Samstag, 9. November 2013
"Hier"-
"Mit wem bist du da?" Meine Großcousine schaut mich mit großen runden Augen an. Der Freund einer Cousine steht neben mir und lacht gehässig. "Allein ist sie. Mit niemandem da". Während die Kleine mit ihren 10 Jahren kontert "ja aber du..." (denn der Typ ist heute ohne meine Cousine auf der Familienfeier, so lange kenne wir ihn schon), sitzt sein Satz wie eine Faust in meinem Magen.

Ich gehe alle anwesenden Familienmitglieder und Freunde durch. Keiner über 10 ist hier solo.

Mir ist zum Heulen. Verkrieche mich ins Treppenhaus und tippe das. Fühle mich einsam, wie der letzte Dreck. Nicht wie jemand, der einen andren braucht um sich zu erkennen. Sondern wie eine Wölfin, die seit Jahren allein Reviere durchstreunt, hier und dort schnuppert um freundlich Hallo zu sagen, die kalte Schulter zeigt oder in die Kehle gebissen wird.

Man gewöhnt sich daran. Obwohl man es nicht möchte. Tbc.

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Eigentlich fängt es anders an. Die Kleine fragt: "Woher hast du deine Kette?" "Ach", antworte ich, "von einem alten Ex-Freund." Und ich denke an den Traum von vor ein paar Tagen. In dem ich zum ersten mal seit Jahren eine sehr intensive Begegnung mit eben jenem Mann hatte, meiner großen Liebe, wenn es sowas denn gibt. Der Traum hat mich dazu veranlasst, die Kette von ihrer Patina zu befreien, unter der sie seit Jahren verkümmert. Und man soll doch Silber auf der Haut tragen, damit es wieder glänzt...

Der Großcousin startet einen Rateversuch. "Wie, von einem Ex Ex Ex Ex Ex Ex..." ich weiß nicht, wie viele Ex noch kamen. "Ja, so ungefähr", meine ich. "Ey pass mal auf was du vor der Kleinen sagst". Ich schaue ratlos. "Na von wegen, über deinen Verschleiß hier zu reden." Ich bin sprachlos. Und getroffen. Es folgt obenstehendes Gespräch.

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Wieder im Wohnzimmer. Mir gegenüber sitzt mein Crystal-Cousin mit seiner "neuen" Freundin. Der, der bei der Beerdigung meiner Oma die Bankkarte geklaut und Geld abgehoben hat. Er ist glücklich inzwischen. In seiner Zweisamkeit. Hat seinen Halt gefunden. Kommt klar. Ihm geht es gut. Sogar ihm. Zur Begrüßung drückt er mich sehr lange. Vor meinen Augen blitzt sein nackter Körper an meinem auf, seine Lippen auf meinen. Für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich diese verbotene Lust und unseren Rausch von damals.

Mein Onkel, sein Vater, ein ganz cooler Typ, mit dem ich mich prima verstehe, der aber eigentlich nicht viel von mir in der Tiefe weiß, meint: "Hast du schon mal darüber nachgedacht, für eine Zeit ins Kloster zu gehen?" Ich lache bitter. "Ja, öfters." Sehe ich eigentlich so scheiße aus?! "Ja also.. ich meine nur.." er wendet seinen Blick verlegen ab, lässt ihn über den Fußboden schweifen. Das Wohnzimmer ist gestopft voll, die Luft ist stickig. Der Raum fühlt sich kleiner und immer kleiner an. Ich will atmen. Hallo.. hey.. ich will atmen.. bitte gebt mir einen Schluck Bier.. mein Hals... er fährt fort: "das würde dir vielleicht ganz gut tun. Mal runterkommen. Und so." Ich bin sehr irritiert. Wirke ich wie jemand, der mal runterkommen müsste? Ich lebe in der ständigen Unterforderung. Im .. vielleicht auch einfach im falschen Leben. "Weißt du", sage ich, "der A. [mein Bruder] bräuchte das eher, der ist nur am Rotieren. Der hat viel mehr um die Ohren. Und das nächste Problem ist: wenn ich mal dort bin, ich glaub, ich käme nicht zurück." Warum zum Teufel sage ich das alles? Es ist als würde ich an der Decke des Wohnzimmers schweben, oder vielmehr: kleben. "Ja", antwortet er, "das kann ich mir bei dir gut vorstellen."

