Mittwoch, 12. Februar 2014
Lieber Herr M.,
okavanga, 22:24h
Ich weiß, ich habe Ihnen versprochen Ihre e-Mail-Adresse nur im absoluten Notfall zu verwenden und daran möchte ich mich auch halten.
Gerade eben, bevor ich anfing dies zu schreiben, wollte ich suchen, wann das eigentlich anfing, vor ein paar Monaten, als ich mir die Unterarme aufkratzte. Als ich so Glück hatte und sie zufällig nochmal den AB vom Institut abgerufen haben, und mich da ganz hemmungslos rumrotzen gehört und zurückgerufen haben. Als Sie dann so toll am Telefon waren und mir Ihre Mailadresse gegeben haben, damit ich Sie überhaupt noch erreichen kann, weil Sie ja nicht mehr in dem Institut arbeiten und noch nicht wissen, wie Sie dann weiter machen. Und ich dachte, allein die Adresse wird mich so beruhigen, dass ich sie nicht brauche. Ich wollte sie nie gebrauchen. Ich habe es echt versucht...
So ja, also... und ich nutzte jedenfalls gerade die Blogsuche. Was ich fand war ein Beitrag aus dem April 2011, in dem ich schrieb, dass ich in mein Essen heule, und dass ich mir am liebsten die Arme aufkratzen würde. Das hat mich entsetzt. Ich glaube, Sie verstehen das.
Eigentlich wollte ich darüber gar nicht schreiben, denn ich denke ja immer zwischendrin, es hat aufgehört, wird besser, ändert sich. Ich änder mich. Aber nun schreit es mich so an. Wann hört es auf? HÖRT es denn irgendwann auf?
Ich bin verzweifelt, ganz ehrlich. Seit Wochen, eigentlich Monaten (ha, anscheinend seit Jahren), bin ich in mir außer mir. Und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen, weil ich nicht weiß, wo es anfängt. Ich weiß nur, dass es nicht aufhört. Dass ich aber so weiterlebe, dass keiner etwas merkt, außer die, denen ich eben etwas erzähle. Und der einzige der das alles eigentlich kennt ist mein Vater, und vielleicht nocht die D. weil sie zwischen Zeilen liest.
Es ist ganz komisch. Ich lebe einfach so weiter und empfinde das eigene Elend auf der einen Seite so unspektakulär, und wenn ich mir denke: 'och, eigentlich könnteste jetzt auch einfach ins Meer gehen und nicht mehr zurückkommen, das wär auch OK', dann ist das nicht entsetzlich oder schockierend, oder traurig, sondern... eben auch OK.
Das schlimme ist, dass eine andere Seite in mir das nicht unspektakulär findet, sondern sehr sehr spektakulär und beeindruckend. Oder eher niederdrückend. Also nicht das mit dem Meer, sondern das Elend. Diese Seite findet das unerträglich, und will dann ins Meer gehen. Ich hab ihr auch gesagt, dass das keine gute Idee ist. Das ist nass und kalt, und wenns blöd läuft haben wir dann ne Blasenentzündung. Die andere (Egal-)Seite fand meine Einwände auch OK. Diese gleichgültige Seite findet eigentlich alles OK. Sie ist so gleichgültig, dass sie halt auch einfach weiterlebt, egal wie und wo.
Da die beeindruckte Seite nicht wirklich lebensfähig ist - nachdem ich vor zwei Wochen 30 Minuten heulend auf dem Büroklo saß, weil es echt nicht anders ging, wurde mir klar, dass das eben nicht wirklich lebensfähig ist - gewinnt eben oft die Egal-Seite. Bzw. bringt die mich halt durch den Tag. Sie hält mich am Leben, wohl, denke ich. Bis irgend etwas mich so berührt, dass ich weine, und das ist dann ein sehr beeindruckendes Weinen.
