Dienstag, 24. September 2024
okavanga, 23:17h
Heute das letzte Gespräch für ein Insitut gehabt. Mein Favorit war/ist(?)das. Das war sehr aufwühlend. Es wurde etwas angesprochen, worüber ich mir bisher keine Gedanken gemacht hatte. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Punkt, und ich bin dankbar, dass das so offen angesprochen wurde. Vielleicht schreibe ich morgen mehr dazu. Ich bin etwas verwirrt. Schon seit mehreren Tagen habe ich das Gefühl, ich stehe total neben mir, alles ist wie ein Traum, und nicht unbedingt einer, der sich gut anfühlt.
Sonntag, 15. September 2024
okavanga, 23:31h
Ich verliere meine Mutter, immer mehr. Als wäre das noch mehr möglich gewesen, denkt man vielleicht, aber ja. Sukzessive dem Abgrund entgegen. Dem nächsten, einem anderen, irgendwann, wie wir alle, dem endgültigen. Das, was ich höre über sie, es bricht mir das Herz. Das Telefonat, das ich mit ihr vor Island hatte, es bricht mir das Herz. So ganz langsam kann ich inzwischen manchmal denken an das, was sich bald jährt. Ich habe gerade mal nachgesehen, was ich damals in der Zeit hier geschrieben habe. Leider nicht viel. Ich wünschte, ich hätte mehr geschrieben, weiß aber, dass ich gar keine Worte dafür hatte. Die habe ich bis heute nicht. Aber die Bilder aus der Zeit, die sprechen für mich Bände, sie sprechen zu mir und erzählen mir von Verzweiflung, Trauer und, ja. Und von gebrochenem Herzen. Bis heute habe ich eine Audioaufnahme vom "letzten" Abend mit meiner Mutter. Anhören kann ich sie mir vermutlich nie. Und ich erinner mich, wie befremdet mein Bruder war, als ich erzählte, dass ich es aufnahm. Aber es war, wie um mir selbst zu beweisen: das hat stattgefunden. Ich kann kaum glauben, dass es diesen Abend gab, und den Tag danach und die Wochen davor. Und die Wochen danach. All das, was letztes Jahr war, ich habe eben grob durchgeklickt von Dezember an rückwärts, es fühlt sich an als lägen Jahre dazwischen. Mit mir hat diese Zeit sehr viel gemacht. Ich weiß nicht, ob ich es Reife nennen würde, aber das ist der erste Begriff, der mir einfällt, und manchmal fühle ich mich zu alt. Als wäre es einfach zuviel in zu wenig Leben gewesen.
Montag, 9. September 2024
Nur heute.
okavanga, 14:57h
Naja, war wohl bisschen viel Adrenalin und Endorphin in den letzten Wochen. Kleine Bruchlandung gehabt, es ist alles auch etwas viel. Masterarbeit, Institutsgespräche und leidiges Abwägen der praktischen Vor- und Nachteile sowie von Bauchgefühl, die Krankenkasse will Dinge, Antrag auf Reha, Widerspruch bzgl. meines Arbeitszeugnisses eingereicht (ich bete, dass das nicht bis zum Anwalt laufen muss, aber ich gehe leider davon aus), Steuer, eigentlich Bewerbungen für feste Anstellung ab Januar/Febuar, perspektivisch wird ab dann auch meine Wohnung vermietet - darüber, was damit einhergeht, darf ich noch gar nicht nachdenken. Ich fühle mich überfordert. Es steht soviel an und ich komme so langsam vom Fleck. Aber ja.. Schritt für Schritt, oder so, oder auch: nur heute. Nur heute.
Freitag, 30. August 2024
Fliegen
okavanga, 00:37h
durch heiße Tage und laue Nächte. Die Mittagszeit mit V. verbracht, er holte sein Auto, ich lud ihn zum Essen ein. Am Nachmittag einen Geburtstagsumtrunk in den Arkaden am Wasserturm genossen. Ich kannte nur das Geburtstagskind, die anderen 4 Frauen lernte ich neugierig kennen. Fliegender Wechsel zum Neckarstrand, um den Abend mit der Yogalehrerin ausklingen zu lassen (also ohne Yoga, aber sie heißt hier nun so). Geschriebene Sätze für die Seminararbeit: 2.
Ich will das auf Leben aufsaugen. Als würde ich auch das nachholen wollen, das ich erst aufgrund von Depressionen und dann aufgrund der Doppelbelastung durch Arbeit und Studium versäumt habe.
