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Dienstag, 5. September 2023
okavanga, 22:04h
Die sachliche Kurzversion zur Situation meines Vaters: nach nur zwei (von geplanten vier) Chemos musste die Behandlung abgebrochen werden. Es entstand am Port (innen, also erst mal nicht sichtbar) eine Infektion, die sich in sehr hohem Fieber und Abgeschlagenheit äußerte. Da anfangs unklar war, ob die Symptome in der Chemo selbst, einem grippalen Infekt oder eben einer Infektion des Ports liegen, wurde erst ein Antiobiotikum verabreicht. Das brachte kaum Linderung. Irgendwann sammelte sich dann auch außerhalb des Ports Blut und mein Vater ging ins Krankenhaus. Dort entfernten sie den Port sofort. Der Onkologe informierte meine Vater, dass vor einem Fortsetzen der Behandlung erst die Infektionswerte runter müssen. Außerdem sei eine anderweitige Gabe der Chemo (Injektion oder Tabletten) nicht möglich. Die Chemo, die er bräuchte, liefe nur über einen Port. Der Onkologe beratschlagte sich dann mit Wiesbaden. Ergebnis war, dass die OP vorgezogen wird auf den 14. September, ohne weitere vorherige Chemo.
Da mein Vater ohne Port auch nicht ganz so leicht hochkalorische Kost zu sich nehmen kann, nimmt er weiter ab. Diesmal ist klar, dass es nicht an einer Chemo liegt, sondern am Krebs. Er frisst, dieser verdammte Arsch. Dafür geht es meinem Vater erstaunlich gut. Er unternimmt Dinge, auch mit seinen Enkeln, hantiert in Haus und Garten rum, backt Brot. Er ist müde, aber ansonsten... es ist trügerisch. Beängstigend trügerisch still.
Gefühlt zieht sich einfach alles viel zu lange.
Bis Sonntag war ich in der Heimat. Und um kurz emotional zu werden: der Abschied war schwer. Vor der OP werde ich ihn nicht mehr sehen. Ich habe Angst.
Mein Therapeut dazu: "Ihr Vater könnte nun sterben."
Ich: "Ja."
Thera: "Bereiten Sie sich denn darauf vor?"
Ich: "Nein"
Thera: "Wieso nicht?"
Ich: "Weil er jetzt einfach nicht sterben darf."
Thera: "Wenn es gut läuft, wird er aber auf jeden Fall vor Ihnen sterben."
Ich: "Ich weiß..."
Thera: "..."
Ich: "..."
Naja. Ich beschäftige mich jetzt mit dem Tod.
Da mein Vater ohne Port auch nicht ganz so leicht hochkalorische Kost zu sich nehmen kann, nimmt er weiter ab. Diesmal ist klar, dass es nicht an einer Chemo liegt, sondern am Krebs. Er frisst, dieser verdammte Arsch. Dafür geht es meinem Vater erstaunlich gut. Er unternimmt Dinge, auch mit seinen Enkeln, hantiert in Haus und Garten rum, backt Brot. Er ist müde, aber ansonsten... es ist trügerisch. Beängstigend trügerisch still.
Gefühlt zieht sich einfach alles viel zu lange.
Bis Sonntag war ich in der Heimat. Und um kurz emotional zu werden: der Abschied war schwer. Vor der OP werde ich ihn nicht mehr sehen. Ich habe Angst.
Mein Therapeut dazu: "Ihr Vater könnte nun sterben."
Ich: "Ja."
Thera: "Bereiten Sie sich denn darauf vor?"
Ich: "Nein"
Thera: "Wieso nicht?"
Ich: "Weil er jetzt einfach nicht sterben darf."
Thera: "Wenn es gut läuft, wird er aber auf jeden Fall vor Ihnen sterben."
Ich: "Ich weiß..."
Thera: "..."
Ich: "..."
Naja. Ich beschäftige mich jetzt mit dem Tod.
Sonntag, 3. September 2023
okavanga, 21:25h
Damals schaute der Vollmond zum offenen Fenster rein, wir konnten das Rauschen des Atlantiks hören. Und in mir rauschte die Verzweiflung darüber, dass wir uns irgendwie verloren. Dass ich mich fortbewegte, mich forttreiben ließ von meiner Angst. Heute Nacht träumte ich von diesen Tagen bei den Wildpferden bei Kleinmond. Ich legte dir den Arm um den Hals, wir gehen nebeneinander her, und ich flüster dir zu "Ich mag dich immer noch so."
Freitag, 18. August 2023
okavanga, 00:59h
Die Firma redet von Partnerschaft, aber letztendlich werden wir mit über 75% übernommen. Für meine Situation nicht das schlechteste. Mein Gott ist mir diese Firma egal geworden. Ich will einfach nur so lang wie möglich so viel Geld wie möglich mitnehmen, bevor ich endlich meinen neuen Weg (weiter)gehe.
Mittwoch, 2. August 2023
okavanga, 18:29h
Die letzte benotete Klausur meiner studentischen Laufbahn liegt hinter mir. Wahnsinn! Anfang Oktober ist noch eine unbenotete, da geht es nur ums Bestehen, das sollte kein Problem sein. Ich bin so unglaublich froh, die Klausur lag mir wie ein Stein im Magen. Diagnostik, das klingt so schön spannend nach Diagnosen-Stellen, es ist manchen gegenüber schwer zu erkären, warum wir stattdessen Strukturgleichungsmodelle rauf und runter machen. Immerhin war der Prof wirklich fair, es gibt keinen Grund zur Klage, und insofern sollte ich einen Haken dahinter setzen können.