Überhaupt habe ich noch nie so viel ohne Alkohol geweint. Ich erinner mich an eine Zeit, in der ich betete, dass ich doch bitte irgendwann ohne Alkhohol in der Lage sein würde zu weinen. In der sogar mein Vater mir und sich wünschte, es würde ohne Alk gehen. Siehe da, ich wurde erhört. Es ist ein ganz anderes Weinen. Und unkontrollierbar. Das mutmaßt nun sicher auch das Büro. Aber was wissen die schon.
Ich sehe Sie schon ganz ungeduldig auf dem Stuhl rumrutschen. Sie sind da ja eher der pragmatische Typ und wollen gleich wissen, was denn eigentlich passiert ist. Ich hoffe Sie haben viel viel Zeit. Ja, das da oben war nur die ungeplante Einleitung. Also das kam so:
Am 9. Oktober war dieser Scheiß mit dem Unterarm. Das war so die Initialzündung [AdR: gerade gesehen. Die Beiträge von September sehen auch schon scheisse aus. Was man nicht alles so vergisst.]. Seitdem ist es, als wäre ich unter Bettdecken. Mal ist es nur eine ganz dünne, mal krieg ich den Kopf vor. Mal sind es ganz viele dicke Winterbettdecken aus Daunen, die mir auf die Brust drücken und mich kaum atmen lassen. Die Frauenärztin, z.B... die hat da eine ganz dicke Daunendecke draufgepackt. Vielleicht mach ichs mir damit jetzt auch zu leicht. Sie hat vielleicht nur Dinge ausgesprochen. Aber warum berühren die mich so sehr.
Dann kam eine kurze gute Zeit. Ich war bin über das letzte Oktoberwochenende nach Hause zu den Filmtagen. Und das war, als hätte jemand alle Bettdecken weggenommen und die Fenster weit aufgerissen. Es ging mir gut. Ich fühlte mich wohl. Ich hatte sogar ein Aktshooting bei dem Intimfriseur ohne jegliches Schamgefühl oder Retuschierbedürfnis. Es hat Spaß gemacht! Es war fantastisch. Ich habe tolle Filme gesehen, wenn auch sehr berührende, und ich konnte weinen und nachdenklich sein, ohne dass es mich in meinen Grundfesten erschüttert hätte. Ich konnte Leute treffen und mich unterhalten. Bis ein Gespräch mich sehr beeindruckte. Mit R., einem Freund meiner Eltern. Ich habe hier in der zweiten Hälfte des Beitrag davon erzählt. Aber das blieb erstmal noch eher im Unterbewusstsein hängen.
Wieder in Mannheim, kam meine Katze zu mir. Das war ein unglaubliches Gefühl. Dann wurde ich krank in der ersten Novemberwoche (während ich zeitgleich "1 Jahr Nichtraucher" hätte feiern können :-)) Das war einigermaßen erträglich bis zu dieser schrecklichen und markerschütternden Familienfeier. Danach wurde ich richtig krank. In der zweiten Woche brachen allerhand Gedanken auf mich ein. Es war wie ein Strudel, der mich immer tiefer hinab zog. Lande auch wieder bei Gedanken über LeSche. Das zieht sich auch in die dritte Woche Krankschreibung. Da ging es aber leise bergauf. Ich zweifelte doch ein bisschen, doch ich ging in der 4. Woche Krankschreibung in den Chor und zog mich irgendwie an den Haaren hoch. Die erste Dezemberwoche lies weitere Hoffnung aufkeimen und ich kam - wenn auch streckenweise holprig - einigermaßen bis Weihnachten.
Was ich (glaub ich nicht geschrieben habe): in den ganzen 4 Wochen meiner Krankschreibung war LeSchwe ein einziges mal zu Besuch - und sie wusste, wie dreckig es mir geht. Sie musste "viel arbeiten" und "war unter der Woche nicht hier sondern in Fr*iedberg" (aber für den Typen, der bumsen will, kam sie natürlich auch Dienstag oder Mittwoch Abend her), oder sie hatte Angst sich anzustecken (wenn Bums-Typen sich erkälten, bekommen sie an Tag 1 Hühnersuppe). Als ich sie am dringendsten gebraucht hätte, war sie einfach nicht da. Gar nicht. Einfach gar nicht. Auch nicht gefühlt. Ich habe mich noch nie so im Stich gelassen gefühlt.