Neulich erzählte ich Meister Yoda von meinen Erlebnissen der letzten Wochen und Monate. "Wo ich bin, ists schön!" spiegelte er mir, was er hörte. Über den Satz muss ich seitdem immer wieder nachdenken. Ja, so fühle ich das momentan. Wie schön das ist! Und wie frei es macht.
~ Autodeep feat. Bajka - Freedom Dove (Ripperton Remix)
Ich will das auf Leben aufsaugen. Als würde ich auch das nachholen wollen, das ich erst aufgrund von Depressionen und dann aufgrund der Doppelbelastung durch Arbeit und Studium versäumt habe.
Neulich erzählte ich Meister Yoda von meinen Erlebnissen der letzten Wochen und Monate. "Wo ich bin, ists schön!" spiegelte er mir, was er hörte. Über den Satz muss ich seitdem immer wieder nachdenken. Ja, so fühle ich das momentan. Wie schön das ist! Und wie frei es macht.
~ Autodeep feat. Bajka - Freedom Dove (Ripperton Remix)
Dienstag, 6. August 2024
okavanga, 23:59h
Mit meiner Mutter telefoniert, das erste mal seit Januar. Manches wirkt so normal, manches so verrückt, sie hat unrealistische Ideen. Und ich glaube, sie hatte getrunken. Sie sagte, die Klinik war traumatisch, sie kann nicht darüber sprechen. Es tut mir leid für sie, dass ihre Patientenverfügung nicht ernst genommen wird, dort ist eigentlich eine andere Klinik im Falle einer Einweisung festgelegt. Hinterlege so etwas bei einem Anwalt, rate ich ihr, und dann kontaktiere den, wenn wieder so etwas ist. Wann sehe ich dich denn endlich wieder, fragt sie, ich vermisse dich so. Ach Mama.
***
Morgen geht es los nach Island. Irgendwie kommt meine Seele momentan nicht hinterher. So viele Reisen, Unternehmungen, Eindrücke, Begegnungen, und dann noch meine aktuelle Lebenssituation. Ich hoffe, ich schaffe es in Island immer wieder einfach nur zu sitzen und warten, bis die Seele ein Stückchen nachgekommen ist.
***
Morgen geht es los nach Island. Irgendwie kommt meine Seele momentan nicht hinterher. So viele Reisen, Unternehmungen, Eindrücke, Begegnungen, und dann noch meine aktuelle Lebenssituation. Ich hoffe, ich schaffe es in Island immer wieder einfach nur zu sitzen und warten, bis die Seele ein Stückchen nachgekommen ist.
Mittwoch, 24. Juli 2024
okavanga, 18:35h
Berufliches Psycho:
Heute das Zweitgespräch für das eine Institut gehabt. Danach bleibt ein gemischtes Gefühl, aufgrund mehrerer Dinge, die aber keinen Einfluss auf meine Entscheidung hätten. Schade, nach dem ersten Gespräch hatte ich so ein klares, gutes Gefühl. Jetzt heißt es abwarten, was hier als nächtes kommt, also: bietet man mir einen Vertrag an? Und wenn ja, bis wann müsste ich unterschreiben?
Ende August habe ich ein Gespräch bei einem anderen Institut. Das werde ich vorerst zusagen, aber es ist meine Prio 3. Es ist so, dass alle Gespräche dreistellig kosten, deswegen hin- und herüberlegt, aber ich denke der persönliche Kontakt ist wichtig, um ein Gespür für das jeweilige Institut zu bekommen.
Heute morgen endlich die letzte Bewerbung weggesendet, für ein Institut, das eigentlich mal meine Nummer 1 war. Vielleicht war die Blockade deswegen so groß, sie wollten allerdings auch die persönlichsten und umfangreichsten Informationen. Die Kosten dort schüchtern mich ein, und noch irgendwas, das ich nicht so richtig greifen kann. Mal sehen, wann und was hier als Antwort kommt.
Kurz durchschnaufen. Dann drängen mental eigentlich auch schon die Bewerbungen für Kliniken. Was tricky ist, denn die wollen sicher wissen, bei welchem Institut ich die Ausbildung mache. Doch diese Bewerbungen müssen sich jetzt sowieso bis nach meinen Urlauben gedulden, und vielleicht weiß ich im September schon mehr dazu.
