Donnerstag, 22. September 2022
Leben.
"Haben Sie was mit Ihren Haaren gemacht?
[...]

Mhmmm... früher, als Sie Kind waren, sollten Sie ihr helfen zu leben. Heute sollen Sie ihr helfen zu sterben.
[...]

Wenn Ihre Mutter zu dem Entschluss kommt, dass sie die Kontrolle über ihr Leben zurückhaben möchte, und das bedeutet, dass sie sich für den Tod entscheidet, dann müssen Ihr Bruder und Sie sich vielleicht dahin arbeiten, das zu respektieren.
[...]

Das ist nichts, wofür es eine psychologische Lösung gibt. Da wird Schmerz sein. Durch den müssen Sie durch.
[...]"


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Heimweg am Neckar. Die Sonne strahlt vom knallblauen Herbsthimmel. Der Wind fährt durch die Pappeln. Klare Luft auf dem Gesicht. Ich radel langsam.
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Ein Mann schiebt einen Kinderwagen, sucht Lieder auf Youtube und singt laut (und schräg) dazu, sichtlich erfreut.
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In den Quadraten. Ein Wohnungsloser kackt vor den Rewe.
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Neulich bei der Akupunktur versuchte ich mich zu entspannen, wie bei der Meditation. Einatmen, ausatmen. Loslassen. Einatmen, ausatmen, loslassen. Und wie ich da so atmete, war ich irgendwann auf der Grenze zwischen Wachsein und Schlaf. Da war ich plötzlich erfüllt von der tiefen Gewissheit, dass alles Sinn ergibt. Dass alles so ist wie es sein soll. Also nicht im Kleinen, in meinem Leben, sondern (auch) im Großen, alles. Sobald mir das bewusst wurde, wollte ich mir das näher ankucken, aber dieses Wissen und die damit einhergehende Ruhe, Gelassenheit und Freude zogen sich sofort zurück. Okay, dachte ich mir. Zuckte mental mit den Schultern, lächelte und schlief ein.

~ Ströme X Nick McCarthy - Stadlberg

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Mittwoch, 14. September 2022
Leider kein Traum: Mama möchte sterben. Naja eigentlich nicht wirklich, aber sie möchte frei von Leid sein. Niemandem fällt noch eine Behandlungsoption ein, die sie nicht verweigert. Ihr fällt nur noch Suizid ein.
Das Thema trifft mich nicht so hart wie damals, als es zum ersten mal aufkam. Nun klingt sehr viel ernster, konkreter. Wenn sie darüber spricht, blüht sie auf. Ich habe (noch?) keine Worte. Aber Angst. Wir probieren es über Dignitas. Das ist mir immer noch lieber als, ich zähle ihre bisherigen Abwägungen auf: Tabletten, Zug, Mähdrescher (wtf?), Aufhängen. Wie ich das so hier her schreiben kann. Neulich habe ich diesen Artikel über Neuropolitik gelesen. Sehr spannendes Thema. Da ging es unter anderem um Dehumanisierung. Etwas, das wir alle immer wieder tun. Ich momentan vermutlich sehr. Und immer dann, wenn ich dahinter meine Mutter, meine Mama erkenne, bleibt einfach nur nacktes Entsetzen.

K. ist im Hospizverein und kennt jemanden, der seine Mutter ebenfalls auf einem solchen Weg begleitet hat. Sie versucht den Kontakt klar zu machen. Ich brauche... Hilfe.

***

So gut wie pleite, und trotzdem Sylt gebucht. Oder gerade deswegen? Meine Stammunterkunft hat sehr vernünftige Preise. Geradezu unglaublich gut, für diese Insel. Und bevor der Wahnsinn mit Doppelbelastung Mitte Oktober nach einem guten Jahr Pause weitergeht, und nach diesen ganzen wahnsinnigen und zum großen Teil auch wahnsinnig anstrengenden Erlebnissen der letzten 1,5 Jahre, mag die Seele rauhe Seeluft tanken. Direkt von der Insel dann nach Berlin, N. verteidigt ihre Dissertation. Freu mich wie Bolle auf diese Ausflüge - und den Start des Masters.

