Freitag, 23. Februar 2018
Gelöscht.
Quinten scheint meine Nummer aus seinem Handy gelöscht zu haben. Zumindest aus seinem Zweithandy, ich glaube sein Ersthandy hat er verloren, dafür gibt es Indizien, die jetzt hier aber scheißegal sind.

Ja. Das tut weh, so weh dass ich ziemlich weine. Ich habe das gesehen weil ich manchmal durch meine Whats-app-Chats scrolle um zu kucken welche Bilder die Menschen im Profil neu hochgeladen haben. Bei diesem Chat war plötzlich gar kein Bild mehr. Auch kein Platzhalter. Ebenso wie es ist, wenn man gelöscht wurde aus dem Adressbuch, weil der andere eingestellt hat, dass nur eingespeicherte Kontakte das Profilbild sehen dürfen.

Wir hatten nur einen Chat über dieses Handy, am 8. Juli 2017.

"Hallo Okavanga, hier ist Quinten :) du kommst nicht zufällig mit dem zug um 11 nach?"
"Doch hatte dir grad an die andere Nummer geschrieben"
"ah, okay :-D pefekt"
"Interessant. Hab auch zwei Nummern."
"soso :-D dann hab ich ja Glück gehabt, dass du es nicht so gemacht hast wie ich :-D"
"Ich hab da ein gewisses Grad an Naivität einfach noch nicht aufgegeben"
"Kaugummi :-D"
"Hab ich keinen?"
"Die Zeit zieht sich grade wie Kaugummi :-D
Aber ich seh den Zug schon"


Dann kam ich an, und er saß da, mit seinen rotblonden dichten Wuschelhaaren, 3-4-Tage-Bart, in einem etwas verwaschenen T-Shirt mit breiten bunten Querstreifen, mit leicht getönter Sonnenbrille mit dünnem Metallrand. Es war der Tag, an dem wir das 9-Stunden-Date hatten, von dem ich leider nie im Detail geschrieben habe. Das hole ich nun nach, denn dann ist das was gerade in mir ist zumindest mal draußen und ich kann mich vielleicht wieder aufs Lernen konzentrieren.

Wir sind von dem Pfälzer Bahnhof aus über verwinkelte Schleichwege an meinen Lieblingsbadesee gefahren, der auch einer seiner Liebingsseen ist. Ich hatte mir extra ein neues hellblaues Leinenkleid gekauft. Das bereute ich, denn es hatte über 33 Grad, der Stoff war etwas dicker, und ich klitschnass. Dennoch sah ich glaube ich sehr süß aus.

Es war komisch sich vor ihm auszuziehen und direkt im Bikini dazustehen, den ich mir ebenfalls neu gekauft hatte. Das bereute ich nicht, denn ich fühlte mich sehr sexy darin, und das war auch gut so, denn mit 37 gegenüber einem 29-jährigen.. naja.

Er hatte zwei Bier-Mixgetränke mitgebracht. Die tranken wir, wir lachten und blätterten durch ein Philosophie-Magazin. Irgendwann schwammen wir zur gegenüberliegenden Seite, auf der ein hoher ... tja was ist das überhaupt? Sandkies? Kiessand? Jedenfalls sind da hohe Berge, und auf die darf man eigentlich nicht drauf. Wir sind trotzdem hochgekletter, saßen oben und schauten um uns herum und uns wenig an, weil ich so verlegen war, irgendwie.

Wir schammen zurück, trockneten und radelten weiter. Er zeigte mir auf einer relativ langen Strecke seine ganzen Lieblingsplätze: einen weiteren See, eine gute Eisdiele, einen Griechen an der Stelle, wo er mit Kanu ins Wasser geht. Dann noch einen See, den kanne ich allerdings schon, auch die Lokalität, bei der wir ein Bier tranken. Die Zeit verging wie im Flug. Er meinte irgendwann, dass er eigentlich noch mit Freunden auf einem Weinfest verabredet sei, und vielleicht wäre das der Punkt gewesen, an dem ich das ganze hätte für den Tag beenden sollen.

