Sonntag, 26. Januar 2014
<Platzhalter für die (tatsächlich öde) Geschichte, als ich F. vom Flughafen abholte>

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Hurra - es ist wieder so weit! Ich heule in mein Essen. Fast schon hätte ich diese ach so lieb gewonnene Gewohnheit vergessen. Hierbei festzustellende Verbesserung: das Heulen ist nur von kurzer Dauer. Mensch das ist doch super, nicht wahr.

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Sonntag, 19. Januar 2014
Ich hasse.
Schon wieder mal. Oder immer noch. Und es stellen sich ewig die gleichen Fragen: wo ist dieser intensive Hass denn sonst die ganze Zeit? Ist er ständig da, und ich unterdrücke, überspiele, übertünche ihn nur, lasse ihm keinen Raum? Oder bin ich in der anderen Zeit wirklich zufrieden, ausgeglichen, versöhnlich, freundlich und höflich auch mir selbst gegenüber? Oder spiele ich die ganze Zeit nur Theater?

Es kotzt mich so vieles an. Meine Familie, LeSchwe, die Arbeit. Ich mich, denn vielleicht liegt das ja alles nur an mir, bin ich inkompatibel, asozial, nicht anpassungsfähig, habe zu hohe Erwartungen, zu falsche Vorstellungen, die falschen Ideale. Und dann dieses geisteskranke System, ich dem ich einfach nicht den Platz finde, an dem ich nicht das Gefühl habe mich permanent von denen ausnutzen und über den Tisch ziehen zu lassen, die dann mit ihrer Millionen nach Hause gehen, weil ich so fleißig und artig war.

Ich kann es nicht mehr hören. Dieses Alphamännchengetue, das Profilierungsgehabe, dieses Rumgebalze, dieses Brustgeschlage und Tarzangeschreie. Im fetten Strahl könnte ich über die Tische kotzen und den ganzen verlogenen Fratzen ins Gesicht. "Oh darf ich kurz? Da klebt was auf Ihrer Stirn.." Ein zehntel des überzogenen Egos dieser psychopathischen Alphaarschlöcher würde mir schon reichen, nein sogar verdammt gut tun. Woher nehmen die die ganze Luft für ihre Arien?

Hasse ich das alles so sehr, weil es mir verdeutlicht, wie klein ich mich selbst fühle? Wie wenig Bedeutung ich mir in diesem Universum selbst beimesse?

Wie gern wär ich selbst einfach mal Bitch. So ein eiskaltes Alphaweibchen, hinter mir nur eine Schneise der Verwüstung, ein Land der Leichen. Lasse andere aalglatt ablaufen und ziehe Bahnen in meinem Geldpool. Aber das bin ich eben nicht. Und eigentlich möchte ich das auch gar nicht sein.

Warum sind die nicht alle Bulemiker, frage ich mich, die müssen sich doch selbst so dermaßen zum Kotzen finden. Stattdessen bin ich die Saudoofe, die das alles gegen sich selbst richtet, und das dann alles so zum Kotzen findet, dass sie selbst Bulemikerin wäre, wenn sie denn Kotzen nicht so ekelhaft und Essen nicht so göttlich fände. Schleppe die negative Energie, die diese ganzen Wichser ungefragt in meiner Anwesenheit verschleudern, mit nach Hause und ärger mich damit rum, finde kein Ende, finde keinen Abstand.

Und so bleibt die ewige Frage nach dem "wohin". Wohin mit dieser Aggression? Wohin mit mir?

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Samstag, 18. Januar 2014
Von F. haben wir nichts mehr gehört. Und irgendwie spüre ich ihn gerade nicht mehr. Nach wie vor fehlt er mir dennoch ganz unglaublich.

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Sonntag, 5. Januar 2014
Distance makes the heart grow fonder.
Im Flughafen ist es erstaunlich ruhig, nur an dem angepeilten Schalter staut sich eine kleine Menschentraube. Vielleicht liegt es am 1. Januar, vielleicht auch an der Uhrzeit. Vielleicht träumen wir aber auch nur. Dass wir hier jetzt echt zusammen stehen hätten wir vor zwei Wochen auch nicht gedacht. "Fliegen Sie mit?" "Nein", antworte ich der netten Lady am Check-in mit einem wehmütigen Lächeln. Sie nickt. "Das nächste mal dann zusammen?" flüstert F. in mein Ohr. Ich lächeln weiter. "Mal sehen, hm?"

Es ist komisch ihn nun für 3 Wochen zu verabschieden. "Distance makes the heart grow fonder", hat mir in meinem Praktikum in England mal ein Kollege gesagt. Damals war ich schwer verliebt. Und mir war schon immer klar - in England wie in Afrika wie sonst wo auf der Welt - dass es immer für denjenigen, der geht, leichter ist, denn er zieht in ein Abenteuer. F. hat sich fast in die Hose gemacht in den Tagen vor dem Abflug. Sein erster Urlaub seit vielen vielen Schuldenjahren, den er nicht auf Balkonien verbringt. Und dann auch noch raus aus Europa. Da liegt ein 38-Jähriger Mann in meinem Arm, der sich fürchtet vor drei Wochen Traumurlaub. "Ich will nicht weg! Ich will in deiner Nähe bleiben!"

Ich wäre gerne mitgeflogen, auch spontan. Am Freitag vor Weihnachten bin ich noch Flüge durchgegangen. Arbeitstechnisch aber ausgerechnet in diesem Januar nicht möglich. Vielleicht hätte ich es erflehen können. Aber mein Pflichtbewusstsein hat gesiegt. Jetzt ärger ich mich.

