Mittwoch, 5. Oktober 2016
Beim Holz vor der Hüttn.
Kennen Sie das? Sie sind auf einer Hochzeit (nicht Ihre eigene, oder vielleicht auch doch), es ist 4 Uhr morgens, Sie sind sehr betrunken, und finden sich neben dem Feuerholzstapel auf der Rückseite eines oberbayerischen Landgasthauses wieder, mit Ihrem Cousin knutschend, wahlweise Ihrer Cousine?

In anderen Ländern auf dieser Welt wäre das unter bestimmten Umständen ganz unspektakulär, auch das deutsche Gesetz gestattet Ehen zwischen Cousinen und Cousins. Früher wären wir vielleicht sogar verheiratet worden, aber heute ist nicht früher, und wie weit da die Toleranz unserer Familie geht möchten wir lieber nicht wissen. Nicht zu vernachlässigen ist dabei auch das pikante Detail, dass der Cousin inzwischen seit knapp 3 Jahren in festen Händen ist und mit der Lady einen 2-jährigen Sohn hat.

Fakt ist, dass diese Anziehung zwischen uns besteht seit wir geschlechtsreif sind, um das mal ganz anschaulich zu formulieren. Wir sind fast gleichalt. Mit 16, 17 waren das noch ganz offensichtliche und eher humorvolle, nicht ernstgemeinte Flirtereien. Das änderte sich mit Mitte, Ende 20. Wurde subtiler. Dabei waren wir uns auch was unsere Vitae angeht nicht ganz unähnlich. So ein bisschen die schwarzen Schafe der Familie. Mit Ende 20, Anfang 30 saßen wir dann nach einer Familienfeier bei einem gemeinsamen Bekannten in der Heimat, zogen uns Zeug rein und verbrachten die ganze Nacht redend auf einem Sofa. Am Vormittag zogen wir auf eine Decke am Badesee um. Damals machte ich mir große Sorgen um ihn.

Obwohl da absolut nichts lief, war uns beiden vermutlich seit diesem Tag klar, dass irgendwann was laufen wird. Ich glaube es war ca. 1 Jahr später, nach einer Hochzeit eines anderen Cousins. Wir gingen noch mit anderen Cousins (große Familie, große...) in einen Alternative-Schuppen und tanzten uns die Seele aus dem Leib. Am Ende blieben nur er und ich. Damals solo. Ich übernachtete bei meinem Vater, wie immer, wenn ich in der Heimat bin. Also hab ich ihn mit dahin genommen.

Wir saßen morgens um 5 in der Küche auf dem Fußboden und haben belegte Brote gegessen. Dann sind wir schlafen gegangen. Es war magnetisch. Er hat einen wahnsinns Körper und küsst ganz unglaublich. Bis zum äußersten sind wir nicht gegangen, aber weit davon entfernt waren wir nicht.

Der ein oder andere hatte damals schon Vermutungen angestellt, aber mein Vater hat nicht dazu gehört. Vielleicht sieht man ja, dass da etwas ist. Bis heute leugnen wir alle Unterstellungen.


Also, Sie erinnern sich, wir standen.. naja... umschlungen... neben dem Feuerholzstapel in Oberbayern. Es war herzschlagaussetzend. Aber dann fing er an Dinge zu sagen. "Ich lieb dich" und ob ich nich wieder auf FB kommen kann, damit er mir schreiben kann, und dass er mich doch in Monnem besuchen könne. In meinem Suff dachte ich mir: klar liebt er mich, wie eine Cousine, is ja logo. Monnem.. ja nee, nene. Also hab ich ihm gesagt, er soll leise sein. Auf der Suche nach einem Bett, gegen 5:30 Uhr, wurden wir dann von jenem Kerl (der Freund seiner Schwester, eine sehr coole Cousine) abgefangen, der damals die Vermutungen angestellt hat. Aber tatsächlich hat der überhaupt nichts kapiert. Wir waren aber auch alle echt ziemlich durch. So wurde jedenfalls wieder nichts aus dem Akt. So ein Glück. Man stelle sich vor, es ist 7 Uhr, der kleine Sohn und die Lady wachen auf, und der Cousin ist nicht in dem Bett, in das er gehört. Und welche betrunkene Seelen wachen schon nach dem vollzogenen Akt frisch und munter auf um in das Bett zu wanken, das man besser beziehen sollte...

