Sonntag, 10. Januar 2010
Ratlosigkeit.
Das neue Jahr begann so anders als erahnt. Allein schon, dass N., M. und H. meinten, schreib Sesamina, dass du dann bei ihm vorbeikommst, und auch er tatsächlich der Meinung war, das sei eine gute Idee. So kam es, dass ich mich nach unserem köstlichen Menü in dem schnuckeligen Restaurant und einer fröhlichen Begrüßung des neuen Jahres in einem Taxi auf den verschneiten Straßen Berlins wiederfand.

Es hat sich in keiner Sekunde falsch angefühlt bei ihm zu sein. Wir hatten so wunderschöne gelöste Stunden, bevor es mir am 2. dann den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Aber er war immer noch da, und nahm es wie es ist, auf eine Art, die so für sich sprach, und mir so gut tat.

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Er fehlt mir. Ich bin inzwischen wieder in Man*nheim. Meine Mutter spricht seit vorhin nicht mehr mit mir. Seit ich meine Überzeugung geäußert habe. Dass ich es nicht glauben kann, was sie sagt.

So skurril, das alles. So surreal.

Sie hatte einen Unfall, heute, auf dem Weg von der Klinik, in der sie (aus körperlichen Gründen) behandelt wird. Sie wollte über das Wochenende nach Hause. Der Unfall passt nur in ihre Theorie. Die Landespolizei, die steckt vermutlich auch mit drin. Und es gab ja schon mehr Ungereimtheiten mit ihrem Auto in den letzten Wochen. "Du meinst, der Unfall ist auch nur provoziert?" "Das sage ich nicht." Aber nein sagt sie auch nicht, "lassen wir es so stehen", kommt stattdessen, und ob ich schon wüsste, dass sie auch ihr Handy und Festnetz angezapft haben, ebenso wie den Rechner.

Da kann ich nicht mehr anders. "Das erinnert mich alles so an Oma", sage ich verzweifelt. "Glaubst du mir nicht? Der Arbeitgeber ist doch auch schon involviert. Was meinst du, warum dich die Kollegin angerufen hat?"

"Aus dem gleichen Grund, warum ich sage, dass ich dir nicht glauben kann. Wir machen uns alle Sorgen. Mama, du brauchst Hilfe."

Gestern meinte sie, dass sie bereits bei jemandem ist. Es ist ein langjähriger Bekannter unserer Familie. Vorhin konnte ich nicht mehr anders. Ich musste ihn anrufen. Ich muss wissen, ob sie wirklich bei ihm ist. Ich habe ihn nicht erreicht.

Meinem Bruder hat sie eine sms geschrieben, sie waren für morgen verabredet: "Ich habe morgen andere Pläne und keine Zeit."

Sie macht die Schotten dicht. Die Eisscholle treibt mit ihr allein immer weiter aufs Eismeer hinaus. Während wir anderen alle am Ufer stehen und wie wild rufen, weil wir ihr helfen wollen. Doch sie paddelt weg. Weit weg......

So viele Gespräche, mit dem Rest meiner Familie, mit ihrem ehemaligen Analytiker, mit meiner Therapeutin, mit meiner Mama. Und doch drehen wir uns irgendwie im Kreis.

Wie jemanden per Zwang in Betreuung überstellen, der für sich und andere keine Gefahr darstellt? Müssen wir zusehen, bis es eskaliert? Sie ist so clever zu sagen: "Das habt ihr alle missverstanden. Das habe ich alles nie so gesagt." Aussage gegen Aussage. Und was dann?

Sie ist ja nicht dumm. Sie ist nur... paranoid.

"An einem Verrückten erschrickt uns am meisten
die vernünftige Art, auf die er sich unterhält.

Anatole France