Stattdessen gingen wir noch einmal schwimmen, weil es so eine Gluthitze war. Irgendwann war ich beschwippst und die Sonne ging unter. Wir kamen auf dem Rückweg nochmal an meinem Lieblingsbadesee vorbei. Von ganz weit vorne trug das Wasser leise Elektro-Klänge zu uns rüber. Wir waren ganz allein am Ufer, nur Schilf, wir, und der Vollmond. Es war unglaublich kitschig. Wir zogen uns aus, vollkommen nackt, und gingen ins Wasser. Das wäre der romantischste Moment meines Lebens gewesen, aber wir kamen uns nicht nahe, schwammen um uns herum. Ich traute mich nicht. Konnte überhaupt nicht einschätzen nach dem Tag, ob er mich wirklich gut fand. Was für ein Spiegel für unsere Beziehung.

Als wir wieder aus dem Wasser stiegen, fluchte er, ich würde meine letzte Bahn nach Mann*heim verpassen. Wir radelten wie die Besessenen und schafften es noch. "Du könntest sonst auch bei meinen Eltern mit schlafen [AdR.: die wohnten in der Nähe und dort campierte er, wenn er in der Ecke unterwegs war. Er selbst wohnte in Lan*dau] - aber das fände ich doch ein bisschen früh." Ja, das fand ich auch.

Ich hätte auf Wolken schweben können nach diesem Tag. Stattdessen quälte ich mich mit Zweifeln und der Frage, ob er noch zum Weinfest gefahren sei, mitten in der Nacht. Er verneinte das später, aber ich hatte sein Tin*der Profil gestalked und da stand der Kilometerabstand nach Lan*dau. Das muss gar nichts heißen, weiß der Kuckuck wie dieser Radarscheiss mit Sendemastern funktioniert, sagt aber alles über mein Vertrauen und die Problematik an der ganzen Geschichte.

Einige Wochen später erzählte er mir, dass er einen Tag vorher die komplette Strecke mit Motorrad abgefahren sei und Strecken und Orte hin- und herüberlegt hat, weil er wollte dass alles perfekt ist.

Manchmal frag ich mich, ab welchem Punkt genau und warum das eigentlich alles so dermaßen scheisse gelaufen ist. Warum ich mich nicht entspannen und einfach darauf einlassen konnte als das, was es für den Moment war.

Und ich frage mich, warum mir dieser Mann so schnell so sehr ans Herz ging.

Zu spät, zu spät. Vorbei. Gelöscht.

 
Hach Schnucki, manche Menschen gehen uns einfach massiv tief unter die Haut. Und andre auch nach langer Zeit just am Arsch vorbei nicht.

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@sid: ja... so ist das wohl.. bin so froh dass es hier dann wenigstens einen Platz findet und bei euch gut aufgehoben ist. :-*

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Ich weiß so gut, wie sich das anfühlt. Von null auf hundert und genau so schnell wieder zurück. Das ratlose Zurückbleiben und sich den Kopf zermartern. Und dennoch: Du hast keine Schuld. Und dass Du Dich am Ende beschützt hast, war genau richtig.

(Bin Dir noch ein Gedicht schuldig, warte nur noch darauf, dass mich die Muse küsst.)

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@mascha: ja, genau so. Von hundert auf null durch ungebremst gegen die Betonwand. Oder vielleicht sogar vorher noch ein bisschen mit den Gas gespielt. Totalschaden gehabt, Doc besucht, wieder zusammengeflickt und weitergelebt. Nur von Zeit zu Zeit, wenn der Wind ungünstig steht, ziehts und zerrts und tut ein bisschen weh.

Ja, es war richtig so. Was mich vielleicht mit so traurig macht ist die Hoffnung irgendwann noch einmal so ein schönes Verliebheitsgefühl zu haben, dann aber nicht so sehr überschattet von Ängten und Zweifeln. Vielleicht liegt sowas bei mir aber auch einfach immer zu nah beinander. Keine Ahnung.

(Lass dir alle Zeit, ich freu mich, egal wann. :-)
Schön dass du das bist. Wollte eigentlich damals noch deinen Beitrag, den du wieder offline genommen hast, kommentieren. Aber dann war ich zu spät. Jedenfalls: da weiß ich auch, wie sich so was anfühlt, und fand deine Reaktion sehr nachvollziehbar.)

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Da sprichst Du mir mal wieder aus der Seele.

(Oh, mir war gar nicht bewusst, dass der Beitrag schon entdeckt/gelesen worden war. Er war nur kurz online. Nicht wegen des Inhalts, eher weil ich immer so ein ambivalentes Gefühl dabei habe, das Blog wieder zu reanimieren. Vielleicht weil ich genau vor diesem Ziehen und Zerren, das dort aufflackern könnte, Angst habe.)

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