Dienstag, 8. November 2016
Filmtage 2016
Die Filmtage gehören zu meinem Leben seit ich denken kann. Schon in den Anfängen, weit vor meiner Zeit, war mein Vater am Start, es kam und kommt nach wie vor ein großer Cineast zu Besuch, Jahr für Jahr (er brachte uns Kindern immer tolle Geschenke mit, z.B. das Brettspiel Hugo das Schlossgespenst. Jahrelang die No. 1 unserer Spieleabende).

Meine Mutter war früher, also vor ihrer Krankheit, genauso begeistert. Und ich selbst war mit 10 auf dem ersten Kinderfilmfestival. In der Pubertät war ich dann mit beim regulären Festival dabei. Ich glaube einer meiner ersten Filme war 1994 „L’eau froid“ – bitte fragen Sie mich nicht, um was es ging, ich habe keine Ahnung und war wohl primär verwirrt (französisch mit englischem Untertitel, wenn ich mich recht entsinne).

Ich würde lügen wenn ich behaupten würde, die Filmtage hätten noch die gleiche Atmosphäre wie vor 20 Jahren. Die Parties damals waren legendär, die Stimmung berauschend, lebendig, locker, lustig. Dennoch, nach wie vor ist es ein tolles Festival, bodenständig, ohne Glamour, mit einer guten Filmauswahl und einer für die Stadt einmaligen Stimmung – zumindest einmal im Jahr. ;-)

Gesehen habe ich:
Dokus:
- Desert Kids (Michael Pfeifenberger; Kurzbeschreibung hier). Beeindruckend. Ich mag die Kinder in dem Film, und ihren Optimismus, ihren Humor, ihre Gedanken, ihre Zukunftspläne, Hoffnungen, und ihre Stärke.
- Last Fisherman (James Stier). Toller Typ. Ich bin sofort seinem Charme verfallen. Schöne Geschichte.
- Die Farbe der Sehnsucht (Thomas Riedelsheimer). Leider – so finde ich – gibt der Trailer keinen wirklich guten Einblick in das, was da kommt. Der Film ist vielseitiger und phasenweise auch wesentlich munterer. Nichtsdestotrotz eher einer der leiseren Filme, mit wirklich ganz wunderbaren Bildern.

Spielfilme:
- Therapie (Felix Charin). Lustig, unterhaltsam, das Ende ein bisschen sehr konstruiert. Das allerbeste: die Hauptdarstellerin. Bombe.
- Mal de Pierre/ Die Frau im Mond – Erinnerung an die Liebe (Nicole Garcia). Tragisch. Überraschend. Tolle Hauptdarstellerin. Überhaupt muss man sagen. Die Frauen in den Filmen, die ich dieses Jahr gesehen habe, haben mich sehr beeindruckt.
- Die Blumen von gestern (Chris Kraus). Ich wiederhole mich.. tolle Hauptdarstellerin. Und Lars Eidinger. Manche fanden den Film super, andere total scheisse. Ich fand den Ansatz an das Thema zu gehen spannend, und war gut unterhalten.
- I, Daniel Blake (Ken Loach). Für mich der beste Film den ich gesehen habe. Ein überragender Dave Johns, und auch Hayley Squires (spielt Katie) einfach nur klasse. Ein Drama, ganz schlicht. Ganz krass.
- Am Abend aller Tage (Dominik Graf). Vielleicht lag es daran, dass ich vorher an dem Tag schon drei Filme hatte. Ich fand ihn ab-so-lut... langweilig und habe leider die Hälfte verschlafen. Weiß nicht was das sollte. Vielleicht fehlt mir aber auch der intellektuelle Zugang dazu...
- Paula (Christian Schwochow). Sie ahnen es... die Hauptdarstellerin... Ich hätte Paula sofort geheiratet. Nach der Vorführung war unter anderem Albrecht Abraham Schuch zum Gespräch geladen. Der Moderator fragte ihn wie er sich in die Rolle des Machos eingefunden hätte. Albrecht zeigte ich dezent verwirrt, während sich das Publikum lautstark wunderte. Als Macho hatte die Figur des Otto keiner der Zuschauer empfunden, im Gegenteil. Ein für seine Zeit sehr progressiver Mann. Ich hätte gern einen Otto. In Summe: Daumen hoch für Paula!

Kurzfilme:
- Abseits (Cosima Frei). Gut. Mehr hab ich da nicht zu sagen.
- Bon voyage von Marc Wilkins. Der war heftig. Sehr heftig. Man stellt sich selbst viele Fragen. Das Thema macht betroffen, immer noch, immer wieder, auch wenn es ständig in den Schlagzeilen ist. Das auf so einer riesen Projektionsfläche zu sehen... ja. Beklommenheit.
- Sjecam se – Amarcord (Wolf Gaudlitz). Sehr interessanter Typ, der Maler Milan. Haben ihn danach auch auf einer Party getroffen. Er trinkt gern. :-) Fröhlicher, humorvoller Mensch mit einer sehr eigenen Sicht auf die Welt.

Tipps von anderen:
Spielfilme:
Die Überglücklichen, Paterson, Neither Wolf nor Dog, Freddy/Eddy, Familie Lotzmann auf den Barrikaden, Dans les forêts de Sibérie / In the Forest of Sibiria, Egon Schiele – Tod und Mädchen

Dokus:
Safari (Achtung Tierfreunde.. starker Tobak à la Ulrich Seidl, ich hab nur den Trailer gesehen und muss schon heulen vor Wut über diese Ignoranz, Ungerechtigkeit und.. mir fehlen da echt die Worte, im Gegensatz zu den Emotionen...), A Story of Sahel Sounds, und Schultersieg (Ausgezeichnet mit Doku-Preis 2016)

Daneben gab es sicher weitere tolle Filme, zu denen ich nichts gehört oder manchmal nur die Kritik gelesen habe.

Meine persönliche Bilanz: ich kann nur Gutes berichten und würde jeden Film wieder ansehen. Vielleicht sogar den Graf-Film - evtl. hab ich einfach das ganze Spektakel verpennt.

Enttäuschend laut Hören-Sagen sowohl für das Publikum wie auch für einige Kritiker der Spielfilm „Salt & Fire“ von Werner Herzog, sowie der Wenders-Film „Les beaux jours d’Aranjuez“.

Promi des Festivals: ich steh ja auf Lars Eidinger..

In diesem Sinne – hoffentlich bis nächstes Jahr.

Aus dem Leben ~ ... link (0 Kommentare)   ... comment