Dieses Gefühl zog ich auch mit in den Dezember.
Was ich glaub ich auch nicht geschrieben hatte: ich kündigte den Kontakt zu F. auf, weil wir einfach auf keinen Nenner kamen.
Nach meiner Zeit im November als Eremit sehnte ich mich nach Kontakt mit Menschen - ich merkte aber auch, dass es mir nicht egal ist, mit wem ich in Kontakt stehe. Ich wollte nur noch enge Freunde, und lud an den Adventssonntagen ein: zum Plätzchenbacken, oder Kochen, oder für Heimwerkerarbeiten. Es war wirklich immer sehr schön. LeSchwe war zweimal da. Immer mit dem Zusatz: Ich kann aber nicht lang bleiben, ich muss noch was arbeiten (und ich könnte wetten, dass die Arbeit "Bumstyp" hieß). Fast noch schlimmer als dieses Gefühl ihr nicht wichtig zu sein (es kam mir vor wie: na ich geh hin, dann mach ich nen Haken dran und beruhige mein Gewissen, und gehe wieder) war das Gefühl angelogen zu werden.
Es gärte in mir.
Gleichzeitig wurde mir klar, dass F. zwar ein Drogenwrack ist, ich ihn aber liebe. Und das auch schon länger. Es war ein unglaublich schwerer Schritt mir selbst das einzugestehen. Denn mir war klar: das bedeutet, du musst es so weit wie möglich versuchen, und wahrscheinlich wird es für beide sehr schmerzhaft. Ich ging auf ihn zu vor Weihnachten, bevor ich in die Heimat gefahren bin. Brachte ihm selbstgebackene Lebkuchen und eine Karte, und war so unendlich froh als er mich in den Arm nahm. Wir schliefen eng umschlungen ein, ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte mal so ruhig war und mich so am richtigen Platz fühlte. Es war wie: "Oh Gott. Endlich zu Hause. Endlich. Lass mich nicht mehr los. Bitte. Bitte lass dieses Bett zu unserer Zeit-Raum-Universum-Liebes-Kapsel werden und uns für immer hier einschließen." Ich war absolut nüchtern. In der Tat. Es war ein so schönes Gefühl jemandem so nahe zu sein, der einen so gut kennt und trotzdem liebt, und den man so gut kennt und trotzdem liebt.
Über Weihnachten war ich beseelt. Beseelt von F. Voller Hoffnung. Und voller Illusion. Wir telefonierten oft. Es war so schön ihn zu hören. Ich wollte es so sehr glauben. Dass es doch geht. Dass er dann im Januar nach 4 Wochen nach Thailand fliegt und dort merkt, wie toll ein Leben ohne Dröhnung ist. Ich muss selbst lachen wenn ich es lese. Wie naiv. Wer wenn nicht ich hätte es besser wissen müssen. Wenn ich etwas kenne, nach all den Jahren, dann sind es Drogen, und Menschen mit Drogen.
Im Lauf des Januars wankte ich zwischen inneren Wärmeanfällen und totaler Verklärung für F. und absolutem Entsetzen für LeSchwe. Meine anhaltenden Zweifel fanden dann eines Freitag Abend ihr Ventil. Wir hatten etwas für das Wochenende ausgemacht und auch den Freitag Abend nicht ausgeschlossen für gemeinsamen Sport. Auf meine Nachrichten hin meldete sie sich nicht, ich rief mehrfach an, sie ging nicht ran.
Gegen 19 Uhr meldete sie sich, dass sie erst jetzt mit ihrem Chef fertig sei. Ich fragte, was sie nun machen würde. Es kam keine Antwort. Um kurz vor 23 Uhr schrieb sie, dass sie bei Johnny war und dann Schlittschuhlaufen mit ihm, und dass wir uns am nächsten Tag treffen und sie mir dann erklärt wer Johnny ist.
