Mittwoch, 2. Oktober 2024
Jedes mal, wenn ich Post von einem Notar, Amtsgericht oder sonst einer offiziellen Stelle erhalte, läuft in mir erstmal das volle Programm zu meiner Mutter ab. Auch wenn ich noch gar nicht weiß, ob es wirklich sie betrifft. Alles auf einmal, Sorge, Angst, Erinnerungen, Liebe, Wut, Trauer, und Erinnerungen über Erinnerungen, die sich mit Befürchtungen vermischen, alles in Sekunden und sehr bildhaft.

Gestern war es ein Schreiben vom Amtsgericht. Der Betreuer, der inzwischen vom Psychiater bestellt wurde, da mein Bruder auch am Ende seiner Kräfte ist, wir beide, wir können nicht mehr Verantwortung übernehmen, hat meine Mutter zwangseinweisen lassen in die geschlossene Abteilung der Bezirkspsychiatrie. Es wird auch erläutert, wer an dieser Entscheidung beteiligt ist, und warum sie getroffen wurde.

Man könnte meinen, ich gewöhne mich irgendwann an das alles("Wie soll man sich denn daran gewöhnen??" - Meister Yoda). Seit 15 Jahren lebe ich nun mit einer schizophrenen Mutter. Es ist nicht die erste Einweisung, aber die erste, in die wir nicht involviert sind. Sondern die jemand veranlasst hat, dem sie nicht nahe steht. Es ist ein schreckliches Gefühl für mich. Als würden wir sie gänzlich im Stich lassen. Ich verstehe auch nicht, warum man ihre notarielle Vereinbarung, die getroffen wurde als sie noch zu solchen Entscheidungen und Unterschriften fähig war, nicht berücksichtigt. Die Bezirksklinik ist für sie ein Trauma. Sie will in eine andere, diese liegt allerdings in einem anderen Bundesland, vermutlich geht es deswegen nicht. Doch wozu legt man sowas dann notariell fest?

Wie beängstigend ist das, auch für uns alle, denke ich mir. Zählt man irgendwann einfach nicht mehr? Werden Bedürfnisse irgendwann nicht mehr ernst genommen? Es macht mich auch sehr wütend.

Und es bricht mir das Herz. Weil ich weiß, wie furchtbar es für sie dort ist, und weil ich weiß, dass die geschlossene Station kein guter Ort für solche Patienten ist. Mit "solche Patienten" meine ich die, bei denen die Krankheit auf die Art und Weise ausgeprägt ist wie bei meiner Muttter. Die nie Krankheitseinsicht erlangte. Die selbstständig keine Medikamente nimmt. Die einfach immer wieder von vorne anfängt, sobald sie entlassen wird - mit einem Trauma mehr im Gepäck. Freiheitsentzug ist so etwas entsetzliches, und einmal mehr, wenn man selbst nicht versteht, warum es geschieht.

Ich bin sicher, dass alle Beteiligten aus bester Überzeugung und in bester Absicht handeln. Und doch finde ich es furchtbar. Wie sehr würde ich ihr einen Fürsprecher wünschen! Jemand, der sie liebevoll anfasst, egal wo sie steht. Mein Bruder und ich können diese Menschen meistens nicht sein, und auch das ist etwas, was ich nur schwer ertrage. Ich schäme mich, fühle mich schuldig.

Es ist nicht so, dass ich eine bessere Lösung habe. Ja, meine Mutter war in Kurzzeitpflege, dort wollten sie sie nicht länger dabehalten, weil sich meine Mutter unmöglich aufgeführt haben muss. Ich kann es mir lebhaft vorstellen, und das, obwohl ich sie seit diesem akuten und schnell voranschreitenden Verfall nicht mehr persönlich gesehen habe. Sie kann nicht mehr alleine leben. Mein Vater erzählte mir, mein Bruder kam neulich zu ihr nach Hause, da saß sie nackt auf dem Sofa und hatte sich eingenässt. Ich erzähle das nicht um sie blosszustellen, ich finde es ist eine herzzerreissende Szene.