Diese Antwort überrascht mich mehr als jede andere denkbare. Und ich weiß nicht, was er damit meint. Um uns rum so viele Stimmen. Und meine Brust wird immer enger. Ich muss raus, in die Küche. Da soll es Gulaschsuppe geben.

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Mir fällt ein, wie ich Freunden erzähle, dass ich gerne Drehbücher schreiben würde, nur aus Scheiß, für dieses Kurzfilmfestival, das alle paar Monate stattfindet. Und dass ich dann natürlich auch Schauspieler bräuchte. Wie sie antworten, dass sie das toll fänden und sofort dabei wären, denn ich wäre ja so unglaublich lustig, und dass sie immer soviel zu lachen hätten, wenn sie Zeit mit mir verbringen. Und ich frage mich, bin ich denn die Traurige, oder die Lustige? Oder two in one, sehr intensiv aber irgendwie anscheinend unvereinbar? Und wie ich antworte, dass ich da vermutlich eher Drama kann, depressiv und traurig. Und wie sie sagen: na, auch ok. Und wie schräg ich das alles finde, diese Lustigkeit, und wie mich Leute sehen. Wie ich mich anscheinend gebe. Manchmal. Oder wer was wann wo in wem sieht.

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In der Küche steht Rosi. Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich mit mir redet, oder ob sie es jedem anderem auch erzählt hätte. Rosi ist eine Freundin der Tante, die heute ihren 60. feiert. Rosi ist ein bissschen.. vermutlich würden viele sagen, "assozial"... sie verbrachte viel Zeit in Kneipen, mit den falschen Männern, hat kein Gebiss und ein verlebtes Gesicht, aber vermutlich ein Herz aus Gold.

"Wie geht es dir? Also so psychisch auch alles ok? Weißt du... man lebt so. Und bastelt sich so sein Konstrukt. Auch merkwürdige Gedanken und so. Weißt du? Die findet man nicht komisch, bis andere sagen: heeey... jetzt.. pass mal ein bisschen auf, hm? Du wirst irgendwie komisch."

Sie macht mir Angst, ganz plötzlich habe ich Angst und ich will nicht hören was sie weiter sagt weil ich Angst habe dass ich eine Rosi Anfang 30 bin, aber sie redet weiter: "Und man denkt sich: nein. Nein, nicht! Aber... Man ändert es nicht. Man lebt einfach weiter. Und irgendwann gewöhnt man sich daran, weil man es immer so gemacht hat. Man macht einfach weiter. Und manchmal sagt man tatsächlich auch zu manchen: nein. Nicht." Ich schöpfe mir Suppe auf den Teller und trinke dann aus meiner Bierflasche. "Aber trotzdem ändert sich nichts." "Das muss man ändern", sage ich. "Ja", sagt sie, "am besten man fängt heute an. Besser heute als morgen. Einfach nein. Sonst.. ist es einfach so, weil man es immer so gemacht hat."

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Ich esse die Suppe im stickigen Wohnzimmer. Wie fröhlich alle sind. Die Glasglocke vom vorletzten Weihnachten. Da ist sie wieder. Wie eine alte unwillkommene Freindin. "Hot and spicy", antworte ich dem Freund meiner USA-Cousine auf die Frage, wie die Suppe ist. Wir sind eine sehr große Familie. Und es ist das erste mal dass ich mir völlig fehl im Platz vorkomme. Ich gehe aufs Klo, dränge den Kloß im Hals nach unten. Nicht flennen jetzt, du blöde Kuh. Aber den Augen ist es egal. Sie sind knallrot und füllen sich immer wieder mit Wasser. Die Scheißteile. Ich atme wie im Hechelkurs. Es hilft nichts. Ich kann nicht mehr zurück, schleiche mich in das Kinderzimmer zu meinem Mantel und meinen Stiefeln, ziehe mich an, schreibe meinem Bruder, der im Wohnzimmer sitzt, eine SMS, dass ich raus muss und schon Richtung Papa gehe.