"Ich habe mich in den letzten Jahren daran gewöhnt dich nicht zu haben", hat F. mir vor Weihnachten gesagt, als ich mit selbstgebackenen Lebkuchen und einem "Du fehlst mir" vor seiner Tür stand. Mir selbst wurde allerdings klar, dass er mich mehr hatte als jeder andere. Es war wohl nicht der verheiratete Mann, der mich im Sommer 2013 so berauscht hat. Er war es nicht, dem ich den Rücken gestärkt habe, und auf seine Seite habe ich mich nie geschlagen. Es war nicht sein Duft, den ich vermisst habe, als er nicht mehr da war. Und der Parade-Remix von Eulberg ist eben einfach nicht sein und mein Track gewesen, sondern F.'s und meiner, und jetzt weiß ich auch, warum mich diese Aussage vom verheirateten Mann so gestört hat. Manchmal bin ich ganz schön schwer von Begriff - aber wer will so etwas auch schon zulassen, mit "so einem"? Dagegen war der verheiratete Mann rational betrachtet einfach sehr viel sinnvoller.

F. ist mir vor Freude über die Lebkuchen um den Hals gefallen. Und er sagte: "Hey, das ist die erste Karte, die ich von dir kriege. Die bekommt einen Ehrenplatz!" Es ist süß, weil es klingt, als würde er davon ausgehen, dass noch mehr Karten folgen, irgendwann. Und weil es ihm wichtig ist.

Nachts liege ich neben ihm, und wie er mich anfasst und hält, das ist einfach so wundervoll, und mein Herz klopft bis zum Hals, und ich bin froh, dass er da ist.

Am nächsten Tag bin ich zu meinem Friseur in N. Der war ziemlich arschig, wohl weil er enttäuscht war, dass ich diesmal nicht zum traditionellen Schäuffele essen mit ihm bleiben konnte, sondern direkt weiter in die Heimat musste (und wollte!) um in den Geburstsag meines Vaters reinzufeiern mit einem ganz fantastischen Dinner. Dazu gibt es auch eine Geschichte, aber die erzähle ich vielleicht ein ander mal, so wie es überhaupt viel zu erzählen gäbe, aber es lässt sich nicht so recht raustippen.

Der Friseur war also arschig und angepisst und kommentierte die Lebkuchen, die ich ihm brachte, mit: "bei der Verpackung hättest du dir aber auch mehr Mühe geben können." Und als er einen probierte: "die hattest du aber zu lang im Ofen, oder?"

Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar. Der Satz geistert mir seither oft im Kopf rum.

Da gibt es Menschen wie F., die aussehen wie Assis, die aber rundum herzerwärmend und aufrichtig sind, wenn man nicht gerade mit ihnen in Clinch geht. Und dann gibt es Menschen wie den Friseur, die wirklich herzerwärmend aussehen, wunderhübsch und sexy, die witzig und intelligent sind, die aber immer mehrere Dinge parallel am Laufen haben und sich wie ich nun beim Friseur merke oft nicht nur in einer Hinsicht völlig assi verhalten.

Es ist das erste mal seit ich F. kenne, dass ich Angst habe ihn zu verlieren. Und das nicht erst, seit er weg ist. Schon vor meinem Besuch bei ihm vor Weihnachten habe ich mit einer Kollegin darüber gesprochen. Ich hoffe, er kommt (heil) zurück. Viel hält ihn in Deutschland nicht. Und auf der anderen Seite habe ich riesen Schiss davor was ist, wenn er zurückkommt. Mein kleiner Assi mit den graublaugrünen Glitzeraugen und dem Duft nach Sonnencreme.

~ Sugababes - Too lost in you


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Freitag, 20. Dezember 2013
Kopf. Dame. Herz.


Es waren zwei Königskinder,
die hatten einander so lieb,
sie konnten beisammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief.

Je länger ich ihn kenne, desto tiefer ist sein Abdruck auf einem Herz. Er ist in meinem Herz. Mir selbst meine Liebe zu ihm einzugestehen dauert nun schon Jahre an. Und so aussichtslos es bleibt, und so sehr es mich ankotzt. Das Herz setzt sich immer wieder durch.

~ Set of the month: Dominik Eulberg - Apus apus Radiomix


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Sonntag, 1. Dezember 2013
I want to believe.
Frikadellen mit selbstgemachtem Kartoffelbrei. Das Essen und die Gesellschaft der beiden Köche sind Balsam für Magen und Seele.

Warum hast du die ganze Zeit nicht angerufen, fragt sie. Das ist doch das schöne daran, dass du endlich wieder hier wohnst. Dass wir das dann spontan machen können, vor allem wenn es dir nicht gut geht. Ich komme zu dir, oder du zu uns. Egal was ist, wir sind für dich da.

Es durchrieselt mich ganz wunderbar, als stünde ich in einem dampfenden Fußbad und jemand massiert mir den Nacken mit warmem Öl. Bei ihr klingt das nicht hohle Phrasen. Jedes Wort lässt mich fühlen dass es stimmt, und ich habe es doch auch schon so oft erfahren, wieso vergesse ich das immer wieder? Wieso vertraue ich nicht einfach auf die beiden?