Mir war das dann zu doof. Letztendlich steht man als Freundin immer hintenan. Muss hören, dass Freitag blöd ist um sich zu treffen, weil sie da ja immer erst spät kommt, aber für Typen ist da immer Zeit. Gleiches unter der Woche. Wenn man selbst dann keine Zeit hat, ist das auch nicht schlimm. Also es ist immer ein bisschen opportunistisch. Wenn sie Zeit hat, weil die Typen keine Zeit haben, dann kann man da in den Zeitplan gequetscht werden. Wenn das nicht passt, passt jemand anderes. Hauptsache man ist nicht alleine. Ich kann es sehr schwer in Worte packen, welches Gefühl mir LeSchwe seit Jahren immer wieder aufs neue vermittelt. Aber da gab es Sylvester, die plötzlich gekippt wurden, Urlaube, die gekippt wurden, und Absprachen, die gekippt wurden, und sie selbst sieht sich immer nur als missverstandenes Opfer. Damit kann ich nicht umgehen. Auch nicht mit der Oberflächlichkeit ihrer anderen Freundschaften, bzw. das, was sie über andere Freunde redet. Ich möchte nicht, dass man so über mich bei anderen redet. Ich habe das mal in einem extra Beitrag versucht zu erörtern, das sprengt ja hier sonst alles bald den Rahmen.
Pause. Ich kann nicht mehr für heute.
TBC, Herr M.
Aber ich muss jetzt echt trotzdem mal sagen. Das mit F... Das macht mich richtig fertig.
Und: ich dachte, die Katze beruhigt mich. Aber sie ist wie ein Tränen-Turbo. Sie zu sehen, in ihr wunderschönes Gesicht mit den großen klaren Augen zu schauen, und mein Gesicht in ihrem Fell zu vergraben, es berührt mich ganz ganz tief, ganz tief bei mir, in meinem inneren Kind und in meinem inneren Greisen, es rührt mich zu ganz schmerzhaften Tränen.
Gerade eben, bevor ich anfing dies zu schreiben, wollte ich suchen, wann das eigentlich anfing, vor ein paar Monaten, als ich mir die Unterarme aufkratzte. Als ich so Glück hatte und sie zufällig nochmal den AB vom Institut abgerufen haben, und mich da ganz hemmungslos rumrotzen gehört und zurückgerufen haben. Als Sie dann so toll am Telefon waren und mir Ihre Mailadresse gegeben haben, damit ich Sie überhaupt noch erreichen kann, weil Sie ja nicht mehr in dem Institut arbeiten und noch nicht wissen, wie Sie dann weiter machen. Und ich dachte, allein die Adresse wird mich so beruhigen, dass ich sie nicht brauche. Ich wollte sie nie gebrauchen. Ich habe es echt versucht...
So ja, also... und ich nutzte jedenfalls gerade die Blogsuche. Was ich fand war ein Beitrag aus dem April 2011, in dem ich schrieb, dass ich in mein Essen heule, und dass ich mir am liebsten die Arme aufkratzen würde. Das hat mich entsetzt. Ich glaube, Sie verstehen das.
Eigentlich wollte ich darüber gar nicht schreiben, denn ich denke ja immer zwischendrin, es hat aufgehört, wird besser, ändert sich. Ich änder mich. Aber nun schreit es mich so an. Wann hört es auf? HÖRT es denn irgendwann auf?
Ich bin verzweifelt, ganz ehrlich. Seit Wochen, eigentlich Monaten (ha, anscheinend seit Jahren), bin ich in mir außer mir. Und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen, weil ich nicht weiß, wo es anfängt. Ich weiß nur, dass es nicht aufhört. Dass ich aber so weiterlebe, dass keiner etwas merkt, außer die, denen ich eben etwas erzähle. Und der einzige der das alles eigentlich kennt ist mein Vater, und vielleicht nocht die D. weil sie zwischen Zeilen liest.
Es ist ganz komisch. Ich lebe einfach so weiter und empfinde das eigene Elend auf der einen Seite so unspektakulär, und wenn ich mir denke: 'och, eigentlich könnteste jetzt auch einfach ins Meer gehen und nicht mehr zurückkommen, das wär auch OK', dann ist das nicht entsetzlich oder schockierend, oder traurig, sondern... eben auch OK.