Aus dem Leben ~ ... link (0 Kommentare)   ... comment





Sonntag, 11. September 2022
Psychodynamik
Gestern Nacht träumte ich vom F.; er campiert mit einem Drogenkumpel in meiner Wohnung, die ich länger nicht betreten hatte. Nun wollte ich aber Dinge vorbereiten für einen Umzug. Ich wusste nichts von ihrem Campieren, weiß auch nicht so genau, warum er den Schlüssel hat, der F. und ich sind eigentlich im Streit und hatten länger keinen Kontakt, und die sich mir dargebotene Szene ist rätselhaft. Ich sehe die beiden, wie sie auf dem Boden sitzen und aus Blechdosen essen. Wie Obdachlose mit geliehenem Obdach. Impulsiv rufe ich schneidend kalt: "Raus! Sofort raus." Dann fällt ein enger Ring von meinem Brustkorb ab und ich senke den Kopf, schüttel ihn, sage leise: ne, egal, egal, bleibt, bis ihr etwas gefunden habt, aber bitte kümmert euch darum, die Wohnung muss geräumt werden, ihr müsst leider auf jeden Fall gehen.

Der Traum ist krass und ich verstehe ihn sehr gut im Zusammenhang mit der Situation, in der F. und ich uns befinden.
****

Heute Nacht träume ich erst von einer Technoparty, in einem Kaff meiner Heimat. Es gibt weder diesen Ort noch diesen dunklen Club, aber ich weiß genau, dass ich in einem anderen Traum schon mal hier war. Es ist viel Platz, eigentlich wenig los, aber für die Heimat typisch, mit mehr rechnet man nicht, insofern sind es genug und genau die, die immer da sind. In einer Stadt etliche Kilometer über die ehemalige Grenze findet parallel eine Schwesterveranstaltung statt, dort will ich später eigentlich noch mit dem Zug hin, was in meiner Heimat und dem gesamten Gebiet v.a. nachts eigentlich fast unmöglich ist.
Ich schlender durch die dunklen, hohen Räume, sehe Leute. Der K. aus Mannheim kommt, wir hatten uns verabredet. Er trägt ein Hemd. Ich frage mich warum und schäme mich kurz fremd, bis ich mir denke, ist doch auch scheissegal. Ich merke dass ich müde bin, sehe, dass eine ihren Spiegel auf ein kleines Sideboard vor dem Klo gelegt hat, mit fetten Lines. Jeder der mag, kann scheinbar mal ziehen. Ich möchte aber nicht, zum einen will ich eigentlich nicht, zum anderen nicht, ohne sie zu fragen, und sie ist gerade rein aufs Klo. Ich gehe weiter. Sehe hier und da Leute, die ich von früher kenne, sie sehen kaum älter aus als damals. Vielleicht, weil ich sie danach nie wieder gesehen habe und sie mir nicht älter vorstellen kann. Wie haben sie diese Zeiten damals überlebt?
Wir sehen uns Zugpläne an, alles in kompliziert. Ich will aber unbedingt D. spielen hören, und der legt bei der Schwesterveranstaltung auf. Irgendwie kommen D. und B. plötzlich, der Gig bei der anderen Veranstaltung ist schon längst vorbei, es muss schon viel später sein als ich denke. Ich freue mich, weil ich weiß, dass er gleich hier auflegen wird. An einem Tisch sehe ich die junge Frau mit den fetten Lines und einer ihrer Freundinnen. Ich frage sie, ob ich auch ein bisschen ziehen darf. Ziehe kurz etwas. Das ist interessant, denn alles in dem Traum ist ganz klar. Aber der Moment, in dem ich tatsächlich etwas ziehe, ist wie kurz rausgeschnitten. Die Nase bleibt wie unberührt. Und doch ist es geschene und ich werde mit der Zeit etwas munterer, wacher.
-- Cut im Traum, aber irgendwie hängen die Szenen doch zusammen. Ich glaube, LeSchwe taucht auf der Party auf. Doch die gesamte Party-Szenerie löst sich irgndwie auf. Es bleiben sie und ich, und ihr Freund. Wieso der da bleibt, weiß ich nicht, ich hinterfrage es auch nicht, aber bei dem, was kommt, wäre seine Gegenwart eigentlich unpassend. Wir streiten über die aktuelle Situation. Machen Vorwürfe. Es eskaliert völlig. Nach dem Gespräch bleiben nur Schutt und Asche. Ich habe den Eindruck, es lässt LeSchwe aber relativ kalt, für sie passt es so. Ich lösche sie aus dem Handy. Sie schreibt mir, wie ich ihre Daten irgendwie datenschutzkonform komplett löschen soll. Mit etwas Abstand tut es mir weh, wie es ist. Ich überlege sie anzurufen und zu fragen, wie es ihr nun nach diesem Gespräch geht. Aber mir fällt ein, dass sie gerade in die Sauna gegangen und dort nicht erreichbar ist.