Warum vertraue ich nicht einfach auch auf mich, und dass ich schon auch sinnvolle und gute Dinge (für mich) tue, frage ich mich beim Heimfahren. Ich habe es z.B. tatsächlich zu dem Chor geschafft. Meine Güte war ich stolz auf mich, dass ich dort wirklich hin bin, und dann wurde ich auch noch freundlich aufgenommen, man empfand meine Singstimme als sehr angenehm und es hat einen riesen Spaß gemacht. Ich freue mich aufs nächste mal. So kleine Schritte. Mehr Geduld und Nachsicht (mit mir). Und dann doch ein Tacken Mut, über-den-Schatten-Springen. Mehr in-mich-rein-Lauschen und lernen auf das zu vertrauen, was ich dort höre.

Zuhause dann ein Glas Rotwein. Eine Kerze. Und eine Katze.

Vielleicht ist ja doch irgendwie alles gut. Wenn ich an die richtigen Flecken schaue. Die richtigen Flecken erkennen und neue aufbauen. Und die anderen ausmisten oder zumindest auf Abstand halten soweit möglich.

Ihnen eine schöne und tatsächlich auch besinnliche Adventszeit. Ich wünsche Ihnen Momente in denen Sie Ruhe finden, Zeit und Muse, für Ihre wirklich schönen und/oder wichtigen Dinge und Gedanken.

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Dienstag, 26. November 2013
Warten auf .. was eigentlich?
Die dritte Woche Krankschreibung beginnt am Montag Morgen mit einem Anruf meines Bruders. Verdacht auf Schlaganfall bei meiner Mutter, und sie will (auch auf das beharrliche Drängen des Notarztes hin) nicht ins Krankenhaus. Die ganze Geschichte will ich hier jetzt gar nicht durchkauen. Letztendlich kann ich sie dazu überreden, in einer anderen Praxis wenigstens die CT durchführen zu lassen, dabei wird dann der Schlaganfall ausgeschlossen. Dafür erzählt sie mir, wie sie ein starktes Beruhigungsmittel, das früher als Neuroleptikum eingesetzt wurde, mit doppelter Höchstdosis in ihr Bier gekippt hat. Ob sie sich umbringen wollte, frage ich sie ganz ruhig und ernst. Nein, sagt sie, und dass der Schreck sehr tief sitzt. Sie war nur so verzweifelt, weil die Zuckungen so stark sind und sie manchmal einfach nicht mehr weiß was sie tun soll. Das verstehe ich, antworte ich, und dass sie die Tropfen ja gerne nehmen kann - aber doch bitte in Normaldosis und ohne Alkohol.
Wir machen uns Sorgen. Ich schreibe ja nicht viel von ihr in den letzten Monaten, weil es sich verhältnismäßig beruhigt hat. Vor einigen Wochen hat sie allerdings das Abil*ify abgesetzt, und wir erahnen eine gewisse Verschlechterung ihres Zustands. Bleibt abzuwarten.

Am Sonntag davor öffne ich mich der Frau meines Vaters. Mit der Bitte, mit mir gemeinsam das Zeugnis des alten Arbeitgebers durchzugehen, weil ich es alleine nicht hinbekomme. Und schütte mein Herz über diese Einsamkeit aus. Leider hat sie sich bisher nicht mehr gemeldet.

Ich zweifle, immer wieder, viel, an Menschen. Ich rede auch mit LeSchwe. Es ist verrückt: sie fragt plötzlich was ich Sylvester mache (und ich frage mich: liest sie dieses Blog?!?), und dass sie keine Lust mehr hat auf dieses klassische Sylvester, und dass der J. mit seiner Frau aus Nbg kommen und bei ihr feiern, und ob ich dabei sei. Ich sage ja, und merke aber, dass ich mir nicht sicher bin. Ich bin mit J. und seiner Frau nicht wirklich auf einer Wellenlänge. Hätte ohne LeSchwe nie eine Gemeinsamkeit mit ihnen. Nichts zu erzählen. Ich habe J. öfters in Nbg getroffen, als ich noch dort gewohnt habe, es bleibt oberflächlich, das muss ja erstmal nicht schlimm sein. Aber es strengt mich an in seiner Oberflächlichkeit. Dazu kommt, dass ich LeSchwes Kontakt immer öfters als opportunistisch empfinde. Wenn es gerade zeitlich passt, und es verhindert, dass sie alleine ist. Sonst widmet sie sich auch gern inbrünstig einem Typen, der nicht in sie verliebt ist und nur Sex will (und gerne auch noch die Mahlzeit und mal ne Unternehmung, ist bequem das Nest hier) und in den sie unglücklich verliebt ist und sich vormacht, dass sie dann jetzt einfach nur Spaß hat. Gleichzeitig möchte sie sich über ihn beschweren. Ich habe kein Verständnis mehr.


Der Rest der Woche, vielleicht liegt es an der passenden Themenwoche des ARD --- es wird jeden Tag ein bisschen besser. Irrwitzigerweise werden Nebenhöhlenentzündungen und Husten richtig schlimm, dafür scheint die Psyche wieder etwas an Halt und Zuversicht zu gewinnen.

Ich gehe weiterhin so gut wie täglich spazieren, koche. Schlafe auch viel als die Erkältung ganz heftig ist. Ich suche mir einen Chor im Internet raus. Überlege mich ehrenamtlich zu engagieren. Einfach Dinge um neue Menschen kennenzulernen und die mir und auch anderen vielleicht gut tun. Denke sogar über alternative Lebensformen nach, sehr nachdenklich gemacht hat mich der Beitrag über dieses Dorf Tempelhof. Mir fehlt so sehr eine Gemeinschaft. Auf die man bauen kann. In die man etwas geben kann, und aus der man etwas erhält. Das Ding in Mecklenburg z.B. wiederum wäre mein persönlicher Albtraum.

