Mittwoch, 26. Juli 2023
Heute Nacht kam mal wieder der kleine Herr Professor zu Besuch. Älter ist er geworden. Einsam wirkt er. Zwischen uns ist alles okay, weder unangenehme noch angenehme Spannung, einfach neutral freundlich. Er ist aber auch nicht mehr so hyperaktiv und verbalaggressiv wie ich ihn oft erlebt habe. Ich begleite ihn zu Freunden, dort ist es skurril aber irgendwie gemütlich. Sie haben eine kleine Tochter. Erst mal wirkt alles normal. Dann wird klar, dass hier auch gleich konsumiert wird. der Gastgeber bereitet üppige Lines vor. Im Traum denke ich über die Tochter nicht weiter nach. Wach schon, auch wenn es gar keine Rolle spielt, weil es nur ein Traum ist. Ich frage die Gastgeber, was es gibt. Koks, sagen sie, und ich sage, ach, ich bin dabei. Der kleine Herr Professor packt seinen eigenen Beutel aus. Es ist so ein durchsichtiger 1-Liter-Beutel mit Zipverschluss. Darin viel weißes Pulver und ein Blister. Was hast du da, frage ich, Speed, sagt er, und ich antworte, das kann ich einfach nicht mehr nehmen. Für 100 Euro kaufe ich den Gastgebern also was vom Koks ab. Derweil läuft gute Musik und es sind noch drei vier weitere nette Leute da, alles wirkt entspannt und nicht eklig (im Traum!). Zum Konsum meinerseits kommt es nicht mehr, ich wache auf. Zwar versuche ich wieder einzuschlafen und dort weiterzuträumen, aber es klappt nicht. Hätte mich interessiert.

Es ist schon irre, dass ausgerechnet diese Person so zuverlässig in meinem Träumen wiederkehrt. Gilt er auch noch als Stressbarometer, wenn die Situation so entspannt ist? Naja, die Drogen eigentlich schon. Die Gesamtsituation, vermutlich. Erst neulich dachte ich mir, wie gut ich mein jüngeres Ich verstehen konnte, dass es die ganzen psychischen Belastungen einfach nur wegdrücken wollte. Es war eine Bewältigungsfunktion um weiterleben zu können. Nicht um zu sterben, auch wenn Drogen Selbstzerstörung implizieren. Das scheint im Vergleich zum psychischen Schmerz hinnehmbarer.

Auch fragte ich mich neulich, wie kurios es ist, dass ich nie an Psychedelika gegangen bin. Gerade LSD hat mich sehr interessiert, dazu habe ich viele Bücher verschlungen. Ich hätte es so gerne mal ausprobiert, und doch hielt mich immer eine gewisse Angst zurück. Damals wusste ich noch nicht, dass meine Mutter ca. 10 Jahre später die Diagnose "Paranoide Schizophrenie" bekommen würde. Aber vielleicht fühlte etwas ganz tief in mir, dass es richtig scheiße enden könnte solche Substanzen auszuprobieren.

Letztendlich bin ich unglaublich froh, dass ich das alles nicht vermisse. Keinerlei Substanz. Ok, Zucker, leider. Und manchmal erscheint mir derzeit der Alkohol als sehr verlockend. Doch nach 2 Gläsern mit Mimi habe ich über einen Tag gebraucht, um wieder in meiner Mitte zu landen. Ich mag es einfach nicht mehr. Ich mag das Leben nüchtern am meisten. Und kann es so auch am besten bewältigen.

[Edit] Da fällt mir ein, dass ich neulich geträumt habe, ich hätte eine Zigarette geraucht. Ausgerechnet eine Menthol-Zigarette. ich konnte sie im Traum sogar schmecken. Igitt, mochte ich nie, keine Ahnung was das für eine komische Entscheidung war im Traum. Bin jetzt seit über 10 Jahren rauchfrei, am Anfang habe ich öfters geträumt, ich rauche, dann immer voller Angst aufgewacht, ich hätte wirklich geraucht.

Ich sollte da schon genauer hinschauen, was gerade in mir abläuft. Die Träume von Substanzkonsum muten mir an wie die Suche meines Unbewussten nach Bewältigungsmechanismen. Ich hoffe, die Ärztin verlängert die Krankmeldung. Nach der Klausur nächste Woche fahre ich in die Heimat.

Das Ding ist, ich kann nicht viel tun, außer loslassen. Weder die Krankheit meines Vaters noch den Sterbewunsch meiner Mutter kann ich kontrollieren. Die damit einhergehenden Emotionen kann ich nur wohldosiert fühlen und ankucken. Diese Gleichzeitigkeit, dieser drohende Abschied von beiden, "wie eine ungewollte Schicksalsgemeinschaft", so mein Therapeut, hat das Potenzial mich zu überwältigen.

Naja. Tja.