***
Privates Psycho:
Passend zu der aktuellen Unruhe in meinem Leben heute in der Therapiestunde drei Stunden vor dem Institutgespräch (das hat sicher auch noch nachgewirkt und Einfluss gehabt) eine interessante Perspektive darauf erhalten, warum ich in meinem Leben keine Routine entwickel, und warum ich mich deswegen wahrscheinlich auch gegen den Klassiker mit Ehe, Kindern und "normalem" Berufsweg entschieden habe. Es ging im Kontrolle, und darum, dass ich mir vielleicht immer wieder beweisen will, dass ich die Kontrolle über mein Leben und mich selbst habe, dass ich mich und meinen Verstand nicht verliere, sondern dass ich bei mir selbst bin. Im Klassiker passiert es vermutlich leichter, dass man sich selbst verliert, fremdgesteuert ist. Das macht mir Angst. Aus Gründen, ja, aus sehr gut nachvollziehbaren Gründen.
Heute das Zweitgespräch für das eine Institut gehabt. Danach bleibt ein gemischtes Gefühl, aufgrund mehrerer Dinge, die aber keinen Einfluss auf meine Entscheidung hätten. Schade, nach dem ersten Gespräch hatte ich so ein klares, gutes Gefühl. Jetzt heißt es abwarten, was hier als nächtes kommt, also: bietet man mir einen Vertrag an? Und wenn ja, bis wann müsste ich unterschreiben?
Ende August habe ich ein Gespräch bei einem anderen Institut. Das werde ich vorerst zusagen, aber es ist meine Prio 3. Es ist so, dass alle Gespräche dreistellig kosten, deswegen hin- und herüberlegt, aber ich denke der persönliche Kontakt ist wichtig, um ein Gespür für das jeweilige Institut zu bekommen.
Heute morgen endlich die letzte Bewerbung weggesendet, für ein Institut, das eigentlich mal meine Nummer 1 war. Vielleicht war die Blockade deswegen so groß, sie wollten allerdings auch die persönlichsten und umfangreichsten Informationen. Die Kosten dort schüchtern mich ein, und noch irgendwas, das ich nicht so richtig greifen kann. Mal sehen, wann und was hier als Antwort kommt.
Kurz durchschnaufen. Dann drängen mental eigentlich auch schon die Bewerbungen für Kliniken. Was tricky ist, denn die wollen sicher wissen, bei welchem Institut ich die Ausbildung mache. Doch diese Bewerbungen müssen sich jetzt sowieso bis nach meinen Urlauben gedulden, und vielleicht weiß ich im September schon mehr dazu.
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Privates Psycho:
Passend zu der aktuellen Unruhe in meinem Leben heute in der Therapiestunde drei Stunden vor dem Institutgespräch (das hat sicher auch noch nachgewirkt und Einfluss gehabt) eine interessante Perspektive darauf erhalten, warum ich in meinem Leben keine Routine entwickel, und warum ich mich deswegen wahrscheinlich auch gegen den Klassiker mit Ehe, Kindern und "normalem" Berufsweg entschieden habe. Es ging im Kontrolle, und darum, dass ich mir vielleicht immer wieder beweisen will, dass ich die Kontrolle über mein Leben und mich selbst habe, dass ich mich und meinen Verstand nicht verliere, sondern dass ich bei mir selbst bin. Im Klassiker passiert es vermutlich leichter, dass man sich selbst verliert, fremdgesteuert ist. Das macht mir Angst. Aus Gründen, ja, aus sehr gut nachvollziehbaren Gründen.
Freitag, 12. Juli 2024
Abschiede.
okavanga, 21:33h
Letzter Uni-Tag. Ich werde die Uni vermissen, die tollen jungen Menschen, insbesondere die tollen Frauen. Mental fühle ich mich dieser Generation wesentlich näher als meiner eigenen - zumindest in dieser Blase. Vielleicht ist es gar nicht die Generation, sondern die Psycholog:innen? Habe ich etwa meine Herde gefunden? Die Uni werde ich nur für die Abgabe der Masterarbeit noch einmal betreten. Schon heute große Dankbarkeit, dass ich das Privileg dieses späten wunderbaren Zweitstudiums leben durfte.