Heute, zu Beginn der 4. Woche Krankschreibung, ist diese leise Zuversicht wieder davongewischt. Und ich weiß nicht, ob ich mich morgen wirklich zu dem Chor traue. Ich kann nicht wirklich toll singen. Und überhaupt. Meine Soziophobie. Es ist eigentlich mein Alptraum neue Leute kennenzulernen, und dann auch noch ganz alleine und ungeschützt. Aber was, wenn ich anders einfach nicht vorwärts komme? Es ist in mir wirklich ein ganz grauenhafter und zerreissender Konflikt.

Und irgendwann muss ich zurück ins Leben, nach diesen 4 Wochen Krankschreibung. Ich sehe mich da nur nicht mehr. Nicht in dieser Firma. Nicht hier. Aber auch nicht anderswo. Ich bin völlig orientierungslos. Wohin gehen? Bei den Spaziergängen habe ich immer eine Klarheit, die sich komischerweise nicht in klaren Gedanken im Sinne von Entscheidungen und wissen-wohin äußert. Sondern in einer anderen Klarheit. Vielleicht in der Klarheit, dass dieser Moment da in der Natur gut ist. Es fühlt sich klar an. Und vielleicht setzt es auch Dinge in Gang. Aber es arbeitet nur in mir, und ich weiß nicht in welche Richtung ich das alles kanalisieren soll. Und ich habe nicht das Gefühl, dass noch mehr Zeit hilft. Weil ich mich gefühlt immer wieder im Kreis drehe. Und vielleicht auch gefangen bin in Denkmustern, sicher auch aus Angst vor Veränderung.

Ich frage mich nur immer wieder, wie lange das alles noch gehen soll. Habe das Gefühl ich warte auf etwas, das nicht kommt. Und je mehr Jahre ins Land gehen, desto mehr wünsche ich mir, jemand anderes zu sein. Ich weiß gar nicht, wer konkret. Jedenfalls nicht ich. Und ich verstehe nicht wieso das so ist. Ist Therapie so sehr fürn Arsch?

Ja. Unterm Strich sind da einfach nur sehr große Fragezeichen in mir: was jetzt? wohin? und wie? Ich denke, das "wie" würde sich ergeben. Wenn ich endlich mal wüsste "wohin".


---

Und dann sind mir noch andere Sachen eingefallen. Einfach so und ungefragt.

Das eine war ein Bekannter meiner Eltern. Mit ihm habe ich mich dieses Jahr vor einem Film auf den Filmtagen getroffen, wir haben ein Döner gegessen. Er erkundigte sich nach meiner Mutter. Und ich erzählte ein bisschen. Da wurde mir aufgrund seiner Blicke und Fragen klar, dass er keine Ahnung von den letzten Jahren hat. Das ist jetzt nicht ganz erstaunlich, aber gewundert hat es mich doch. Meine Mutter ist nicht so die Beziehungsaufrechterhalterin. Auch da habe ich Angst. Dass ich auch so bin. Weil ich misstrauisch bin. Vielleicht auch falsche Erwartungen an Freundschaften habe. Vielleicht auch nicht.

Jedenfalls.. dieser Bekannte saß mir gegenüber, und ich hatte ordentlich einen sitzen, weil ich davor ein Aktshooting bei meinem Intimfriseur hatte, nur sehr sehr schnelle Leser werden nun wissen wer das ist. Beiträge über ihn nehme ich meist sehr schnell offline.. Meine Güte habe ich mich an dem Tag toll und sexy gefühlt. Bei den Filmtagen Ende Oktober ging es mir noch so gut. Ich weiß gar nicht was passiert ist seitdem. Oder vielleicht ist ja dieses Gespräch passiert, von dem ich endlich mal erzählen sollte.

Auf meine Frage hin, woher sie sich eigentlich kennen, meine Eltern und er, erzählte mir der Bekannte die Story. Unter anderem: "die H. (also meine Mutter) die war ja früher, als ihr noch kleiner wart, immer nächtelang auf der Piste und hat getrunken. Und am nächsten Tag hat sie dann einfach geschlafen. Der H. (mein Vater) hat sich dann immer um alles gekümmert. Ansich hab ich ja nichts dagegen wenn man mal feiert. Aber wenn ich zwei kleine Kinder hab, dann steh ich halt trotzdem auf und kümmer mich." Das war erschütternd für mich. Denn ich weiß dass es stimmt.

Ich habe sehr vergrabene Erinnerungen an diese Zeit. Auch als meine Eltern getrennt waren. Es kam sogar vor, dass mein Bruder und ich wach wurden, und meine Mutter war gar nicht da. Sie leugnet das bis heute, aber mein Vater sagt, das stimmt, denn ihn haben wir dann angerufen, dass er kommt (also wir waren vielleicht 6 und 7 Jahre alt). Das ging länger so.

Die nächste Erinnerung ist eine an eine Mutter-Kind-Kur, mein erstes mal Sylt. Ich war 6, mein Bruder 5. Da waren meine Eltern gerade mitten in der Trennung, und ich sollte nach diesem Urlaub eingeschult werden. Es gibt ein Bild von dieser Einschulung, wenn ich es sehe muss ich heute noch weinen, so furchtbar sind diese Augen auf dem Bild.

