wegschmeißen als eine psychische Krankheit in Erwägung zu ziehen. Eine Schi*zophr*ene, die sich ihrer Krankheit bewusst ist und auch dieses Mi*nd Co*ntroll Ding hatte (ein Blog von einer aus den Staaten), erklärt eben jene Syptome mit dem Verweis auf das eigene Gehirn.

Ich finde es sehr erstaunlich, dass solche Blogs (also Blogs von Schi*zoph*renen, die eine Krankheitseinsicht hinter sich haben und ihre Vergangenheit anders betrachten können) von den Betroffenen anscheinend einfach nicht gefunden oder übelesen werden. Wieviel Energie sie darauf verschwenden in eine Richtung zu laufen, in der alles nur noch schlimmer wird. Besser jedenfalls nicht. Und wie überhaupt gar keine Energie sie in das Finden von Lösungen stecken.

Wirklich. Es kotzt mich derbst an.

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Was ich mich wirklich sehr frage, weil man das überall immer in diesem Kontext liest: hört meine Mutter auch Stimmen oder Geräusche? Davon sagt sie in keinem Pieps etwas. Ich vermute es schwer. Glaube aber, dass sie so intelligent ist darüber ihren Mund zu halten, weil sie sonst sofort den Stempel "verrückt" hätte (hat sie ja eh schon, auch wenn das jetzt blöd klingt, aber aus ihrer Sicht ist das glaube ich ein Punkt, der für sie ganz tief in ihrem Unterbewusstsein Verrücktheit ausmacht).

Hm. Man weiß es nicht. Ich muss mir clever überlegen, wie ich das rausfinden kann. Andererseits. Was bringts mich weiter. Hm. Aber interessieren würde es mich brennen. Wenn sie hört, was sie hört. Wie sehr sie sich den Stimmen entsprechend verhält. Vielleicht ein ewiges Rätsel.

Das einzige mal, wo ich das Gefühl hatte, sie hört etwas (und zwar vermutlich öfters), das war bei der ersten Einweisung. Da stand ich mit ihr im Raucherzimmer der Klinik, und plötzlich sagte sie: "pst, pst... " und ich sagte: was.. und sie legte ihren Kopf schräg und hielt einen Finger hoch, wiegte ihn sanft und sagte dann: "meine Spieluhr.." Und ich fragte: "was?!" und sie sagte: "ach, nichts nichts".

Danach war so etwas nie wieder.

Deswegen. Ich glaube, wir müssen wissen, was sie hört. Irgendwas sagt mir, sie hört, immer noch und zwar nicht wenig, und wir MÜSSEN wissen, was.

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Wie heftig der Link von Frau Sturmfrau. Mir ist ganz flau.
Komplett extrem. wie Wahrnehmung verlaufen kann. Auch was die Chemie im Kopf so anrichten kann, ohne daß man (viel) Einfluß darauf nehmen kann. Mich schüttelt es grad.

Man kann nur hoffen, daß es einem selbst nie so gehen wird.

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!

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@oka, 22 Uhr 46:
Vielleicht hilft es ja ein bisschen, sich die Krankheit als eine Art Parasit vorzustellen, der seinen Wirt von allem weghält, was zur Heilung und Erlösung von diesem Übel beitragen könnte.

Oder wie man mir zur langanhaltenden Depression meiner Ex (die z.T auch parnoide Schübe etc. hatte) sagte: Die mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit einer Behandlung ist gewissermaßen Teil des Krankheitbildes.

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Herr Mark, ich wäre mir nicht so sicher, ob das mit der mangelnden Einsicht so immer zwangsläufig der Fall ist. Klar ist es wichtig für Angehörige und Bezugspersonen, sich selbst freizusprechen von irgendeiner schuldhaften Beteiligung am Befinden des Erkrankten und zu verstehen, dass die Probleme teilweise auch aus der Wahrnehmung des Kranken entstehen. Darüber darf man sogar wütend sein als Angehöriger, weil es nun einmal eine besch***, schwer erträgliche Situation ist. Aber es gibt durchaus (meiner Ansicht nach sogar sehr viele) Depressive und sicher auch so manchen Psychotiker mit Krankheitseinsicht.

Problematisch ist die Definition von Realität. Wenn jemand diese Stimmen hört und sein Handeln und Befinden als nicht zu ihm selbst gehörig erlebt, dann ist das für Außenstehende eine haarsträubende Sache. Aber führen Sie sich vor Augen, wie es wäre, wenn die Welt, von der Sie selbst glauben, dass sie real ist, plötzlich von Ihrem gesamten Umfeld in Zweifel gezogen wird. Wir benötigen als Menschen die Bindung an andere, den Gleichklang, das Einverständnis - und diese Dinge gehen verloren. Sie würden sich ebenso haltlos und mutterseelenallein fühlen, wenn Ihnen das geschähe.