Es gibt Wohnheime für psychisch Erkrankte, leider gibt es in der Heimat davon nicht viele. Warum haben wir keine guten Orte für diese Menschen. Verdienen sie es denn nicht auch als Menschen gesehen und behandelt (nicht im medizinischen Sinne) zu werden?

6 Wochen in der Geschlossenen, ich mag es mir nicht vorstellen. Klar beenden sie das und verlegen auf die offene Station, wenn es sich bessert, aber sie wird nicht auf der offenen bleiben, wenn sie diesmal überhaupt dorthin kommt. Und danach? Wie sehr mag sie da noch leben wollen?

Ich finde es schrecklich, einfach nur schrecklich. Diese Ohnmacht, diese Sorge, Angst und Trauer um sie. Brutale Hilflosigkeit und Schuldgefühle. Es sitzt schwer auf der Seele. Mama du fehlst mir, schon so lange.

~ M83 - Wait

Seelenheil ~ ... link (4 Kommentare)   ... comment





Montag, 30. September 2024
Aufräumen.
Den beiden anderen Institute abgesagt - vor allem Heidelberg ist mir sehr schwer gefallen. Auch dort wäre ich sehr gut aufgehoben gewesen. Eine der dortigen Psychologinnen zusätzlich einzeln angeschrieben. Das Gespräch fand ich ganz besonders, alle die mit ihr lernen dürfen, können sich freuen. Viele werden es nicht mehr sein, sie setzt sich gerade zur Ruhe, für Supervision oder Selbsterfahrung hätte sie Neuen sowieso nicht mehr zur Verfügung gestanden.
***

Kanzlei wegen Zeugnis beauftragt. Zuerst eine vor Ort angerufen. Diese meinte aber, sie sind dermaßen voll mit Kündigungsschutzklagen, dass sie einzelne Zeugnis-Mandate nicht annehmen. Der Anwalt empfahl mir dann eine Online Kanzlei. Soweit klingt das alles okay. Ich hoffe es lohnt sich, wenig Geld ist es nicht.

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Sonntag, 29. September 2024
Soundtrack Masterarbeit.
~ #136 Sensual Delight #5 / Gabriel Ananda Presents Soulful Techno

Gabriel Ananda · #136 Sensual Delight #5 / Gabriel Ananda Presents Soulful Techno


~ Sensual Delight - My Daydreaming

Sensual Delight · My Daydreaming


~ Ninsa - Špaceflowřs 16 - DREAM

Ninsa · Špaceflowřs 16 - DREAM

Nur so. ~ ... link (0 Kommentare)   ... comment



"Wenn ich weiß, wo's mich hinzieht, so... von meinen Herzensthemen, dann lohnt es sich auch unsicher zu sein oder [..] irgendwie mit der Unsicherheit irgendwo hinzugehen."

So Psychologin Anne Otto heute im heutigen "Plus Eins" zum Thema (soziale) Unsicherheit bei Deutschlandfunk Kultur.

Anne Otto spricht mir in vielem aus dem Herzen, auch, warum sie trotz ihrer Unsicherheit einfach macht. Weil sie neugierig ist, neue Situationen und Menschen kennenlernen möchte.

Für mich ist es wie eine kleine Hand auf der Schulter, die sagt: ja, das war eine gute Entscheidung mich dahin zu wagen, wo ich die größte Unsicherheit spüre - weil mein Herz mich dahin zieht. Weil ich trotz aller Ängste wissen will, wie es da ist und mit welchen Menschen ich da in Kontakt komme. Ich hätte mich immer gefragt, wie es dort gewesen wäre, auch wenn eine andere Entscheidung mit weniger (gefühlter!) Unsicherheit einhergegangen wäre. Nur Mut, flüster ich mir immer wieder zu, obwohl die Entscheidung ja getroffen ist. Die Unsicherheit bleibt. Die Neugierde aber ist stärker.