Das schlimme ist, dass eine andere Seite in mir das nicht unspektakulär findet, sondern sehr sehr spektakulär und beeindruckend. Oder eher niederdrückend. Also nicht das mit dem Meer, sondern das Elend. Diese Seite findet das unerträglich, und will dann ins Meer gehen. Ich hab ihr auch gesagt, dass das keine gute Idee ist. Das ist nass und kalt, und wenns blöd läuft haben wir dann ne Blasenentzündung. Die andere (Egal-)Seite fand meine Einwände auch OK. Diese gleichgültige Seite findet eigentlich alles OK. Sie ist so gleichgültig, dass sie halt auch einfach weiterlebt, egal wie und wo.
Da die beeindruckte Seite nicht wirklich lebensfähig ist - nachdem ich vor zwei Wochen 30 Minuten heulend auf dem Büroklo saß, weil es echt nicht anders ging, wurde mir klar, dass das eben nicht wirklich lebensfähig ist - gewinnt eben oft die Egal-Seite. Bzw. bringt die mich halt durch den Tag. Sie hält mich am Leben, wohl, denke ich. Bis irgend etwas mich so berührt, dass ich weine, und das ist dann ein sehr beeindruckendes Weinen.
Überhaupt habe ich noch nie so viel ohne Alkohol geweint. Ich erinner mich an eine Zeit, in der ich betete, dass ich doch bitte irgendwann ohne Alkhohol in der Lage sein würde zu weinen. In der sogar mein Vater mir und sich wünschte, es würde ohne Alk gehen. Siehe da, ich wurde erhört. Es ist ein ganz anderes Weinen. Und unkontrollierbar. Das mutmaßt nun sicher auch das Büro. Aber was wissen die schon.
Ich sehe Sie schon ganz ungeduldig auf dem Stuhl rumrutschen. Sie sind da ja eher der pragmatische Typ und wollen gleich wissen, was denn eigentlich passiert ist. Ich hoffe Sie haben viel viel Zeit. Ja, das da oben war nur die ungeplante Einleitung. Also das kam so:
Am 9. Oktober war dieser Scheiß mit dem Unterarm. Das war so die Initialzündung [AdR: gerade gesehen. Die Beiträge von September sehen auch schon scheisse aus. Was man nicht alles so vergisst.]. Seitdem ist es, als wäre ich unter Bettdecken. Mal ist es nur eine ganz dünne, mal krieg ich den Kopf vor. Mal sind es ganz viele dicke Winterbettdecken aus Daunen, die mir auf die Brust drücken und mich kaum atmen lassen. Die Frauenärztin, z.B... die hat da eine ganz dicke Daunendecke draufgepackt. Vielleicht mach ichs mir damit jetzt auch zu leicht. Sie hat vielleicht nur Dinge ausgesprochen. Aber warum berühren die mich so sehr.
Dann kam eine kurze gute Zeit. Ich war bin über das letzte Oktoberwochenende nach Hause zu den Filmtagen. Und das war, als hätte jemand alle Bettdecken weggenommen und die Fenster weit aufgerissen. Es ging mir gut. Ich fühlte mich wohl. Ich hatte sogar ein Aktshooting bei dem Intimfriseur ohne jegliches Schamgefühl oder Retuschierbedürfnis. Es hat Spaß gemacht! Es war fantastisch. Ich habe tolle Filme gesehen, wenn auch sehr berührende, und ich konnte weinen und nachdenklich sein, ohne dass es mich in meinen Grundfesten erschüttert hätte. Ich konnte Leute treffen und mich unterhalten. Bis ein Gespräch mich sehr beeindruckte. Mit R., einem Freund meiner Eltern. Ich habe hier in der zweiten Hälfte des Beitrag davon erzählt. Aber das blieb erstmal noch eher im Unterbewusstsein hängen.