Ich bin der Ansicht, dass auch der feste Glauben daran, fremdbestimmt zu sein, für die Psyche irgendeine Funktion erfüllt (ebenso, wie mich in meiner Depression der Rückzug, die soziale Isolation und der feste Glaube an das Schlechte im Menschen gewissermaßen vor weiterer Enttäuschung "geschützt" haben - so kontraproduktiv, so logisch). Ich bin mir nur noch nicht ganz klar, welche Funktion das wohl sein könnte. An Intelligenz mangelt es nicht, das ist nicht das Problem. Es ist irgendwas gefühlsmäßig-fundamentales.

@oka: Was geschieht, wenn Du Deine Mutter fragst, was sie erlebt, hört und sieht? Hat das dann den Effekt, dass sie sich in ihrem Wahn bestätigt sieht?

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@sturmfrau:
Ich wollte das auch nicht über Gebühr verallgemeinert wissen, es gibt da wohl ziemlich unterschiedliche Spielarten und Krankheitsbilder. In der Ausprägung, mit der meine Ex zu tun hatte, war es so, dass nicht zuletzt die paranoide Komponente den Blick auf die Möglichkeit verstellte, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und allein schon den Gedanken daran zu einer totalen Horrorshow machte. Da ich über weite Strecken die einzige Bezugsperson war, die überhaupt noch gelegentlichen Zugang zu meiner Ex hatte, war das ein ziemlich einsamer Kampf, den ich führte und der mich immer wieder an Grenzen führte. Den Durchbruch, wenn man so will, brachte irgendwann eine Zwangseinweisung auf Betreiben ihrer Eltern. Wenn man weiter darauf gewartet hätte, dass sie von selber drauf kommt, hätten gut auch nochmal fünf Jahre ins Land gehen können.

Gleichwohl bin ich da ganz Ihrer Meinung, dass diese Krankheit irgendeinen funktionalen "benefit" haben wird, um mal einen Begriff aus der Werbesprache zu benutzen. Ich fand es etwas schade, dass die an den Klinikaufenthalt anschließende Verhaltenstherapie nicht wirklich Anstalten machte, diesen funktionalen Zusammenhängen nachzuspüren. Aber gut, das war dann nicht mehr mein Bier. Was zählt ist, dass sie die Kurve zurück ins Leben gekriegt hat.

Mich hat die Geschichte jedenfalls eine gewisse Demut gelehrt und mir überdies die Notwendigkeit vor Augen geführt, bei allem helfen wollen auch immer wieder die nötige Distanz herzustellen, und auch unsere Trennung kurz bevor das losging nicht als schuldhaft-ursächlich zu sehen.

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Ja, und genau das ist auch wichtig. Das verstehe ich.

Auch in Sachen Verhaltenstherapie bin ich da mit Ihnen in Übereinstimmung.

Ich glaube bloß, dass die Stigmatisierung, die mit einem Krankheits-Outing verbunden ist, es den Betroffenen auch selbst unheimlich schwer macht, wirkliche Hilfe zu suchen. Sei es, dass okas Mutter sich nicht als "verrückt" dargestellt wissen will, sei es, dass jemand meint, immer nur stark sein zu müssen, sei es, dass jemand sich davor fürchtet, entmündigt und missachtet zu werden...

@oka: Jetzt halte ich mich aber zurück - dies ist schließlich Deine, nicht meine persönliche Plattform. Sorry!

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@sturmfrau/ mark: nein nein bitte! ich verfolge diese diskussion mit großer neugier und großem interesse! in meinem umfeld diskutiert kaum einer in diesem ausmaß bzw. mit dieser tiefe über das thema. ich möchte euch herzlich dazu einladen, euch hier rundum auszulassen, so ihr das möchtet. ihr tut das ja auf eine sehr konstruktive art und weise.

ich pflichte euch beiden zu, dass die nichteinsicht syptom des krankheitsbildes ist, und es dabei zugleich einige gibt, die sich zu dieser krankheitseinsicht durchkämpfen konnten. das ist es ja auch, was uns weiterhin hoffen und mitfühlen und nicht völlig verzweifeln lässt. das wissen, dass es möglich sein KANN.