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Freitag, 27. September 2024
Immerhin dort zugesagt, per Telefon. Es steht die Überlegung im Raum, ob ich doch noch dieses Jahr starte. Darauf arbeite ich nun hin.
Bei den anderen aber noch nicht abgesagt. Gerade das in HD abzusagen, fällt mir doch sehr schwer. Ich hätte gerne diese Ausbildungszeit mit I. verbracht.
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Es ist, als würde etwas auf der Brust sitzen. Das hatte ich lang nicht mehr, vermutlich zuletzt vor einem Jahr. Und als würde etwas darauf warten hochzukommen und... ich weiß nicht. Zu weinen? Zusammenzubrechen? Etwas sitzt fest, das nicht festsitzen sollte. Vielleicht ist es aber auch die Summe an "offenen Tabs", wie Mimi so schön sagt.
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Die Firma hat mich ein korrigiertes Zeugnis gesendet - das einzige was korrigiert wurde, war das Geburtsdatum. Ja, nichtmal das hat gestimmt. Zum Rest kam eine sehr freundliche Begleitmail, man habe reichlich über meine Worte nachgedacht, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass das Zeugnis meine Leistung widerspiegelt. Ich sehe nach wie vor keine Grundlage dafür. Das sehr gute Zwischenzeugnis wurde am 30.1. ausgestellt. Das finale Zeugnis am 31.5. Krankgeschrieben bin ich seit 15.12.2023. Wie soll das gehen? Also doch Anwalt.
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Klinikbewerbungen, ja, ich weiß.
Masterarbeit. Ja. Jajaja.

Eigentlich will ich einfach nur mal ein Jahr nichts tun meine Ruhe.
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oh wow, eben erst mitbekommen. Das hält man ja auch einfach gar nicht aus, dass Menschen diese grauenhafte, unsägliche, undemokratische, rechtsextreme Partei wählen. So viele Menschen! Es ist unaushaltbar für mich. Alle, die das gewählt haben: ihr verantwortet das. Nicht die Ampel, nicht sonstige Fraktionen, nicht Merkel Habeck sonstwer, sondern ihr. Ich will mir das nicht mehr schönsaufen, was Leute dazu treibt.
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Auch das noch, ich habe Maggie Smith geliebt, sowohl in Harry Potter als auch in Downton Abbey. Letzteres habe ich vor allem wegen ihr gesehen. Farewell, und danke. Is aber auch immer wieder wenig erquicklich sich den Nachrichten zu widmen, mal ehrlich.
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Oh. Da ist der Knoten auf der Brust geplatzt.
Die Trauer um der Verlust eines Menschen der noch lebt, ist eine sehr einsame Trauer.

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Donnerstag, 26. September 2024
So. Ich schreibe das jetzt hier her, damit ich heute Nacht nicht wieder im Traum Entscheidungen wälze. Ich habe mich entschieden, zu diesem einen Institut zu gehen. Zum Herzensinstitut, allen Ängsten zum Trotz. Morgen kommuniziere ich das auch entsprechend. Und das will ich festhalten: ich bin so privilegiert mit meinen Freund:innen, die mit mir in den letzten zwei Tagen so tolle, konstruktive Gespräche geführt haben. Und mit dem finanziellen Rückhalt und emotionalen Support, den ich durch meinen Vater und seine Frau erfahre. Und dass ich nun letztendlich wirklich zu diesem Institut kann. Wie privilegiert kann man eigentlich sein.

Was mich noch umtreibt ist: mag ich hier erwähnen, welches Institut es ist? Nein, ich denke nicht, denn dieser neue Lebensabschnitt birgt viel Blogpotenzial, und bloggen, das mach ich am liebsten weiter in der Anonymität. Es fällt mir schon so inzwischen schwer genug. Manchmal finde ich es schade, dass ich hier inzwischen so wenig schreibe. Oder jedenfalls viel weniger, als im Leben passiert, und was ich eigentlich irgendwo gerne be-schreiben würde. Naja ja. Ja.

Da drängen sich schon wieder die kleinen kindlichen Zweifel ran. Haben wir doch besprochen, Leute. Ich krieg das hin, vertraut mir. Wir haben schon soviel geschafft. Schaut euch allein das letzte Jahr an. Lasst uns heut Nacht einfach gut schlafen.

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