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Sterne. So viele Sterne. Es überwemmt meinen Hals, würgt sich hoch auf die Zunge, und bahnt sich als kehliges Schluchzen den Weg in diese eiskalte klare Nacht. Schritt für Schritt. Über Kilometer hinweg. Mein Bruder ruft an. Er hält neben mir. Ich sage, ich will weiterlaufen. Es ist ok. Ich wünschte, jemand würde heimlich aussteigen und hinter mir gehen. Aber wir sind hier schließlich nicht im Film. Die Augen schwellen zu, und die Sterne fragen sich, was wir hier wollen, wir Nichts, und mir fällt ein, dass ich schon mit 16 hinter dem Fernverkehr stand, betrunken von Wodka Lemon, und die Sterne anflehte: holt mich nach Hause!

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Ich bin so müde. Und so verloren. Am liebsten würde ich mich selbst einweisen.

Mich hält hier nichts. Was auch immer "hier" ist.

 
Och, Mädchen!
Schade, dass es Dir nicht gut geht.
Kannst Du das nicht machen, das mit dem Kloster?
Einfach so, für ein paar Wochen?
http://www.orden.de/?rubrik=5&seite=klaz_index

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@croco: grundsätzlich ginge das natürlich schon, und ich würde das auch sehr gerne tun. leider scheitert es aktuell primär am finanziellen. und am resturlaub. oder nein. vielleicht viel mehr an der angst, dass das auch nicht reicht, also das kloster, meine ich. dass das wieder so ein versuch ist, den ich dann auch gemacht habe, und dann ist eine woche alles ok, aber im prinzip bin ich so schlau wie vorher, mit dem gefühl, dass einfach irgendetwas grundlegend nicht passt, und ich keine ahnung habe, was die alternative zum derzeitigen beruf/leben sein könnte.

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Ich habe das alles erst jetzt gelesen.

Es ist so schwierig, damit umzugehen, wie einen andere sehen. Ich dachte wirklich beim Lesen, dass ich froh bin, eine sehr kleine Familie zu haben, zwei Onkels, eine Tante, eine Cousine, Schluss. Die meisten mir wohlgesonnen, manche distanziert. Es ist gut so.

Wenn man sich aber immer wieder reiben muss an diesen gelebten Normen und den karierten Blicken, die sie für einen übrig haben, wenn man anders ist, dann schmerzt das. Ich kenne das gut, solche Erfahrungen mache ich gemeinhin mit meiner Schwester, die auch ein enormes Talent hat, meine vermeintlichen Makel aufzuspüren und herauszustellen - am liebsten vor Publikum.

Ob Du ins Kloster gehst, ob Du dort hin willst oder dort hingehörst, entscheidest Du alleine. Den Fluchtimpuls vor dieser geballten Ladung Anforderung finde ich nachvollziehbar, und Du hast es gut gemacht, dass Du gegangen bist.

Zwischen all dem Gelärme ist es schwierig, zu verstehen, wer man selbst eigentlich ist. Man hört sich ja nicht, man hört nur die Beurteilungen der anderen und glaubt sie im schlimmsten Fall sogar. Ich wünsche Dir, dass es gelingt, Dich selbst zu finden, ungetrübt von den Ansichten anderer. Dass Du eine jüngere Rosi bist, ist indes schwer vorstellbar für mich.

Umarmt.

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@sturmfrau: über den kommentar denke ich nun schon seit gestern nach. tatsächlich ist es so, dass ich meine große familie mag - es fällt nur so sehr auf, dass wirklich alle in beziehungen sind - und ich halt tatsächlich so gut wie nie.

auch glaube ich, dass es gar keine erwartungshaltung oder anforderungen gibt, von den meisten. dieser typ ist der freund einer cousine und hat keine ahnung wer oder was ich bin. trotzdem hat er voll reingetroffen.

ich fühle mich selbst immer wieder außenseiter, das war auch schon immer so. und das liegt an der unsicherheit, die ich eben schon immer mit mir trage. und die trage ich dann auch dahin. und das verunsichert andere. aber... nein, ich glaube nicht, dass dort jemand etwas von mir erwartet. ich traue mich nur glaub ich gar nicht, mich wirklich zu zeigen.

in dieser familie läuft so viel unkonventionelles. allein schon der kartenklau-und-drogen-cousin. und auch der wird von uns allen liebevoll aufgenommen, weil wir uns freuen, dass er sich wieder zu den festen traut, und dass es ihm besser geht. und auch der rest... in dieser familie hat jeder so seine macken, und keiner wird deswegen blöd angemacht.

vielleicht war ich auch einfach nur schon extrem dünnhäutig. denn.. ja. ich glaube es sind nicht die erwartungen anderer, die mich so quälen. sondern es sind meine eigenen. ich wünsche mir so sehr, das alles zu haben. einen tollen mann und kinder und all das. für mich ist das phantasialand - für viele andere ist es (sicher auch mit höhen und tiefen) aber realität. ich will das auch. und kann es anscheinend einfach nicht. daran drohe ich zu zerbrechen, wenn ich keinen weg finde.