Morgen geht es in die Heimat. Mit einem lachenden Auge, aber auch mit kleinen Steinchen im Magen. Meinem Vater ging es heute Vormittag nicht gut. Will gleich nochmal anrufen. Und meine Mutter schreibt Mails, wir wissen gar nicht mehr, was wir noch sagen sollen. Seit 14 Jahren der selbe Scheiss. Ich hasse ihre Krankheit und das, was sie mit und aus ihr macht, was sie mit uns allen macht.
Im Seminar letztes Wochenende ging es sehr viel um Schizophrenie. Als ich das Seminar belegt hatte, war mir nicht klar, wie sehr diese Krankheit Thema sein würde. Mir leuchtet total ein, dass sie öfters mit Suizidalität einhergeht, aus mehreren Gründen, aber irgendwie dachte ich, der Fokus wird mehr darauf liegen, wie wir im professionellen Setting mit Suizidalität umgehen. Jedenfalls war das Seminar ein "In your face" für mich, was die Erkrankung meiner Mutter und unsere Familiengespräche um den assistierten Suizid angeht. Wenn es so konkret und geballt daher kommt, ist es schwer auszuhalten.
Morgen geht es in die Heimat. Mit einem lachenden Auge, aber auch mit kleinen Steinchen im Magen. Meinem Vater ging es heute Vormittag nicht gut. Will gleich nochmal anrufen. Und meine Mutter schreibt Mails, wir wissen gar nicht mehr, was wir noch sagen sollen. Seit 14 Jahren der selbe Scheiss. Ich hasse ihre Krankheit und das, was sie mit und aus ihr macht, was sie mit uns allen macht.
Im Seminar letztes Wochenende ging es sehr viel um Schizophrenie. Als ich das Seminar belegt hatte, war mir nicht klar, wie sehr diese Krankheit Thema sein würde. Mir leuchtet total ein, dass sie öfters mit Suizidalität einhergeht, aus mehreren Gründen, aber irgendwie dachte ich, der Fokus wird mehr darauf liegen, wie wir im professionellen Setting mit Suizidalität umgehen. Jedenfalls war das Seminar ein "In your face" für mich, was die Erkrankung meiner Mutter und unsere Familiengespräche um den assistierten Suizid angeht. Wenn es so konkret und geballt daher kommt, ist es schwer auszuhalten.
Freitag, 28. Juli 2023
okavanga, 13:21h
Papa hat nun eine Glatze. Als er am Telefon davon erzählt, ist es erst mal gar nicht so schlimm. Als ich das Foto sehe, muss ich sehr weinen. Es ist nun sichtbar. Er ist krank. Immerhin hat er einen neuen besten Freund. Insgeheim nenne ich ihn Rüdi. Rüdi Rucksack. Der füttert ihn mit massig Kalorien, auf Anordnung von Schwester Gabi (wir vermuten keine Anstellung in der Schwarzwaldklinik). Rüdi ist allerdings etwas langsam, er braucht mehrere Stunden für eine ordentliche Zufuhr. Das bedeutet, dass mein Vater abends Zuhause bleibt, oder Rüdi mitnimmt. Ich bin für letzteres, Rüdi sollte ausgeführt wreden. Wer hat das schon, seine eigene Astronautennahrung immer mit dabei? Was uns bleibt, ist viel Humor und Zuneigung.
Heute geht es weiter mit dem Blockseminar zu Suizidalität. Vermutlich sagte ich dazu hier noch nichts. Auch egal. Es ist genau so, wie man es sich für jemanden vorstellt, der dort als Zwitter sitzt: angehende Psychologin, und Tochter einer Frau mit Sterbewunsch. Es ist schwer dabei emotionalen Abstand zu bewahren.
Es ist alles etwas viel, da gehts jetzt nur um Fokus. Am Mittwoch Klausur, am Donnerstag gehts in die Heimat. Da habe ich auch ein bisschen Bauchschmerzen. Da kommt alles näher. Und ich fühle mich als würde ich einfach nur in einen 100jährigen Schlaf fallen wollen, ich bin sehr müde, die Akkus laufen am Limit, wie so oft vor Klausuren. Immhin eins gelernt: es geht vorbei.
Heute geht es weiter mit dem Blockseminar zu Suizidalität. Vermutlich sagte ich dazu hier noch nichts. Auch egal. Es ist genau so, wie man es sich für jemanden vorstellt, der dort als Zwitter sitzt: angehende Psychologin, und Tochter einer Frau mit Sterbewunsch. Es ist schwer dabei emotionalen Abstand zu bewahren.
Es ist alles etwas viel, da gehts jetzt nur um Fokus. Am Mittwoch Klausur, am Donnerstag gehts in die Heimat. Da habe ich auch ein bisschen Bauchschmerzen. Da kommt alles näher. Und ich fühle mich als würde ich einfach nur in einen 100jährigen Schlaf fallen wollen, ich bin sehr müde, die Akkus laufen am Limit, wie so oft vor Klausuren. Immhin eins gelernt: es geht vorbei.
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