***
Letzte Tanzstunde mit der Tanzlehrerin. Sie zieht nach dem Abschluss ihrer Tanzausbildung in eine andere Stadt um dort einen Master zu machen. Das macht mich sehr traurig. Auch sie ist eine so tolle junge Frau. Eine wunderschöne Künstlerinnenseele, die mit uns ihre Leidenschaft geteilt hat. Für mich war das therapeutisch bei ihr. Mal sehen, wie lange ich nach den Sommerferien weiter tanzen werde. "Es ist so toll, dass du so etwas für dich gefunden hast" meinte sie vorhin, und bezog sich damit auf unseren Austausch zu dem, was Tanzen in uns auslöst. "Verwehre dir das nicht." Ach. Du wirst mir fehlen, du wunderbares Wesen.
***
Langsam wird mir bewusst, dass es auch ein sukzessiver Abschied von Mannheim ist. Und das fühlt sich gar nicht so gut an, wie ich dachte. Es ist Zeit weiterzuziehen. Mannheim ist mein Zuhause. Zwei Seelen schlagen in meiner Brust.
~ Alan Falk - Djinn

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Letzte Tanzstunde mit der Tanzlehrerin. Sie zieht nach dem Abschluss ihrer Tanzausbildung in eine andere Stadt um dort einen Master zu machen. Das macht mich sehr traurig. Auch sie ist eine so tolle junge Frau. Eine wunderschöne Künstlerinnenseele, die mit uns ihre Leidenschaft geteilt hat. Für mich war das therapeutisch bei ihr. Mal sehen, wie lange ich nach den Sommerferien weiter tanzen werde. "Es ist so toll, dass du so etwas für dich gefunden hast" meinte sie vorhin, und bezog sich damit auf unseren Austausch zu dem, was Tanzen in uns auslöst. "Verwehre dir das nicht." Ach. Du wirst mir fehlen, du wunderbares Wesen.
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Langsam wird mir bewusst, dass es auch ein sukzessiver Abschied von Mannheim ist. Und das fühlt sich gar nicht so gut an, wie ich dachte. Es ist Zeit weiterzuziehen. Mannheim ist mein Zuhause. Zwei Seelen schlagen in meiner Brust.
~ Alan Falk - Djinn

Dienstag, 2. Juli 2024
Verrückte Mütter.
okavanga, 11:11h
Durchgerungen und in der Klinik angerufen. Ob meine Mutter noch im Haus ist? Einen Moment. Warteschleife. Ja, Ihre Mutter ist noch bei uns, aber sie möchte im Moment nicht telefonieren.
Seit gestern denke ich viel über den Text von Tijan Sila nach, "Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde", hier auf den Seiten des Bachmann-Preises 2024 nachzulesen bzw. nachzusehen/zuhören.
Ja, es ist ein Prozess, dieses Verrücktwerden. Und doch gibt es auch bei mir einen Tag, an dem die Verrücktheit meiner Mutter unumkehrbar wahr wurde. 2. Januar 2010. Tijan Sila findet Worte für Dinge, für die ich keine habe, oder bei weitem nicht so schöne, so eindringliche. Und doch bleibt er bei aller Wucht leise. " [...] das Nebeneinander von Wut und Wahn sollte ein wesentliches Merkmal der Krankheit meiner Mutter bleiben. Ihre Mimik war nun eine Gardine, hinter der sich ein Einbrecher versteckte - die Schizophrenie." Was für ein Bild!
Das Trauma ist ein anderes. Die Folgen sehr ähnlich. Auch für meine Mutter ging es in ihrer Kindheit ums Überleben. Auch sie stürzte sich "unerschrocken, wie sie nun mal war, sich mit Anlauf [in das Verrücktwerden] hinein[...]" und hätte ich nicht angefangen mich von ihr zu distanzieren, wäre auch ich wie sein Vater "auf allen Vieren zum Schlund" gekrochen.
"Für einen Augenblick hatte ich das kindliche Bedürfnis, meiner Mutter das zu sagen, was sie hören wollte [...]. Einen Wimpernschlag lang war ich gewillt, mit ihr wahnsinnig zu sein, damit sie nicht aufhörte mich zu lieben.