Wieder in Mannheim, kam meine Katze zu mir. Das war ein unglaubliches Gefühl. Dann wurde ich krank in der ersten Novemberwoche (während ich zeitgleich "1 Jahr Nichtraucher" hätte feiern können :-)) Das war einigermaßen erträglich bis zu dieser schrecklichen und markerschütternden Familienfeier. Danach wurde ich richtig krank. In der zweiten Woche brachen allerhand Gedanken auf mich ein. Es war wie ein Strudel, der mich immer tiefer hinab zog. Lande auch wieder bei Gedanken über LeSche. Das zieht sich auch in die dritte Woche Krankschreibung. Da ging es aber leise bergauf. Ich zweifelte doch ein bisschen, doch ich ging in der 4. Woche Krankschreibung in den Chor und zog mich irgendwie an den Haaren hoch. Die erste Dezemberwoche lies weitere Hoffnung aufkeimen und ich kam - wenn auch streckenweise holprig - einigermaßen bis Weihnachten.
Was ich (glaub ich nicht geschrieben habe): in den ganzen 4 Wochen meiner Krankschreibung war LeSchwe ein einziges mal zu Besuch - und sie wusste, wie dreckig es mir geht. Sie musste "viel arbeiten" und "war unter der Woche nicht hier sondern in Fr*iedberg" (aber für den Typen, der bumsen will, kam sie natürlich auch Dienstag oder Mittwoch Abend her), oder sie hatte Angst sich anzustecken (wenn Bums-Typen sich erkälten, bekommen sie an Tag 1 Hühnersuppe). Als ich sie am dringendsten gebraucht hätte, war sie einfach nicht da. Gar nicht. Einfach gar nicht. Auch nicht gefühlt. Ich habe mich noch nie so im Stich gelassen gefühlt.
Dieses Gefühl zog ich auch mit in den Dezember.
Was ich glaub ich auch nicht geschrieben hatte: ich kündigte den Kontakt zu F. auf, weil wir einfach auf keinen Nenner kamen.
Nach meiner Zeit im November als Eremit sehnte ich mich nach Kontakt mit Menschen - ich merkte aber auch, dass es mir nicht egal ist, mit wem ich in Kontakt stehe. Ich wollte nur noch enge Freunde, und lud an den Adventssonntagen ein: zum Plätzchenbacken, oder Kochen, oder für Heimwerkerarbeiten. Es war wirklich immer sehr schön. LeSchwe war zweimal da. Immer mit dem Zusatz: Ich kann aber nicht lang bleiben, ich muss noch was arbeiten (und ich könnte wetten, dass die Arbeit "Bumstyp" hieß). Fast noch schlimmer als dieses Gefühl ihr nicht wichtig zu sein (es kam mir vor wie: na ich geh hin, dann mach ich nen Haken dran und beruhige mein Gewissen, und gehe wieder) war das Gefühl angelogen zu werden.
Es gärte in mir.
Gleichzeitig wurde mir klar, dass F. zwar ein Drogenwrack ist, ich ihn aber liebe. Und das auch schon länger. Es war ein unglaublich schwerer Schritt mir selbst das einzugestehen. Denn mir war klar: das bedeutet, du musst es so weit wie möglich versuchen, und wahrscheinlich wird es für beide sehr schmerzhaft. Ich ging auf ihn zu vor Weihnachten, bevor ich in die Heimat gefahren bin. Brachte ihm selbstgebackene Lebkuchen und eine Karte, und war so unendlich froh als er mich in den Arm nahm. Wir schliefen eng umschlungen ein, ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte mal so ruhig war und mich so am richtigen Platz fühlte. Es war wie: "Oh Gott. Endlich zu Hause. Endlich. Lass mich nicht mehr los. Bitte. Bitte lass dieses Bett zu unserer Zeit-Raum-Universum-Liebes-Kapsel werden und uns für immer hier einschließen." Ich war absolut nüchtern. In der Tat. Es war ein so schönes Gefühl jemandem so nahe zu sein, der einen so gut kennt und trotzdem liebt, und den man so gut kennt und trotzdem liebt.