In dieser Kur gab es irgend einen Streit zwischen meinem Bruder und mir, keine Ahnung um was es ging. Ich weiß nur, dass ich am Ende als die Blöde da stand. Das war öfters so. Ich hatte immer das Gefühl, dass mein Bruder auf eine absolut subtile Art und Weise immer bevorzugt war (heute weiß ich, es liegt an der Art der Bindung von klein auf, aber das jetzt genauer zu erläutern würde echt ausarten).
Aus welchem Grund mir meine Mutter eine gescheuert hat, das weiß ich nicht mehr, aber ich weiß, dass es ungerechtfertigt war. Und ich erinner mich so deutlich daran, weil es glaub ich die einzige Schelle ins Gesicht war, die ich je erhalten habe. Sie war so heftig, dass ich Nasenbluten bekam. Daraufhin ist meine Mutter völlig ausgeflippt, weil sie behauptete, ich hätte ihren roten Nagellack verwendet und verschüttet (das Blut tropfte auf den Boden). Ich weiß nicht wie es weiter ging, aber es war für mich grauenhaft.

Eine weitere Erinnerung ist, dass ich mit meiner Mutter mit Einsatz meiner Pubertät vermehrt aneinander gerauscht bin, und zwar gewaltig. Bis dahin war das eher symbiotisch, weil ich mir jahrelang ihre scheiß Vergangenheit anhören musste und was für ein Arsch mein Vater ist, ich sie mich eigentlich wie eine Freundin behandelt hat. Und nein, das war nicht gut.
Einer dieser Konflikte war so groß, als ich 14 war (ich höre auch regelmäßig den Satz: zieh doch bitte endlich aus), dass ich mich nach ganz viel Geschrei im Badezimmer einsperrte und über unseren Badezimmerschrank hermachte. Zum Glück hat der damals nicht viel an Tabletten hergegeben. Bisschen Aspirin und Sinupret. Und keine Ahnung was. Aber Stärkeres sicher nicht. Trotzdem bekam ich es mit der Angst zu tun und rief meinen Vater an. Er holte mich ab und wollte ständig, dass ich kotze oder Milch trinke, damit die Tabletten rausgehen. Damals konnte ich aber noch nicht mit Absicht kotzen. Auf Krankenhaus kam irgendwie niemand, aber das war auch nicht notwendig. Dazu muss ich sagen, dass das auch eine Zeit war, in der ich eigentlich eine sehr beschissene Beziehung zu meinem Vater hatte.
In dieser Nacht hatte ich aber so große Angst einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen, dass ich die ganze Nacht Radio hörte. Seitdem brauche ich jeden Abend etwas (zum Hören - nicht Tabletten) zum Einschlafen.

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Freitag, 15. November 2013
Keine Pointe.
Die zweite Woche Krankschreibung ist nicht so wie die erste. Sie ist stiller. Seit dem Familienfest. Was ich an Tränen zuviel hab, fehlt mir an Worten, auch im Gespräch mit mir selbst. Ich gehe spazieren, jeden Tag, durch den Waldpark, aber immer einen anderen Weg. Das ist das Highlight des Tages, sowohl was Bewegung als auch was mein Selbstgefühl angeht. Diese Traurigkeit bleibt zwar, aber anders, nicht so drückend wie in der Wohnung. Und der Herbst sieht so wunderschön aus, egal ob sonnig, neblig oder wolkig.

Ich hatte mir viel vorgenommen. Weil ich ja nicht ganz krank bin, abgesehen von einem widerlichen Husten und. Traurigkeit. Also hatte ich an Dinge gedacht wie: Balkon abräumen, Zeugnisentwurf vom letzten Arbeitgeber gegenlesen, Stellenanzeigen screenen, Bewerbungsunterlagen erstellen, Schrank und Kommode ausmisten, Staubwischen und so grundlegende Hausfrauendinge wie Staubsaugen, Wischen, Bad putzen. Beim Grundlegenden ist es dann auch geblieben, auch wenn immerhin der Balkon fast leer geräumt ist. Und ich mir gerne leckere Dinge koche. Und mein Bruder war mal auf Durchreise hier. Danach dachte ich aber, ich sterbe an Einsamkeit. Die Wohnung war so still.

Wirklich wichtig wären die Job-Dinge. Denn sie sind zu einem großen Teil mit dafür verantwortlich, dass es in mir aussieht wie es aussieht. Langsam frage ich mich, ob es nicht doch an mir liegt. Oder ob das mit der Firma eben so ist wie mit Exfreunden: man erinnert sich vor allem an die tollen Dinge, plant diesmal alles anders zu machen, und beide haben sich ja vermeintlich auch weiterentwickelt, und man kennt jetzt die Fallstricke. Aber wenn alle guten Vorsätze verraucht sind und der Alltag eingekehrt ist, zeigen sich letztendlich wieder die Gründe, warum es eben schon beim ersten mal nicht geklappt hat. Ich bereue den Schritt nicht, muss aber weitergehen, denn der Stillstand im jetzt bringt mich um

Ich möchte da jetzt gar nicht ins Detail gehen, mich selbst nerven diese Jobthemen schon genug. Was ich aber nicht ignorieren darf ist, dass der Job mir nicht gut tut. Das, was ich seit neuesten oder wie auch immer man das sagen will, tun soll. Das Bild, das man mir (wenn auch sicher nicht mit Absicht) mal wieder von mir selbst vermittelt - und das obwohl es mir lang genug zumindest so gut ging, dass ich das irgendwie kompensieren konnte. Mit den allerjüngsten Entwicklungen allerdings, was meinen direkten Job und seine Bedingungen angeht, UND was die Entwicklung und Entscheidungen der Firma angeht, komme ich nicht mehr klar, und möchte ich auch gar nicht klar kommen. Ich frage mich wie damals auch, ob denen eigentlich klar ist, dass ich ein teures Studium habe und nun über 7 Jahre Berufserfahrung.