Ich weiß nicht, was Tijan Sila spürt, wenn er das schreibt. Ich weiß, dass es mir sehr weh tut es zu lesen. Ich wusste immer, dass es unsere Beziehung zerrüttet, wenn ich nicht (weiter) mit ihr verrückt werde. Oder vielleicht, dass ich meine Hoffnung auf eine bessere Beziehung, die eh schon immer eine schwierige, schmerzhafte und toxische war, aufgeben muss. Auch den Tag weiß ich noch genau. Es war, als ich dem Therapeuten sagte: "Wenn ich wüsste, dass mein Leben so weitergeht wie bisher, dann würde ich es einfach gar nicht mehr leben wollen. Keine Suizidhandlung. Aber ich würde es einfach nicht mehr haben wollen." Das war der Anstoß für die Klinik. Und ich traf mit Haut und Haaren die Entscheidung gesund sein zu wollen. DA zu bleiben. So wie Tijan Sila. Nicht DA im Sinne von "am Leben". Sondern eben da. Soviel Kraft in diesen zwei Worten, "Bleib da."
Ich danke Tijan Sila für seinen Text.
Seit gestern denke ich viel über den Text von Tijan Sila nach, "Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde", hier auf den Seiten des Bachmann-Preises 2024 nachzulesen bzw. nachzusehen/zuhören.
Ja, es ist ein Prozess, dieses Verrücktwerden. Und doch gibt es auch bei mir einen Tag, an dem die Verrücktheit meiner Mutter unumkehrbar wahr wurde. 2. Januar 2010. Tijan Sila findet Worte für Dinge, für die ich keine habe, oder bei weitem nicht so schöne, so eindringliche. Und doch bleibt er bei aller Wucht leise. " [...] das Nebeneinander von Wut und Wahn sollte ein wesentliches Merkmal der Krankheit meiner Mutter bleiben. Ihre Mimik war nun eine Gardine, hinter der sich ein Einbrecher versteckte - die Schizophrenie." Was für ein Bild!
Das Trauma ist ein anderes. Die Folgen sehr ähnlich. Auch für meine Mutter ging es in ihrer Kindheit ums Überleben. Auch sie stürzte sich "unerschrocken, wie sie nun mal war, sich mit Anlauf [in das Verrücktwerden] hinein[...]" und hätte ich nicht angefangen mich von ihr zu distanzieren, wäre auch ich wie sein Vater "auf allen Vieren zum Schlund" gekrochen.
"Für einen Augenblick hatte ich das kindliche Bedürfnis, meiner Mutter das zu sagen, was sie hören wollte [...]. Einen Wimpernschlag lang war ich gewillt, mit ihr wahnsinnig zu sein, damit sie nicht aufhörte mich zu lieben.
Ich weiß nicht, was Tijan Sila spürt, wenn er das schreibt. Ich weiß, dass es mir sehr weh tut es zu lesen. Ich wusste immer, dass es unsere Beziehung zerrüttet, wenn ich nicht (weiter) mit ihr verrückt werde. Oder vielleicht, dass ich meine Hoffnung auf eine bessere Beziehung, die eh schon immer eine schwierige, schmerzhafte und toxische war, aufgeben muss. Auch den Tag weiß ich noch genau. Es war, als ich dem Therapeuten sagte: "Wenn ich wüsste, dass mein Leben so weitergeht wie bisher, dann würde ich es einfach gar nicht mehr leben wollen. Keine Suizidhandlung. Aber ich würde es einfach nicht mehr haben wollen." Das war der Anstoß für die Klinik. Und ich traf mit Haut und Haaren die Entscheidung gesund sein zu wollen. DA zu bleiben. So wie Tijan Sila. Nicht DA im Sinne von "am Leben". Sondern eben da. Soviel Kraft in diesen zwei Worten, "Bleib da."
Ich danke Tijan Sila für seinen Text.
Donnerstag, 20. Juni 2024
okavanga, 14:26h
Erfahren, dass meine Mutter seit Montag in der Geschlossenen ist.
Mittwoch, 19. Juni 2024
okavanga, 20:32h
Ich erzähle von aktuellen Ereignissen mit meiner Mutter, erzähle von meinen Träumen. Wir sprechen über Schuldgefühle, und darüber, wie ihre Erkrankung in letzter Konsequenz auch mit zunehmender Verwahrlosung und Asozialität einhergeht. Sie wird mehr und mehr verrückt, sage ich. Es ist wie ein Brandbeschleuniger, was letzten November war. Es klingt so komisch, erzähle ich, aber jetzt hat sie diese Diagnose seit 15 Jahren, und immer noch ist es neu für mich, dass sie so schwer erkrankt ist. Wir sprechen darüber, dass in der Beziehung zwischen ihr und mir nichts mehr oszilliert. Dass nur noch nichts möglich ist, weil sie sich jeder normalen Kommunikation entzieht, auch bedingt durch die fortschreitende Erkrankung. Erähle davon, was sie meinem Vater auf den Anrufbeantworter spricht. Davon, dass sogar mein Vater weint wenn er sagt, das tut ihm selbst so weh zu hören, wie verzweifelt und einsam diese Frau ist. Es ist sehr schwer für mich, für uns alle.