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Samstag, 22. Juli 2023
Wieder ein Abend mit Mimi. So schön. Ich zeige ihr den Kiez und meine Wohnung. Und frage sie, so rein hypothetisch, wie es denn wäre, wenn ich jemanden aus ihrer Kohorte, sie hat ein Jahr vor mir mit dem Master angefangen, interessant und attraktiv fände.

Ich wünsche mir, dass ich es schaffe, ihn auf einen Tee einzuladen. Er fuchst mich schon das ganze Semester über. Irgendwas ist da. Mimi fragt, um wen es sich handelt. Ein absoluter Weirdo, sage ich, und Mimi errät sofort, wen ich meine. Sie ermutigt mich dazu, es sei doch nix dabei, sich einfach kennenzulernen. Ich finde es absolut übergriffig, ihn das aus meinem Alter heraus zu fragen. Aber. Aber. Ich hoffe, ich mach das. Er will Analytiker werden. Welch Rarität.

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Sonntag, 16. Juli 2023
Übers Wochenende ist mein Bruder mit Freunden wandern. Es fällt ihm schwer abzuschalten, schreibt er mir eben. Meinem Vater scheint es zwar ein klein wenig besser zu gehen, doch hat er jetzt allein durch den Durchfall, den er seit ca. Mittwoch hat, soviel abgenommen, dass wohl zur Debatte steht ins Krankenhaus zu kommen. Morgen hat er Kontrolltermin beim Onkologen. Meine Mutter scheint heute Nacht (mal wieder) den Notarzt wegen Atemnot und extrem hohem Puls gerufen zu haben. Sie kam ins Krankenhaus. Ich traue mich gerade gar nicht, bei meinem Vater oder meiner Mutter anzurufen, mein Herz tut weh, mein Bauch noch mehr, mir ist übel. Weiß nicht, wie ich mehr Details heute verarbeiten könnte. Versuche auf die Prüfung zu lernen, doch die Gedanken schweifen ab. Ich bete, dass die Verlängerung der Krankmeldung kein Problem sein wird. Dieses toxische Arbeitsumfeld würde mir gerade einfach nur den Rest geben.

Bei meinem Bruder kommt dazu, dass sein Schwiegervater ebenfalls seit einigen Jahren an Krebs erkrankt ist und sich momentan in der zweiten Chemo befindet, seine Haare fallen aus.

Ich weiß nicht wie mein Bruder es erträgt, er ist so nah an allem dran. Manchmal bin ich traurig, dass ich so weit weg bin, aber es ist wohl auch ein Segen.

In der Klinik saß ich manchmal nachts im Meditationsraum und blickte auf die Bergkette gegenüber der Klinik. Eines nachts, während eines Gefühls tiefer Ohnmacht und Traurigkeit, fiel mir dabei mein Taufspruch ein: "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat." Damals dachte ich, dass kein Spruch hätte passender sein können, und dachte darüber nach, wie lange und oft ich schon in meinem Leben meine inneren Augen zu den sich vor mir auftürmenden Bergen gehoben hatte, auf der Suche nach Hilfe. Ich weinte in diesem stillen Raum, als mir klar wurde, dass ich Hilfe erhalte und annehmen kann, Hilfe von vielen Seiten, von dieser wundervollen Klinik in den Bergen, von mir selbst, und einer Höheren Macht. Seitdem denke ich immer wieder an den Spruch. Die Idee einer Höheren Macht kann man belächeln. Ich finde es ungemein tröstlich Dinge an sie abzugeben, die ich nicht ändern kann.

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Mittwoch, 12. Juli 2023
Etwas kurioses geschah eben. Normalerweise begebe ich mich am Mittwoch nach der Vorlesung direkt zurück in Richtung Mannheim. Nicht so heute. Ich wollte ein Kartenspiel zum Geburtstag für Rini besorgen, und schauen ob ich weitere nette Kleinigkeiten für sie finde. Ich durchstreifte zwei Buchläden und kuckte hier und da, und spazierte dann entlang der Hauptstraße Richtung Bismarckplatz. Auf diesem Weg kamen mir plötzlich zwei ehemalige Kollegen entgegen. Wir begrüßten uns ganz baff, die beiden kamen gerade aus der Mittagspause und luden mich in ihre Büroräume ein. Ich wusste gar nicht, dass sie inzwischen in Heidelberg arbeiten. Das Büro ist wunderschön. Dort erzählten sie mir von der Firma, und ich erzählte von mir, und sie sahen sich an und grinsten, und berichteten von einer Stellenausschreibung, über der sie gerade sitzen. Ob ich mir denn diese Stelle vielleicht zur Überbrückung bis zu meinem Ausbildungsbeginn vorstellen könne?

Ich werde nachdenken, sie senden mir die Beschreibung zu. Vermutlich werden die Finanzen spannender Diskussionspunkt. Abgesehen davon: der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können. Mal sehen, ob denn das Team überhaupt Lust auf mich hat. Einige davon kennen mich bereits, sie waren mal da, wo ich noch bin. Kann auch verstehen, wenn sie ein neues Gesicht wollen.