Der Traum ist ebenfalls krass und ich verstehe ihn vollständig. Sofort kommen sehr liebevolle Gedanken in mir, ich teile mit ihr, dass ich einen Traum hatte, in dem nach einem Gespräch nur die Zerstörung bleibt. Dass ich immer noch keine Lösung habe für das, was gerade bei uns ist, dass ich keine Antworten weiß. Dass ich einfach versuche anzunehmen, was jetzt ist und mir vorstelle, dass es ist wie mit Bäumen und Blumen in Herbst und Winter: erst welken sie, dann verlieren sie Blätter und Blüten, sie sehen starr aus und leer, man glaubt sie tot. Aber irgendwann kommt der nächste Frühling, immer.

Seelenheil ~ ... link (0 Kommentare)   ... comment





Samstag, 10. September 2022
Mein Bruder und ich telefonieren, unterhalten uns über unsere Mutter. Er hat gerade die zwei Kids ins Bett gebracht. Momentan ist er allein mit ihnen, die Mama ist ausgeflogen. Während wir sprechen, fängt die Kleine an zu weinen. Er geht hoch ins Kinderzimmer. Ich frage, ob ich später noch mal anrufen soll. Nein, sagt er, bleib doch kurz dran. In Ordnung. Ich sitze bei meinem Vater auf dem Sofa, eingemummelt in eine rote Wolldecke. Die Heizung rauscht leise, die Küchenuhr tickt, ansonsten ist es still. Durchs Telefon höre ich die intime Ruhe, die ich schon öfters bei Freund:innen erlebt habe, wenn sie ihre Kinder beruhigen und in den Schlaf begleiten. Ich höre, wie mein kleiner Bruder Papa ist. Völlig unerwartet bin ich unglaublich berührt. Sitze da, lausche mit gespitzten Ohren, fühle eine Ganzheit und für den Moment ergibt alles Sinn, alles. Vielleicht ist es manchmal so, wenn man selbst Kinder hat. Die Minuten vergehen. So sitze ich da, Tränen laufen mir übers Gesicht, und ich fühle mich meinem Bruder und seinen Kindern ganz nah. Irgendwann flüstert er fragend meinen Namen. Ich flüster "ja", er entschuldigt sich, und ich teile mit ihm, wie ich diesen Moment erlebt habe.

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Dienstag, 23. August 2022
Gefahrgutaustritt.
Es ist gerade etwas aufregend. Ziemlich nervös wurde ich bei den Sirenen. Ich hoffe, es ist keine weitere Evakuierung nötig. Sobald sie noch ein bisschen ausweiten, bin ich vermutlich mit betroffen. Schon etwas weird, dass keiner sich so wirklich über die Substanz äußern will. Manchmal ist von Flüssiggas die Rede, aber Polizei und Stadt machen z.B. keinerlei Angaben. Es hat jedenfalls übelst gestunken, ich radelte von der Post nach Hause, die Stadt apokalyptisch verstopft, Straßen gesperrt, Polizisten, Hubschrauber, Feuerwehr ohne Ende, Rotes Kreuz. War ein komisches Gefühl dahin zu fahren, wo die meisten weg wollten/sollten. Hoffentlich gehts glimpflich aus.