Es fühlt sich wieder an wie das Kleingehalten-werden. Ich hinterfrage häufig, wieviel ich selbst mit meinem Selbstbild dazu vielleicht beitrage. Aber ich weiß dass es diesmal wirklich völlig falsch wäre, das bei mir zu suchen. Und ich bin nicht die einzige, der so einiges sauer aufstößt. Auch meine direkte Führungskraft (ich halte sehr viel von ihm und seinen Fähigkeiten) hat bereits erste Konsequenzen für sich gezogen, was mich nur weitere Fragen stellen lässt.

Schockiert hat mich, dass mir selbst das Ausmaß, wie sehr mich das alles mitnimmt, gar nicht klar war, bis ich Anfang letzter Woche beim Arzt war und er einen Zun*genp*ilz diagnostizierte. Den kann ich mir zwar irgendwo auch geholt haben (aber wo?!). Der Jungbuschdoktor meinte aber nur: "Hm. Den bekommt man eigentlich nur, wenn man physisch oder psychisch völlig am Ende ist." Ich hätte sofort Heulen können, wusste aber nicht warum. Ja, klar, ich war mit mir selbst irgendwie unzufrieden, und fühlte mich zunehmend einsamer, und dann war da noch die scheiß Sache mit F., und ich fing auch an Freundschaften zu hinterfragen (vor allem immer wieder die mit LeSchwe - immer und immer wieder. Warum ist das so? Und warum verletzt es mich jedes Jahr aufs neue so sehr, dass sie mich nie fragt was ich Sylvester tue, und ob wir es zusammen verbringen möchten, sondern sie plant immer ohne jegliche Berücksichtigung meinereiner). Aber.... also am Ende. Pf. Bitte.

Danach bin ich zum Hautarzt. Der fragte, was ich arbeite. Und ob ich denn einen direkten Zusammenhang zwischen meiner Haut und Stress sehe. Ich sagte, das wisse ich nicht, und er empfahl mir das zu beobachten.

Dann habe ich geheult und hatte auch einen vorläufigen Grund: anscheinend bin ich ein psychisches Wrack und merke es nicht. Seitdem denke ich darüber nach. Das war möglicherweise ziemlich blöd, denn vielleicht bin ich ja kein Wrack und habe mich nun nur zu einem gedacht. Aber die Tränen scheinen mir dann doch etwas verräterisch. Tja. Und dann kam eben der Samstag.

Am Montag schrieb mich der Jungbuschdoktor für eine weitere Woche krank. Der Pilz sei zwar abgeheilt, aber er würde es gern sehen, wenn ich noch eine Woche zu Hause bliebe. Und spazieren gehe. Und so. Also tat ich das.

Ich wabere unter der Glocke. Möchte mit niemandem reden, merke ich. War mit Freunden gestern (trotz Krankschreibung, jawohl) auch auf einem Poe*try Sl*am. Das war zwar nett, aber irgendwie halt auch nur durch die Glasglocke. Ich fand alle und alles komisch.Und eigentlich wollte ich nur schnell wieder nach Hause und Breaking Bad kucken. 4 Staffeln in 9 Tagen. Damit ich nicht darüber nachdenken muss, was eigentlich wann schiefgelaufen ist.

Denn so ganz leise kommt immer wieder ein kleiner Teufel, der wispert in mein Ohr: "Sooo, ist es wieder soweit, jaaaa? Da nervt also der Job. Und deine Freunde sind vielleicht auch gar nicht so toll. Willste wieder umziehen? Kannst du vielleicht gar nicht 'länger'? Haste wieder das Gefühl, ganz grundlegend irgendwo falsch abgebogen zu sein, hm? Du blöde Zicke. Nie passt dir irgendwas auf lange Sicht. Immer fängst du irgendwann das quängeln an. Vielleicht ist ja alles super und du raffst es einfach nur nicht! Was willste denn sonst auch machen, du Klugscheißer? Sieshte! Da fällt dir nichts ein! Nix weißte. Kannst auch nich soviel, ne. Sehen die in der Arbeit ja anscheinend auch so. Pf. Krieg dich einfach mal wieder ein und halt die Füße still!"

Und dann ist da der Engel, der sagt: "Bewerb dich doch einfach! Tu doch einfach was! Du musst was tun! Beweg sich, nicht nur beim Spaziergang!"