Spannend, was das Leben so bringt.

Aus dem Leben ~ ... link (0 Kommentare)   ... comment





Dienstag, 11. Juli 2023
Nach der ersten 24-Stunden-Chemo, von gestern bis heute Mittag, war mein Vater erst mal Schwimmen. Vorsichtig erleichtert. Vermutlich kann man einfach immer nur im Moment leben mit diesem Scheiss. Was noch kommt, wissen wir nicht, und uns vorher damit fertig zu machen, bringt nichts, deswegen, ja, nehmen wie es kommt, und freuen wenns gut ist.
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Heute hatte ich die fünfte und letzte Stunde mit meiner Klientin, nachdem unser Gespräch letzte Woche eine unvorhergesehene Herausforderung mit sich brachte. Aber ganz gut hinbekommen, und mit der Supervisorin gut auf heute vorbereitet gewesen. Ich finde wir haben einen runden Abschluss gefunden. Könnte wegen mir jetzt direkt mit der Ausbildung losgehen, freue mich einfach nur krass darauf.
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Bin sehr froh, dass mein Thera nun früher Zeit hat und wir am Donnerstag sprechen. Gerade das, was da gerade rund um meine Mutter stattfindet, beschäftigt mich sehr und braucht Raum. Ich weiß gar nicht ob ich davon erzählt hatte. Vermutlich nicht, oder nicht viel. Sie ist nun seit über 6 Monaten Mitglied in diesem Verein für Sterbehilfe und kann den Antrag stellen. Der besteht primär aus einem Schreiben, in dem sie ihre Beweggründe für diesen Wunsch schildert. Meine Mutter möchte, dass wir ihr dabei helfen diesen Antrag auf Sterbehilfe zu schreiben. Wichtig an dieser Stelle: es besteht kein physischer/ funktioneller Grund, warum das jemand für sie übernehmen sollte. Allein kriegt sie es aber nicht hin. Ja, warum wohl? Und: wie kann man denn sowas auf seine Kinder abwälzeb? Außerdem betonte sie zweimal, dass es ihr wichtig ist, dass uns dann in dem Moment, wenn es soweit ist, bewusst ist, dass sie stirbt. Ich sagte, dass ich das sehr interessant finde, und dass es doch letztlich entscheidender ist, das IHR in dem Moment bewusst ist, dass sie sterben wird.

Ich weiß nicht, auf wie vielen Ebenen ich all das sehr fragwürdig und mehr als problematisch finde. Gerade letzteres hat mich sehr hellhörig gemacht. Ich rieche geradezu die Verantwortung, die sie schon als ich Kind war auf mich abgeschoben hatte. Damals sollte ich ihr helfen zu leben. Jetzt zu sterben. Ich bin aber nicht mehr 10. Diesen Weg muss sie komplett selbst in die Hand nehmen. Aber da ist noch mein Bruder - und der hat nicht so tiefschürfende Erfahrungen mit ihr gemacht wie ich, und es klingt, als ließe er sich breitschlagen das niederzuschreiben, was sie diktiert. Ich habe ihn nach diesem Termin (ich war online zugeschaltet zu einem Gespräch zwischen meiner Mutter, ihm und einem Herren, auf den ich hier nun aus vielen rechtlichen und datenschutzbezogenen Gründen nicht weiter eingehen kann und will) nochmal meinen Bruder angerufen und versucht ihm darzulegen, wie wichtig es mir wäre, dass er sehr genau in sich reinhört, ob er das wirklich möchte. Was, wenn sie ihm irgend sowas sagt wie: "Danke, ohne dich hätte ich das nie geschafft!" Das klingt wie ein Kompliment, aber es ist so krass vergiftet. Danke, dass du mich hast sterben lassen. Ohne dich würde ich sonst noch leben. Ich weiß nicht. Kann man mit sowas leben? Vielleicht bin auch nur ich so krass sensibilisiert bei sowas, weil ich Jahrzehnte gebraucht habe, um die mir als Kind auferlegte Verantwortung und Bürde abzuschütteln und aufzuarbeiten.
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Hier schließt sich noch mal ein bisschen der Kreis mit dem Thema Ausbildung. Also... ich habe bei meiner Klientin gemerkt, wie es sein kann, wenn sehr plötzlich Themen auf den Tisch kommen, die ich selbst in meinem Leben erfahren habe, und wie wichtig es ist, das dann zu erkennen und nicht auszuagieren. Es ist bisher ziemlich viel in meinem Leben passiert, und manchmal weiß ich nicht, ob das Fluch oder Segen sein wird. Aber bisher war ich froh, dass ich so gut nachvollziehen konnte, was das fürs eigene (Er-)Leben und Verhalten bedeuten kann.
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Und übers Wetter red ich nicht.

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