Donnerstag, 29. Februar 2024
Validierung.
Sobald ich den Termin mit Meister Yoda vereinbart hatte, wusste ich gar nicht mehr, wieso ich eigentlich hin wollte. Eigentlich ist doch alles okay. Oder? Ok, da sind die Existenzängste, die finanziellen, die beruflichen, die sonst irgendwie wie-solls-weitergehen-wie-willst-du-das-denn-alles-wuppen. Da ist die Masterarbeit, okay, ja. Und da ist das letzte Jahr. Schon wieder so weit weg.

Ein Teil von mir will ständig nur schlafen. Ständig. Ich bin unglaublich müde, fühle mich oft richtig krank. Wenn draußen die Sonne scheint, ist es noch schlimmer. Ich will fette graue Regenwolken, gegen die die Stimme, die behauptet wir müssen das Wetter nutzen, keine Chance hat. Warum bin ich nur ständig so dermaßen müde?

Auch als ich bei Meister Yoda auf dem Sofa im Wartevorraum sitze, könnte ich stante pede einschlafen. Also stehe ich auf, schaue aus dem Fenster. Vögel zwitschern, die Sonne lacht, der Neckar fließt seinen Gang.

Es ist schwer auf dem Herz, und Angst sitzt auf der Brust. Ich verstehe gar nicht so genau, warum. Liegt es an der Fülle an gleichzeitigen Dingen, die Zukunftsängste, und... vielleicht liegt es am letzten Jahr?Meister Yoda runzelt irritiert die Stirn, ja, das wollte er gerade sagen, also, da ist ja einiges vorgefallen.

Wir sprechen lang über den Tod von Eltern, über meinen Vater, über meine Mutter. Über diese ganze Situation mit meiner Mutter. Dass ich einfach keinen Umgang damit finde. Wieso geht es mir so schlecht?

Dem Gutachter habe er geschrieben, dass ich traumatisiert sei. Aufgrund der Ereignisse im letzten Jahr, und insbesondere aufgrund der Geschehnisse rund um meine Mutter. Schon aus seiner, distanzierteren Perspektive, sei es kaum zu fassen, was da geschehen sei. Das sei nichts, wofür wir Menschen etwas vergleichbares parat hätten, so dass wir vielleicht schon wüssten, wie damit umgehen. Ich muss lachen. Meinen Sie das ernst, mit der Traumatisierung? Oder ist das ironisch gemeint? Also echt jetzt: also, eigentlich war das doch vielleicht alles gar nicht so schlimm? Ich kann nicht glauben, dass das sein voller Ernst ist. Von so etwas kann man, also ICH, doch nicht traumatisiert sein!

Ich glaube, da ist ihm das Gesicht auseinandergefallen.
Und ich merke, dass ich wieder in einem sehr alten Mechanismus bin, der die Dinge wegpackt, weil er nicht weiß was er damit tun soll, und dann irgendwann verdrängt, wie schlimm es war, ist. Was soll ich denn aber machen, frage ich, also ich weiß einfach nicht was ich damit anfangen soll. Mir ein- und zugestehen, dass es mich beeindruckt hat, was dort geschehen ist. Dass es Eindruck hinterlassen hat, und dass ich nicht weiß, was ich damit tun soll. Das einfach eingestehen, zulassen.

Es klingt so banal. Ich will nicht, dass die Dinge einen solchen Eindruck auf mich haben. Meine Mutter hat schon so viel Einfluss auf mich gehabt. Ich will es nicht wieder. Nicht noch mal. Und doch, das ist wahr, ob ich will oder nicht, hat es natürlich Eindruck hinterlassen, und es ist kein Wunder, dass ich des Todes müde bin. Je länger ich dagegen ankämpfe, desto härter wird es - im Jetzt wie auch später.

Es war wichtig, mich daran erinnern zu lassen, dass es schlimm war. Diese Validierung meines Zustands zu erfahren. Noch sträubt sich in mir alles, die Versehrtheit einzugestehen. Dieses Sträuben ist das, was unmengen Kraft kostet, alle Energie raubt. Und Kapitulation war schon immer das, was mir am schwersten gefallen ist. Dabei habe ich sie in der Klinik als das heilsamste überhaupt erfahren.

Schritt für Schritt, flüster ich mir zu.

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Beeindruckend: Die Untergrundmagazine von Curt Bloch wurden aufbereitet, transkribiert und online zur Verfügung gestellt. Curt Bloch war ein deutscher Schriftsteller und Jurist. Als Jude wurde er von den Nazis verfolgt. So flüchtete er erst in die Niederlande, nach dem zweiten Weltkrieg emigrierte er in die USA. Er schrieb 96 satirische Magazine mit Gedichten, die durch die Widerstsandnetzwerke an den Orten seiner Verstecke zirkulierten und am Ende immer wieder zurückkamen. Niemand hat ihn je verraten.

***

Einfach nur bezaubernd: der Film "Gondola", läuft momentan bundesweit in Kinos/ Programmkinos. Die Liebesgeschichte zweier Frauen, die sich als Schaffnerinnen einer Gondelbahn in den georgischen Bergen treffen. Allein schon wegen der tollen Bilder ist der Film für die große Leinwand zu empfehlen. Wurde auch vom Publikum auf den Hofer Filmtagen mit großer Freude rezipiert. Ein Film, der ganz ohne Worte auskommt.