"Sie haben doch auch positive Erinnerungen an Ihre Mutter. Versuchen Sie, die zu bewahren."
"Ja, ich habe auch sehr schöne Erinnerungen an Sie, zum Beispiel wie sie mich darin bestärkt hat in die Welt zu gehen, und vor allem damals in Südafrika, diese Reise weiter zu machen, sie hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich nicht in Namibia vom Truck muss, sondern dass ich doch bis zu den Victoria Fällen mitreisen kann. So eine Frau war sie einmal.
"Diese Frau ist sie noch. Sie wird nur mehr und mehr überdeckt, überlagert von ihrer Krankheit. Wir haben doch mal über Joe Black und den Tod gesprochen. Erinnern Sie sich an die guten Dinge mit ihr, haben und bewahren Sie sich diese Erinnerungen."
"Das tut aber so weh."
"Das ist doch aber besser als das furchtbare Jetzt, dieses Nichts, diese Leere."
Ich weine und denke darüber nach, dass diese verdeckte Frau vielleicht jene ist, die verzweifelt auf Anrufbeantwortet spricht und um Kontakt fleht. Sie tut mir so unglaublich leid. Wir alle um sie herum tun mir unglaublich leid. Es ist einfach nur schrecklich und tragisch.
...
"Ich dachte, ich gewöhnte mich irgendwann daran, an sie, mit ihrer Erkrankung."
Ein irritierter Blick seinerseits. Dann:
"Nein. Wie soll man sich daran gewöhnen. Also ich als ihr Therapeut gewöhne mich daran vielleicht, ja. Aber wenn ich mir vorstelle, dass das meine Mutter ist. Da kann man sich nicht gewöhnen, nein."
"Der Freund einer Freundin meinte im März, nachdem ich auf seine Frage nach meinem Befinden meinte 'naja, mal so mal so': du darfst das dann fei auch irgendwann einfach loslassen."
Wieder irritiertre Blick. Kopfschütteln.
"Da gibt es nichts loszulassen."
"Sie haben doch auch positive Erinnerungen an Ihre Mutter. Versuchen Sie, die zu bewahren."
"Ja, ich habe auch sehr schöne Erinnerungen an Sie, zum Beispiel wie sie mich darin bestärkt hat in die Welt zu gehen, und vor allem damals in Südafrika, diese Reise weiter zu machen, sie hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich nicht in Namibia vom Truck muss, sondern dass ich doch bis zu den Victoria Fällen mitreisen kann. So eine Frau war sie einmal.
"Diese Frau ist sie noch. Sie wird nur mehr und mehr überdeckt, überlagert von ihrer Krankheit. Wir haben doch mal über Joe Black und den Tod gesprochen. Erinnern Sie sich an die guten Dinge mit ihr, haben und bewahren Sie sich diese Erinnerungen."
"Das tut aber so weh."
"Das ist doch aber besser als das furchtbare Jetzt, dieses Nichts, diese Leere."
Ich weine und denke darüber nach, dass diese verdeckte Frau vielleicht jene ist, die verzweifelt auf Anrufbeantwortet spricht und um Kontakt fleht. Sie tut mir so unglaublich leid. Wir alle um sie herum tun mir unglaublich leid. Es ist einfach nur schrecklich und tragisch.
...
"Ich dachte, ich gewöhnte mich irgendwann daran, an sie, mit ihrer Erkrankung."
Ein irritierter Blick seinerseits. Dann:
"Nein. Wie soll man sich daran gewöhnen. Also ich als ihr Therapeut gewöhne mich daran vielleicht, ja. Aber wenn ich mir vorstelle, dass das meine Mutter ist. Da kann man sich nicht gewöhnen, nein."
"Der Freund einer Freundin meinte im März, nachdem ich auf seine Frage nach meinem Befinden meinte 'naja, mal so mal so': du darfst das dann fei auch irgendwann einfach loslassen."
Wieder irritiertre Blick. Kopfschütteln.
"Da gibt es nichts loszulassen."
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