Aber da kommt nichts. Ich kann nicht. Ich krieg das alleine einfach nicht auf die Reihe. Bräuchte jemanden der mich am Händchen hält und sich mit mir hinsetzt, um Stellenangebote durchzusehen und Bewerbungen zu schreiben. Müsste sagen: bitte helft mir! Kann aber gar nichts reden. Will auch gar nicht reden. Ich bin ja die, die eh nen Schuss hat. Da kann ich doch nicht mit sowas auch noch kommen. Wie peinlich. Gehe in Gedanken alle vor, mit denen ich sonst über ganz intime Dinge und Seelenheil spreche, und stelle mir vor wie ich denen erkläre was gerade mit mir ist. Und dann schüttel ich den Kopf und denk mir: ne. Was soll ich denn sagen? Selbst der Papa merkt am Telefon nicht, dass irgendwas komisch ist. Aber das kann nur daran liegen, dass er es nicht merken will und dass er nicht weiter fragen möchte, denn er merkt zumindest: "naja reden willst du anscheinend nicht." Und ich denke an den Therapeuten, aber auch daran, dass ich ihm bei einem Telefonat nach der Selbstverstümmelungsaktion versprechen musste, es erst einmal alleine zu versuchen. Überlege auch, ob Therapieende und die Ereignisse bzw. mein Zustand irgendwie korrelieren. Komme aber immer zu dem Schluss, dass es einfach scheiß Timing ist.

Seit zweieinhalb Wochen habe ich eine Katze (aus dem Tierheim). Sie ist sehr verschmust und gurrt manchmal so schön, und ich bin sehr verliebt in sie. Und oft streichel ich ihr Fell und fange dann an zu flennen. Als würde die Katze mein Heulzentrum antriggern.

Ich weiß, dass ich mich bewegen muss, denn anders komme ich nicht da raus. Aber ich kann einfach nicht. Und ich schaffe es auch nicht nach Hilfe zu fragen. Und das nervt mich dann alles, und ich werde noch regloser.. etc pepe. Keine Pointe.

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Samstag, 9. November 2013
"Hier"-
"Mit wem bist du da?" Meine Großcousine schaut mich mit großen runden Augen an. Der Freund einer Cousine steht neben mir und lacht gehässig. "Allein ist sie. Mit niemandem da". Während die Kleine mit ihren 10 Jahren kontert "ja aber du..." (denn der Typ ist heute ohne meine Cousine auf der Familienfeier, so lange kenne wir ihn schon), sitzt sein Satz wie eine Faust in meinem Magen.

Ich gehe alle anwesenden Familienmitglieder und Freunde durch. Keiner über 10 ist hier solo.

Mir ist zum Heulen. Verkrieche mich ins Treppenhaus und tippe das. Fühle mich einsam, wie der letzte Dreck. Nicht wie jemand, der einen andren braucht um sich zu erkennen. Sondern wie eine Wölfin, die seit Jahren allein Reviere durchstreunt, hier und dort schnuppert um freundlich Hallo zu sagen, die kalte Schulter zeigt oder in die Kehle gebissen wird.

Man gewöhnt sich daran. Obwohl man es nicht möchte. Tbc.

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Eigentlich fängt es anders an. Die Kleine fragt: "Woher hast du deine Kette?" "Ach", antworte ich, "von einem alten Ex-Freund." Und ich denke an den Traum von vor ein paar Tagen. In dem ich zum ersten mal seit Jahren eine sehr intensive Begegnung mit eben jenem Mann hatte, meiner großen Liebe, wenn es sowas denn gibt. Der Traum hat mich dazu veranlasst, die Kette von ihrer Patina zu befreien, unter der sie seit Jahren verkümmert. Und man soll doch Silber auf der Haut tragen, damit es wieder glänzt...

Der Großcousin startet einen Rateversuch. "Wie, von einem Ex Ex Ex Ex Ex Ex..." ich weiß nicht, wie viele Ex noch kamen. "Ja, so ungefähr", meine ich. "Ey pass mal auf was du vor der Kleinen sagst". Ich schaue ratlos. "Na von wegen, über deinen Verschleiß hier zu reden." Ich bin sprachlos. Und getroffen. Es folgt obenstehendes Gespräch.

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Wieder im Wohnzimmer. Mir gegenüber sitzt mein Crystal-Cousin mit seiner "neuen" Freundin. Der, der bei der Beerdigung meiner Oma die Bankkarte geklaut und Geld abgehoben hat. Er ist glücklich inzwischen. In seiner Zweisamkeit. Hat seinen Halt gefunden. Kommt klar. Ihm geht es gut. Sogar ihm. Zur Begrüßung drückt er mich sehr lange. Vor meinen Augen blitzt sein nackter Körper an meinem auf, seine Lippen auf meinen. Für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich diese verbotene Lust und unseren Rausch von damals.

Mein Onkel, sein Vater, ein ganz cooler Typ, mit dem ich mich prima verstehe, der aber eigentlich nicht viel von mir in der Tiefe weiß, meint: "Hast du schon mal darüber nachgedacht, für eine Zeit ins Kloster zu gehen?" Ich lache bitter. "Ja, öfters." Sehe ich eigentlich so scheiße aus?! "Ja also.. ich meine nur.." er wendet seinen Blick verlegen ab, lässt ihn über den Fußboden schweifen. Das Wohnzimmer ist gestopft voll, die Luft ist stickig. Der Raum fühlt sich kleiner und immer kleiner an. Ich will atmen. Hallo.. hey.. ich will atmen.. bitte gebt mir einen Schluck Bier.. mein Hals... er fährt fort: "das würde dir vielleicht ganz gut tun. Mal runterkommen. Und so." Ich bin sehr irritiert. Wirke ich wie jemand, der mal runterkommen müsste? Ich lebe in der ständigen Unterforderung. Im .. vielleicht auch einfach im falschen Leben. "Weißt du", sage ich, "der A. [mein Bruder] bräuchte das eher, der ist nur am Rotieren. Der hat viel mehr um die Ohren. Und das nächste Problem ist: wenn ich mal dort bin, ich glaub, ich käme nicht zurück." Warum zum Teufel sage ich das alles? Es ist als würde ich an der Decke des Wohnzimmers schweben, oder vielmehr: kleben. "Ja", antwortet er, "das kann ich mir bei dir gut vorstellen."