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Mittwoch, 28. Februar 2024
Nockherberg 2024
Sauber derbleckt: vielleicht nicht nur für Bayer:innen unterhaltsam. Hat mir gefallen, die diesjährige Fastenrede von Maxi Schafroth. Mögen Hubsi & Co sich mal das ein oder andere zu Herzen nehmen, befürchte aber geringes Reflexionsvermögen.

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Tausend Tode gestorben, als gerade der Gerichtsvollzieher an der Tür klingelte. Ich solle bitte runterkommen, er müsse mir etwas zustellen. Nun klingeln hier ja immer wieder dubiose Gestalten, ich deswegen erstmal skeptisch rumgedruckst. Parallel zig Befürchtungen über mein Studium bis hin zu meiner Arbeitsstelle, Wohnungs- und Finanzsituation. Im Hirn abgescannt: wo gibt es kein Problem? Mir fällt nichts ein.

Bis der Herr meinte, er komme vom Notar, es gehe um den Widerruf der Betreuung meiner Mutter. Uff. Erst einmal Erleichterung, ich wusste, dass die widerrufen wird, aber kannte nicht das Prozedere. Dann geht alles ganz schnell, ich halte das notarielle Dokument in der Hand. Es ist ein komisches Gefühl, als würde sich meine Mutter weiter weg von mir bewegen. Ich kann nicht sagen, ob es sich gut oder nicht anfühlt. Ich werfe noch einen Blick in den Briefkasten. Da liegt ein Umschlag von meiner Mutter. So ein komischer Umstand. Mit Herzklopfen steige ich die Treppen rauf. Ich ertappe mich dabei, wie mein erster Gedanken bei vielen Dingen, die aktuell meine Mutter betreffen ist: hat sie es jetzt gemacht? Macht sie es bald? Hat das was mit ihrem Tod zu tun? Mit Abschied?

Ich habe das, was im November war, nicht verarbeitet. Vielleicht kann ich das auch gar nicht wirklich verarbeiten. Vielleicht kann ich irgendwann loslassen, wenn sie tot ist. Ich merke, dass ich einfach keinen Ausdruck finde für das, was das alles mit mir gemacht hat. Nicht nur der November. Sondern die ganzen letzten Jahre. Wie ich für sie empfunden habe, empfinde, wie es mir mit all dem geht. Es ist nicht einfach.

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Alles Liebe, Meister. 51 Jahre wärst du heute geworden. Du fehlst mir. Kaum zu glauben, dass du schon seit über 5 Jahren fort bist. Doch ich glaube, du warst dabei, als ich dich im vergangenen Dezember zufällig im Urnenhain fand. Nach der Trauerfeier von R. wollte A. mir das Urnengrab ihrer Eltern zeigen. Wir spazierten über den gesamten Friedhof, bis zur unteren Grenze. Dort lagen sie. Und daneben - du. Ich wollte einfach nur kucken, in welcher Gesellschaft sich A.'s Eltern befinden. Irgendwie hat da etwas noch offenes in mir sein Ende gefunden. Es war, als hättest du mir kurz zugerufen: hallo, hier bin ich.

Du warst so lustig, derb auch manchmal. Klug und kreativ. Die Aktfotos, die du mal von mir gemacht hast, kann ich noch nicht so richtig ansehen. Es tut weh die Lücke zu spüren, die du hinterlassen hast, bei aller Freude dich zu kennen.

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Montag, 26. Februar 2024
Der freie Wille.
Gerade in der TAZ (bisher die einzige Tageszeitung von denen, die ich lese, die es auf der Startseite haben; gehört hatte ich bereits anderweitig von den Prozessen): "Straffreie Sterbehilfe: Freier Wille bei schwerer Depression?

Habe angefangen etwas dazu zu schreiben, und mich völlig ... in Rage, wollte ich gerade sagen, vielleicht trifft es das auch... also ja: in Rage geschrieben. Denke der Text wird länger.

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Dienstag, 20. Februar 2024
Mein Vater mistet aus.
"Ich habe da noch ein Porträt von eurer Mutter gefunden."
"Wirf es bitte nicht weg, ich nehme es."
"Es ist noch eure Mutter, wie sie früher war."

Vor meinem inneren Auge sehe ich, welches Bild er meint. Sie sieht darauf so hübsch aus, fröhlich, und klug.

Ach Mama. Du fehlst mir.

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Montag, 19. Februar 2024
Eine ehemalige Kollegin fragt, ob ich nicht doch über einen Anwalt und ggf. eine Klage nachdenken will. Alle Klagen, die sie damals in ihrem Job abgeheftet hat, wurden von den Mitarbeiter:innen gewonnen. Keine Ahnung. Hätte ich jetzt Geld übrig, würde ich es probieren. Mir wäre es heute schon zuviel, auf 100 Euro für ein Erstgespräch sitzen zu bleiben. Rechtsschutz habe ich leider nicht. Hat jemand Erfahrung damit, wie ich mir erstmal überhaupt die Einschätzung einholen kann, ob es im vorliegenden Fall sinnvoll/aussichtsreich ist, den Klage-Weg zu gehen?

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