Über Weihnachten war ich beseelt. Beseelt von F. Voller Hoffnung. Und voller Illusion. Wir telefonierten oft. Es war so schön ihn zu hören. Ich wollte es so sehr glauben. Dass es doch geht. Dass er dann im Januar nach 4 Wochen nach Thailand fliegt und dort merkt, wie toll ein Leben ohne Dröhnung ist. Ich muss selbst lachen wenn ich es lese. Wie naiv. Wer wenn nicht ich hätte es besser wissen müssen. Wenn ich etwas kenne, nach all den Jahren, dann sind es Drogen, und Menschen mit Drogen.
Im Lauf des Januars wankte ich zwischen inneren Wärmeanfällen und totaler Verklärung für F. und absolutem Entsetzen für LeSchwe. Meine anhaltenden Zweifel fanden dann eines Freitag Abend ihr Ventil. Wir hatten etwas für das Wochenende ausgemacht und auch den Freitag Abend nicht ausgeschlossen für gemeinsamen Sport. Auf meine Nachrichten hin meldete sie sich nicht, ich rief mehrfach an, sie ging nicht ran.
Gegen 19 Uhr meldete sie sich, dass sie erst jetzt mit ihrem Chef fertig sei. Ich fragte, was sie nun machen würde. Es kam keine Antwort. Um kurz vor 23 Uhr schrieb sie, dass sie bei Johnny war und dann Schlittschuhlaufen mit ihm, und dass wir uns am nächsten Tag treffen und sie mir dann erklärt wer Johnny ist.
Mir war das dann zu doof. Letztendlich steht man als Freundin immer hintenan. Muss hören, dass Freitag blöd ist um sich zu treffen, weil sie da ja immer erst spät kommt, aber für Typen ist da immer Zeit. Gleiches unter der Woche. Wenn man selbst dann keine Zeit hat, ist das auch nicht schlimm. Also es ist immer ein bisschen opportunistisch. Wenn sie Zeit hat, weil die Typen keine Zeit haben, dann kann man da in den Zeitplan gequetscht werden. Wenn das nicht passt, passt jemand anderes. Hauptsache man ist nicht alleine. Ich kann es sehr schwer in Worte packen, welches Gefühl mir LeSchwe seit Jahren immer wieder aufs neue vermittelt. Aber da gab es Sylvester, die plötzlich gekippt wurden, Urlaube, die gekippt wurden, und Absprachen, die gekippt wurden, und sie selbst sieht sich immer nur als missverstandenes Opfer. Damit kann ich nicht umgehen. Auch nicht mit der Oberflächlichkeit ihrer anderen Freundschaften, bzw. das, was sie über andere Freunde redet. Ich möchte nicht, dass man so über mich bei anderen redet. Ich habe das mal in einem extra Beitrag versucht zu erörtern, das sprengt ja hier sonst alles bald den Rahmen.
Pause. Ich kann nicht mehr für heute.
TBC, Herr M.
Aber ich muss jetzt echt trotzdem mal sagen. Das mit F... Das macht mich richtig fertig.
Und: ich dachte, die Katze beruhigt mich. Aber sie ist wie ein Tränen-Turbo. Sie zu sehen, in ihr wunderschönes Gesicht mit den großen klaren Augen zu schauen, und mein Gesicht in ihrem Fell zu vergraben, es berührt mich ganz ganz tief, ganz tief bei mir, in meinem inneren Kind und in meinem inneren Greisen, es rührt mich zu ganz schmerzhaften Tränen.
Seelenheil
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pappnase,
Mittwoch, 12. Februar 2014, 23:18
ich bin so sehr bewegt, jetzt habe ich hier den halben blog durchgelesen und bin voller emotionen…
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okavanga,
Mittwoch, 12. Februar 2014, 23:39
@pappnase: ein seltener gast. aber immer willkommen! ich hatte nicht alles nochmal gelesen was ich verlinkt habe, das habe ich jetzt gerade mal versucht. ich hoffe, Sie nicht ;-)
Ich beneide Sie ganz ganz oft um all Ihre Kinder. Um Ihre Familie. Wollte ich nur einfach mal so sagen.