Diese Antwort überrascht mich mehr als jede andere denkbare. Und ich weiß nicht, was er damit meint. Um uns rum so viele Stimmen. Und meine Brust wird immer enger. Ich muss raus, in die Küche. Da soll es Gulaschsuppe geben.

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Mir fällt ein, wie ich Freunden erzähle, dass ich gerne Drehbücher schreiben würde, nur aus Scheiß, für dieses Kurzfilmfestival, das alle paar Monate stattfindet. Und dass ich dann natürlich auch Schauspieler bräuchte. Wie sie antworten, dass sie das toll fänden und sofort dabei wären, denn ich wäre ja so unglaublich lustig, und dass sie immer soviel zu lachen hätten, wenn sie Zeit mit mir verbringen. Und ich frage mich, bin ich denn die Traurige, oder die Lustige? Oder two in one, sehr intensiv aber irgendwie anscheinend unvereinbar? Und wie ich antworte, dass ich da vermutlich eher Drama kann, depressiv und traurig. Und wie sie sagen: na, auch ok. Und wie schräg ich das alles finde, diese Lustigkeit, und wie mich Leute sehen. Wie ich mich anscheinend gebe. Manchmal. Oder wer was wann wo in wem sieht.

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In der Küche steht Rosi. Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich mit mir redet, oder ob sie es jedem anderem auch erzählt hätte. Rosi ist eine Freundin der Tante, die heute ihren 60. feiert. Rosi ist ein bissschen.. vermutlich würden viele sagen, "assozial"... sie verbrachte viel Zeit in Kneipen, mit den falschen Männern, hat kein Gebiss und ein verlebtes Gesicht, aber vermutlich ein Herz aus Gold.

"Wie geht es dir? Also so psychisch auch alles ok? Weißt du... man lebt so. Und bastelt sich so sein Konstrukt. Auch merkwürdige Gedanken und so. Weißt du? Die findet man nicht komisch, bis andere sagen: heeey... jetzt.. pass mal ein bisschen auf, hm? Du wirst irgendwie komisch."

Sie macht mir Angst, ganz plötzlich habe ich Angst und ich will nicht hören was sie weiter sagt weil ich Angst habe dass ich eine Rosi Anfang 30 bin, aber sie redet weiter: "Und man denkt sich: nein. Nein, nicht! Aber... Man ändert es nicht. Man lebt einfach weiter. Und irgendwann gewöhnt man sich daran, weil man es immer so gemacht hat. Man macht einfach weiter. Und manchmal sagt man tatsächlich auch zu manchen: nein. Nicht." Ich schöpfe mir Suppe auf den Teller und trinke dann aus meiner Bierflasche. "Aber trotzdem ändert sich nichts." "Das muss man ändern", sage ich. "Ja", sagt sie, "am besten man fängt heute an. Besser heute als morgen. Einfach nein. Sonst.. ist es einfach so, weil man es immer so gemacht hat."

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Ich esse die Suppe im stickigen Wohnzimmer. Wie fröhlich alle sind. Die Glasglocke vom vorletzten Weihnachten. Da ist sie wieder. Wie eine alte unwillkommene Freindin. "Hot and spicy", antworte ich dem Freund meiner USA-Cousine auf die Frage, wie die Suppe ist. Wir sind eine sehr große Familie. Und es ist das erste mal dass ich mir völlig fehl im Platz vorkomme. Ich gehe aufs Klo, dränge den Kloß im Hals nach unten. Nicht flennen jetzt, du blöde Kuh. Aber den Augen ist es egal. Sie sind knallrot und füllen sich immer wieder mit Wasser. Die Scheißteile. Ich atme wie im Hechelkurs. Es hilft nichts. Ich kann nicht mehr zurück, schleiche mich in das Kinderzimmer zu meinem Mantel und meinen Stiefeln, ziehe mich an, schreibe meinem Bruder, der im Wohnzimmer sitzt, eine SMS, dass ich raus muss und schon Richtung Papa gehe.

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Sterne. So viele Sterne. Es überwemmt meinen Hals, würgt sich hoch auf die Zunge, und bahnt sich als kehliges Schluchzen den Weg in diese eiskalte klare Nacht. Schritt für Schritt. Über Kilometer hinweg. Mein Bruder ruft an. Er hält neben mir. Ich sage, ich will weiterlaufen. Es ist ok. Ich wünschte, jemand würde heimlich aussteigen und hinter mir gehen. Aber wir sind hier schließlich nicht im Film. Die Augen schwellen zu, und die Sterne fragen sich, was wir hier wollen, wir Nichts, und mir fällt ein, dass ich schon mit 16 hinter dem Fernverkehr stand, betrunken von Wodka Lemon, und die Sterne anflehte: holt mich nach Hause!

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Ich bin so müde. Und so verloren. Am liebsten würde ich mich selbst einweisen.

Mich hält hier nichts. Was auch immer "hier" ist.

Seelenheil ~ ... link (11 Kommentare)   ... comment