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Ich sollte mich mit Interpretationen zurückhalten. Ich merke, dass die Tatsache, ähnliche Empfindungen zu haben, nicht zwangsläufig voraussetzt, auch ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben. Das meine ich ironiefrei. Es geht um Dich, nicht um mich. Ich möchte mich dafür aufrichtig entschuldigen.

Mit Erwartungen meinte ich nicht allein das, was als Forderung an einen gerichtet wird, oder nur die irritierten Blicke der Menschen, wenn man selbst anders ist. Ich meine auch die unausgesprochenen, nonverbalen Erwartungen, die von keiner konkreten Person ausgehen, sondern eher so im Raum wabern und mal mehr, mal weniger nach einem greifen.

Sich Mann und Kinder zu wünschen ist nicht so abwegig. Aber kann es nicht auch sein, dass sich so ein Wunsch verselbständigt und ein Eigenleben führt und man letztlich nur noch die Defizite spürt?

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@sturmfrau: nein, bitte nicht! ich finde das immer ganz gut, es regt mich zum nachdenken an.

Wegen Mann und Kindern: es geht mir vermutlich gar nicht so sehr um Kinder, als darum endlich mal einen Partner zu haben, mit dem man das Leben und Erleben teilen kann. Ja, vielleicht führt dieser Wunsch ein Eigenleben. Ich weiß es nicht. Woran merke ich so etwas, was genau meinst du damit? Ich stelle fest, dass ich diesen Wunsch ganz weit wegpacke, damit ich nicht ständig drüber nachdenke. Vielleicht war ich auch vor dem verheirateten Mann tatsächlich gerne allein, aber ich traue dieser Wahrnehmung nicht mehr. Derzeit spüre ich das defizit sehr, vielleicht weil ich feststelle dass es immer mehr Inseln um mich rum gibt, auf denen eben alle ihre eigenen Familien bauen. Und ich habe immer mehr das Gefühl, alleine zu treiben in Gewässern, die mich regelmäßig überfordern. Je mehr sich das Umfeld ihren Beziehungen widmet, desto mehr wird mir natürlich klar, dass ich keine habe. Und desto mehr fehlen mir auch Freunde. Und dann fange ich das Hinterfragen an. Die Menschen, nach denen ich mich sehr sehne, sind leider alle nicht hier. Vielleicht sehne ich mich aber auch immer nach dem, was gerade nicht da ist, weil ich somit auch die Illusion habe, dass es mit diesen Menschen im direkten Umfeld sicher anders wäre. Wahrscheinlich läuft letztendlich alles auf mich selbst hinaus. Aber ich weiß es nicht. Ich weiß zur Zeit verdammt wenig.

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Im Grunde meinte ich genau das: Dass man die eigenen Defizite insbesondere dann bemerkt, wenn sie dem vermeintlich reichen Leben der anderen gegenüberstehen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass deren Leben auch gar nicht so reich ist. Ich weiß, dass man auch in einer Beziehung sehr, sehr allein sein kann - aus verschiedenen Gründen. Aber auch, wenn sie glücklich sein sollten, führt das genaue Beobachten dieses Glücks dazu, dass man sich halt fragt: "Warum alle anderen, nur ich nicht?" Ich glaube, damit tut man sich dann vor allem selbst weh, kommt aber nicht unbedingt an den Kern der Sache.