Am nächsten Tag bin ich gestorben. Wirklich. Ich denke, es war eine Krankheit. Bevor ich wie ein Zombie die Treppe runter bin, hatte er (und viele andere auch) schon ausgecheckt. Mein tapferer Begleiter V. ertrug meinen elenden Anblick. Er war - so ein weiser Mann - nüchtern gegen vermutlich 4 Uhr ins Bett gegangen.

Jetzt könnte man meinen, das wars.

Als ich heute in der Arbeit meine ganzen Mails durchgehe, die sich während meiner Abwesenheit angehäuft haben, springt mir seine Kontaktanfrage in einem Business-Netzwerk entgegen. Mit einer kurzen Nachricht und seiner Telefonnummer und der Bitte mich mal bei ihm zu melden. Ich bestätige die Anfrage und vertrage alle weiteren Gedanken zu dem Thema auf den Abend.

Gegen 12 Uhr kommt grinsend eine Kollegin auf mich zu, mit dem Telefon in der Hand wedelnd. "Für dich", sagte sie. Mein erster Gedanke: oh noooo, bitte nicht schon wieder ein Schulungsanbieter. Können die das nicht abwimmeln für mich?? Also: "Wer isn das?" Sie, ganz leise: "<oka-nachname>". Sie müssen wissen, dass ich jedes mal einen Schock kriege, wenn jemand aus meiner Familie anruft, weil ich seit Mama jedes mal denke, etwas furchtbares ist passiert. Einweisung, Suizid, sonstwas.

Ganz vorsichtig frage ich ins Telefon: "Jaaaa?"
"Hey... naaa? Ich wollte dich mal anrufen."
Mir steigt dermaßen die Hitze ins Gesicht. Vor Verlegenheit. Vor.. keine Ahnung.
"Mhmmm... du also.. äh ja."
"Ist es grad schlecht, oder?"
"Ja, sehr. Sehr sehr. Schlecht."
"Hast du meine Nachricht mit der Nummer bekommen?"
"Ja, ja klar."
"Bitte meld dich mal, okay?"
"Ja, klar. Mach ich."

Dann schreibe ich ihm direkt, dass er ja ein lustiger Kerl sei, weil er da einfach in meiner Arbeit anruft... Wir haben ein Großraumbüro und ich denke dann immer in Leuchtbuchstaben steht auf meiner Stirn, dass, ... Sie verstehen.

Ich schreibe LeSchwe, dass das mit dem Cousin eventuell ein Problem werden könnte.

Der Tag vergeht. Nach der Arbeit Studium. Erster Tag des neuen Semesters, viel zu tun, viel zu planen, zu organisieren.

Irgendwann sehe ich, dass er geschrieben hat. Bis wann ich arbeite."Bin schon zu Hause und mach was für die Uni" Er: ich wollte dich gern mal anrufen, aber jetzt ist es schlecht, ich bin schon zu Hause.
Und dann. Ja also. Dann folgt eine halbe Liebeserklärung. Halb, weil ich echt nicht glauben will, dass es eine ganze ist. Ich antworte nicht. Ist sicher sein Freiheitsdrang. Liegt in der Familie. Wächst sich hoffentlich wieder aus bei ihm.

Ich schreibe Leschwe, dass das mit dem Cousin ein Problem IST.


Das war jetzt übrigens nicht der Part den ich meinte wenn ich schrieb: "Ähm ja also die Hochzeit lief echt gut, bis alles echt schief lief."