über diesen "benefit" haben mein bruder und ich uns auch schon sehr viele gedanken gemacht. so etwas wie: ob das die einsamkeit, in die sie kam nachdem mein bruder und ich ausgezogen waren, das begünstigt hat. sie hat auch keinen partner. nicht viele feste freunde. keine regelmäßigen außerberuflichen kontakte. soweit ich mich bisher informiert habe, sind solche faktoren durchaus begünstigend. ob sie auslöser sind, das weiß (vielleicht) keiner. vielleicht ist es sehr viel spannender, sich in ein solches szenario zu verstricken. es passiert ja etwas - wenn auch sehr negativ erlebt (was ich kurios finde. in diesem kontext stellt sich mir die frage: gibt es auch "positive" schizophrenie? so im sinne: jeden tag spricht regina regenbogen zu mir, und wir singen und lachen zusammen, ach es ist eine tolle zeit. sie gibt mir tolle tips, und in mir werden positive gefühle "aufgedockt". und wenn es das nicht gibt, warum nicht?).

ich fand das ein sehr interessantes zitat von jener einen ehemals Schizophrenen:

"living in your head may in fact be more exciting than living in the real world, but you have to take responsibilty for this. if you choose to live this way and then turn crazy it's partly your own fault."
http://www.health-forums.com/alt-support-schizophrenia/schizophrenia-vs-mind-control-symptoms-discussed-12536.html

Merkwürdig finde ich, dass sie weiterhin (zumindest zu der Zeit, aus der der Eintrag von ihr stammt) behauptet, es gäbe mi*n con*trol, und wenn man mehr infos bräuchte, solle man sich an sie wenden. das passt so überhaupt nicht zu dem rest, den sie dort schreibt. oder ich verstehe nur die hälfte ;-)

ein krasser schritt ist glaube ich auch, nochmal zu der krankheitseinsicht, sich selbst einzugestehen, dass man lange lange zeit etwas nicht erkannt hat. dass man wirklich falsch lag und die anderen richtig. und das ist etwas sehr menschliches.

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Bemerkenswert finde ich, wie sehr sich die Schilderungen gleichen: Es werden Träume "eingegeben", körperliche Regungen werden "gesteuert", die Betroffenen fühlen sich vollkommen fremdbestimmt und empfinden nichts, was geschieht, als zu sich selbst gehörend... Wenn ich mich mit solchen Dingen gedanklich auseinandersetze, dann bin ich immer sehr versessen darauf, die darin enthaltene Logik zu finden. Über die neurologischen Ursachen wird ja viel spekuliert, aber ich frage mich, was die psychischen Ursachen sind. Dazu wird kaum irgendwo etwas gesagt, und irgendwie ist das auch aus der Mode gekommen. Ich frage mich, was es wohl ist, das für Betroffene so unerträglich ist, dass es ausgeblendet (bzw. äußeren Kräften in die Schuhe geschoben) werden muss.

In dem Blog, das ich verlinkt hatte, fiel mir zum Beispiel auf, dass der Schreiber immer wieder betonte, homosexuelle Neigungen unterstellt zu bekommen, und die "Macher des Experiments" wollten ihn dazu bringen, selbige endlich zuzugeben. Wenn er jetzt aber z.B. in einer entsprechend rigiden Erziehung eingetrichtert bekommen haben könnte, Homosexualität wäre etwas absolut verwerfliches, dann wäre das Fortschieben eigener Regungen (oder auch nur der Befürchtung, sie zu haben) nach "außen" eine mögliche, folgerichtige Reaktion. Die Aussage wäre dann "Nicht ich mache/habe das, sondern es wird mir aufgezwängt. Ich bin nicht verantwortlich!" Das ist nur so ein Gedankenstrang, aber der gälte auch bloß für die Inhalte.

Ich kaue gedanklich noch an dem offensichtlich gestörten Dopaminhaushalt der Betroffenen und frage mich, unter welchen Umständen und warum er entsteht. Falls jemand dazu was weiß...

oka, ganz spannend und hilfreich fand ich das hier (falls Du es nicht schon kennst). Zum ersten Mal etwas Respektvolles zum Thema Psychose.

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Nix Selbstmitleid.
Das pdf ist noch sehr viel krasser, als Du es eh immer wieder schilderst. Sehr beklemmend das Ganze. Verstehe die Hilflosigkeit, was kann man dazu sagen?

Wünsche Euch viel Kraft und drück Dich.

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@sid: danke dir für all deine drückungen :-) das tut immer sehr gut.

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Vorsicht! G**gle indiziert auch PDF- Dateien.
Wenn, dann solltest Du die Mail lieber als Grafik (.gif oder .png sollte eine recht kleine Datei ergeben) einstellen.

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Danke Erik, vielen Dank! :-) Hoffe jetzt ist es besser.

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Ja, das sollte besser passen.

Jetzt könnte es höchstens noch über die Bildersuche gefunden werden, und der Name 'Tag...' ist so gebräuchlich (1,5 Milliarden Ergebnisse) - das schließt einen Zufallsfund weitgehend aus.

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