Andererseits verstehe ich es gut, wenn man sich jemanden wünscht, mit dem man das Leben, so wie es ist, teilen kann. Ich meine, ich habe ja auch gut reden, wir hatten am 18. unseren achten Hochzeitstag. Aber ich stelle halt auch fest, dass allein die Tatsache, dass man jemanden hat, noch nicht bedeutet, dass man sich immer auch anvertraut - das war so eines meiner größten Probleme. Bisweilen ist es das immer noch. Und manchmal bleibt man allein, trotzdem, und gerade dann, wenn es hart auf hart kommt. Weil man so schwer in Worte fassen und so schwer verstehen kann, wie es sich in den tiefsten Niederungen des Ich wirklich anfühlt.

Ich hatte erst vor ein paar Tagen einen wirklich herben Rückschlag, was die Depression angeht, und stand plötzlich in der Welt wie ein kleines Kind, inklusive Soziophobie und Angst vor allem und fühlte mich sehr allein, auch wenn der Gatte sich alle Mühe gegeben hat, mir sein Verstehen zu vermitteln. Ich weiß nicht, ob das jemals aufhört. Ich habe mich jedenfalls ganz schön erschreckt vor mir. Andererseits weiß ich natürlich nicht, wie es sich ganz ohne ihn angefühlt hätte. Vielleicht hat er mit seiner puren Anwesenheit einen Fall gedämpft, der sonst noch tiefer gewesen wäre.

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@sturmfrau: da sagst du was. Ich vergesse gerne, dass das gesehene Glück oft nicht das ist, was wirklich passiert, und auch, dass man sich auch in Beziehungen alleine fühlen kann. Auch wenn ich weiß, dass ein Partner nicht der Allheilsbringer sein wird, so würde ich es wohl doch gerne glauben. Ich habe mal zu meinem Therapeuten gesagt, dass ich blöderweise an dem Haben einer Beziehung festmache, ob ich "gesünder" bin als vor den ganzen Therapien. Das Wort "geheilt" wollte ich nun bewusst nicht verwenden wegen der wichtigen Diskussion um das Wort an anderer Stelle, aber ich glaube, ich verwendete tatsächlich dieses Wort dem Thera gegenüber. Das ist natürlich dämlich, denn somit betrachte ich mich ohne Partner immer als "mit Makel", "ungeheilt", "krank", "anders", "nicht normal". Das tue ich meistens auch nicht bewusst, und sicher auch nicht die ganze Zeit - nur eben in denen, in denen mir mein Alleinsein sehr bewusst (und vor Augen geführt) wird.
(Ähnlich verhält es sich mit dem Wunsch, einen Partner zu haben, i.S.v.: so lange ich mir diese Zweisamkeit tatsächlich wünsche, ist das irgendwie auch nicht normal, denn man muss doch heutzutage als Frau auch ohne Mann glücklich werden --> das ist natürlich ein krasser Zwispalt, fällt mir gerade beim Schreiben auf: es sich nicht wünschen wollen weil nicht dürfen, und andererseits an dem, was man sich nicht wünschen will, die "Genesung" festmachen. Ein gordischer Knoten.)

Es tut mir weh zu hören, dass du einen solchen Rückschlag hattest. Das erschreckenste an diesen Phasen finde ich die Plötzlichkeit, mit der sie (zumindest bei mir, aber es liest sich, als wäre es bei dir ähnlich) ganz unvermittelt daher kommen. Die Depression schleicht sich ja nicht plötzlich an. Nein, sie steht - surprihiiiise - hinter einem und packt einen mit gewaltigen Klauen, die einem den Hals zuschnüren. Und auch wenn man vielleicht WEISS, dass das wahrscheinlich nur eine Phase ist, in der man sich nun eben den Gedanken stellen muss und in denen man zu seinem Notfallköfferchen greift - FÜHLEN tue ich das nicht.

Ich hoffe, es geht dir inzwischen besser. Ganz viele Gedanken und eine große Drückung an dich!

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Ja, danke, es geht inzwischen wirklich wieder ganz gut. Ich schätze, das Selbstbewusstsein hat in der letzten Zeit auch ein bisschen gelitten wegen der beruflichen Unwägbarkeiten. Mir ist im Zuge dieser Sache auch so einiges klargeworden, und das ist trotz allem Herumgewurschtel eben doch einer der wichtigen (positiv will ich nicht sagen) Effekte dieser ganzen Depression: Sie winkt mit Zaunpfählen bezüglich dessen, was nicht richtig läuft.