Ich beneide Sie ganz ganz oft um all Ihre Kinder. Um Ihre Familie. Wollte ich nur einfach mal so sagen.
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pappnase,
Mittwoch, 12. Februar 2014, 23:49
ich bin kein so seltener gast, das kommentieren hab ich fast verlernt ;o)
danke für die komplimente richtung familie, sie hilft dinge zu überstehen, die man kaum hier schreiben mag.
danke für die komplimente richtung familie, sie hilft dinge zu überstehen, die man kaum hier schreiben mag.
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sid,
Mittwoch, 12. Februar 2014, 23:28
Ein guter Brief.
Laß die Tränen fließen. Was raus muß, soll raus.
Ich sage nicht, daß es sicher eine Erleichterung gibt, aber möglich ist es.
Laß die Tränen fließen. Was raus muß, soll raus.
Ich sage nicht, daß es sicher eine Erleichterung gibt, aber möglich ist es.
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okavanga,
Mittwoch, 12. Februar 2014, 23:39
@sid: ja, es mus raus. leider. und es erleichtert, wenn auch nur für den moment.
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heulschrecke,
Mittwoch, 12. Februar 2014, 23:53
Die F.'s dieser Welt können wir nicht retten. Mein F. hieß M. und hat mich gelehrt, was Grenzen sind, in jeglich Hinsicht und vor allem, was es bedeutet, wenn Grenzen aufgehoben sind und man sich gegenseitig mit seinen Extremen immer weiter treibt.
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c17h19no3,
Donnerstag, 13. Februar 2014, 00:06
ich weine auch gerade sehr viel und kenne aber auch gut die gegenteilige seite: die total wüste und stumpfsinn. das objekt meint, es ist gut, loszulassen. und was da rauskommt, ist ja nichts aktuelles, sondern viel alter kram. wenn ich hysterisch ins telefon heule, sagt es immer, es sei ganz toll, ich sei ganz bei mir und unverstellt und ausnahmsweise mal nicht sarkastisch. ich frage mich auch oft, wann das wieder aufhört. aber es ist nun mal so. wenigstens ist mein krebs nicht bösartig, das fände ich schlimmer.
wir haben auch noch mal über selbstverletzung gesprochen und das objekt hat noch mal relativiert. es sei ein ventil, kein besonders gutes, aber besser als suizid und auch nicht schlimmer als drogen oder alkohol. das wichtigste sei, meint es, dass man sich keine vorwürfe deswegen macht. der kopf braucht das gerade, das ist eben so und wird wieder vergehen. wenn wir miteinander schlafen, küsst es die narben an meinen armen, als gäbe es seinen segen drauf, als würde es mir stellvertretend für mich verzeihen, das ist sehr schön.
die katze vermittelt dir geborgenheit, ohne etwas dafür zu fordern. das ist etwas, was keine zwischenmenschliche beziehung kann. ich finde deine emotionen daher nicht überzogen. es ist ein geschenk und wenn man nicht gewohnt ist, solche geschenke zu bekommen, ist es nicht selbstverständlich, sie anzunehmen.
wir haben auch noch mal über selbstverletzung gesprochen und das objekt hat noch mal relativiert. es sei ein ventil, kein besonders gutes, aber besser als suizid und auch nicht schlimmer als drogen oder alkohol. das wichtigste sei, meint es, dass man sich keine vorwürfe deswegen macht. der kopf braucht das gerade, das ist eben so und wird wieder vergehen. wenn wir miteinander schlafen, küsst es die narben an meinen armen, als gäbe es seinen segen drauf, als würde es mir stellvertretend für mich verzeihen, das ist sehr schön.
die katze vermittelt dir geborgenheit, ohne etwas dafür zu fordern. das ist etwas, was keine zwischenmenschliche beziehung kann. ich finde deine emotionen daher nicht überzogen. es ist ein geschenk und wenn man nicht gewohnt ist, solche geschenke zu bekommen, ist es nicht selbstverständlich, sie anzunehmen.
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