Wenn der Gatte und ich in unserer Beziehung rückwärtsschauen, dann sehen wir oft, wie sehr wir uns beide entwickelt haben. Ich empfinde das als großes Glück, dass das miteinander ging, denn viele Partnerschaften zerbrechen, wenn sich die Menschen entwickeln. Und andererseits kommt man ja nicht fertig in eine Partnerschaft, in dem Sinne, wie Du es als "geheilt" beschreibst. Mir ist aufgefallen, dass ich mich insbesondere bei den Menschen, die mir was bedeuten, sehr an meinen wunden Punkten abarbeite. Ginge es nicht um so viel, dann würde es auch nicht weh tun. Und das ist eben auch so ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Mich wundert es nicht, dass Du im Bezug auf Partnerschaft Haken schlägst. Näher kann man halt einem Menschen kaum kommen als in Partner- und Freundschaft, und da packt einen halt auch manchmal die Angst - einerseits wünscht man sich das, andererseits ist nah eben auch manchmal gleichbedeutend mit schmerzhaft und gefährlich. Ich kann zum Beispiel letzten Endes nicht sagen, ob meine Beziehung zum Gemahl bestünde, wenn wir nicht in den ersten Jahren eine Fernbeziehung gelebt hätten, die uns beide davor bewahrt hat, einander zu nah zu kommen. Oder wenn ich nicht hätte spüren können, dass er trotz seines ausdrücklichen Interesses an mir mir nicht auf die Pelle rückt.

Bei irgendwem wird es sich richtig anfühlen, das Risiko von Nähe einzugehen. Und ich glaube, das wirst Du auch bemerken.

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... über deinen Verschleiß hier zu reden. Gehts noch?? Das ist derart untergriffig. Und selbst, wenn es so ist - ist das immer noch Dein Leben und fertig.

Zum allein Wohingehen gehört ganz viel. Es ist viel viel einfacher, sich an jemanden zu hängen - für Jahre, nur um nicht allein wo zu sein, "und sich erklären zu müssen" - wieso sollte mensch das auch??
Muß doch auch reichen, wenn man einfach da ist. Man selbst. Aus. Ohne Anhänsel.
Ich finde das ganz arg schräg, was da abgelaufen ist.
Und ein bisserl gruselts mir vor der kleinen Familienverplanung. Da muß man auch jeden Kack rechtfertigen und kann (weil am Arsch der Welt und davon abhängig, daß man wieder zu einem Zug gebracht wird) leider auch nicht sagen "will ich nicht hören" und "kehr vor deiner Tür", "Geschichte kauen wir jetzt zum 400. Mal durch".

Lass Dich von diesen Menschen nicht runterziehen und/ oder fertig machen. Du lebst Dein Leben und weder sie Deins, noch mußt Du ihr Leben leben.

Ich weiß jetzt nicht, in welchem Ton Dein Onkel das gesagt hat - aktuell liest es sich für mich eher fürsorglich.


Ich denk mal, Du hättest Deinem Bruder sagen können - ich laufen, aber es wäre schön/gut/toll, wenn Du einfach mit Abstand hinter mir bleibst. Ich denk mal, der hätte das verstanden.

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@sid: Ja, das war wirklich schwer daneben. Ich war sehr erschrocken und deswegen auch sprachlos. Bisher hatte ich mich mit dem Typen immer gut verstanden und sehr lustige Zeiten auf Familienfesten. Es ist, als wähnte man sich in sicherem Terrain, und erwischt dann eine Tretmine. Wahrscheinlich ist das der Punkt, warum es mich so dermaßen erschüttert und getroffen hat. In diesem Umfeld habe ich mit so etwas als allerletztes gerechnet.

Wegen dem allein Wohingehen: Oh ja! Und ich würde mich so gerne mal einfach an jemanden ranhängen. Auch im Alltag.

Mein Onkel sagte das eher fürsorglich, ja, das stimmt. Es klang überhaupt nicht gehässig oder boshaft. Ich denke, er fand das wirklich eine gute Idee für mich, aber es war so... ich weiß nicht. Ich habe unterm Strich das Gefühl bekommen, eben ein Fall für die Seelsorge sein - und das stimmt ja irgendwie auch. Aber es kotzt mich an, dass es immer und immer wieder bzw. immer noch so ist, und ich frage mich, wie lange das noch so gehen soll.

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