Montag, 19. Dezember 2022
In der S-Bahn. Ein Typ, schätzungsweise in seinen Dreißigern, kommt in den Wagon, ohne Maske, rotzt und hustet wie bescheuert in sein Telefon. "Ja man, die Menschen sind krank, nur noch so Ich-Denker." Hust, rotz. "Wie Tiere." Hust, rotzehochzieh, "Schon in der Bibel steht, dass die Menschen am Ende wie Tiere sein werden." Hust.

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Gelesen: Noahs Tod (€). Noah ist 23, querschnittsgelähmt und möchte assistierten Suizid in Anspruch nehmen.

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Ich zähl die Stunden bis Weihnachten/ "Urlaub" (nennen wir es arbeits- und vorlesungsfrei)

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Freitag, 16. Dezember 2022
Es ist alles gerade ein bisschen sehr viel. Zwischen dem Overkill an Arbeit und Uni lauert das Mutter-Monster (assistierter Suizid). Neulich bin ich im Gespräch mit einer Kollegin zufällig auf das Thema gekommen, und... wow. Dazu kommt momentan alles hoch, was das Jahr so gebracht hat. Die Katze, die Klinik, meine Beziehungsschwierigkeiten, der Uni-Start. Mein Nacken und die Schultern sind seit Dienstag sowieso schon nur noch aus Beton. Sonst gar nicht mein Problembereich.

Als ich mich heute Morgen an meinen "Schreib-" aka Wohnzimmertisch gesetzt und überlegt habe, wie ich das jetzt am besten alles organisiere, was da ansteht (von emotionaler Bewältigung ganz zu schweigen), merkte ich, wie ich starr werde, meine Finger versteifen. Ein Druck setzt sich auf Herz und Brust. Atmen.

Von Samstag Abend bis Sonntag Mittag will ich zu Rini in den Taunus. Eigentlich habe ich gar keine Zeit dafür, aber dann denke ich: genau für so etwas will ich Zeit haben. Wann der Rest geschehen soll - keine Ahnung. Texte wollen gelesen, Präsentationen vorbereitet, Hausarbeitet geschrieben, Inhalte gelernt werden. Am besten alles vor Weihnachten, zumindest zwei feste Termine stehen noch am Montag und Dienstag an. Außerdem einer Kommilitonin von der FernUni angeboten, ihre Bachelorarbeit Korrektur zu lesen. Da weiß ich auch nicht, was in mich gefahren ist. Also ich weiß, dass ich das wirklich sehr gerne mache, auch, weil mich ihr Thema interessiert. Aber ??? für wen halte ich mich? Diese Korrekturlesung wird wohl im Zug in die Heimat vollzogen werden.

Am Mittwoch gehts nach Franken. Vielleicht falle ich dort einfach in den hundertjährigen Schlaf, bis mich... am besten bitte die Katze wachküsst, und wenn es nur ein übers-Auge-lecken ist.

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Montag, 12. Dezember 2022
Bei der Entscheidung für ein Studium an der ältesten Uni Deutschlands hatte ich folgendes nicht berücksichtigt: dass auch die Gebäude sehr alt sein könnten, und der nächste Winter bestimmt kommt. Und was ich wirklich überhaupt gar nicht nach ca. 15 Jahren Rhein-Neckar-Region einkalkulieren KONNTE, sind Temperaturen unter 0 Grad, und das auch noch über mehrere Tage hinweg.

Ich kann nicht sagen, ob unser Institut beheizt wird. Die Einzelbüros vermutlich schon, aber Seminarräume und Hörsäle? Es fühlt sich nicht so an. Heute erstmalig meine Wärmflasche mitgenommen. Sie hielt sich tapfer, vom Verlassen des Hauses um 8 Uhr, über den Weg mit Rad - S-Bahn - Rad und mehrere Vorlesungen, bis ca. 14 Uhr, immerhin. Sie hat den Test erfolgreich bestanden und nun den gleichen Stellenwert wie der Laptop. Ich schließe zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus, dass die Wärmflasche im Verlauf des Winters unangefochtene No. 1 wird.






Sonntag, 11. Dezember 2022
Vielleicht sollte ich das Blog bald umennen in ein "Mom-Blog" der anderen Art.

Meine Mutter verfügt voll über meinen Bruder. Er weiß, dass er das nicht tun muss, was sie sich ständig alles einfallen lässt, ich weiß aber auch, wie schwer sie es ihm macht, wie schwer es sich für ihn anfühlt, wie schwer es ist, es dann nicht zu tun, weil man nicht weiß, ob es dann jemand anderes macht.

Es ist, als würde sich das, was sie damals mit mir als Kind gemacht hat, mit meinem Bruder als Erwachsenem wiederholen. Sein Vorteil ist, bzw. wäre: er kann entscheiden. Er ist nicht existenziell abhängig von ihr. Theoretisch und de facto auch praktisch hat er die Möglichkeit zu sagen: nein, ich springe jetzt nicht.

Aber wie gesagt - ich weiß auch, wie schwer sie es einem macht.

Auf der einen Seite tut sie mir unfassbar leid, wegen dem, wo sie herkommt, wie sie aufgewachsen ist, was sie als Kind erleiden musste, und wegen dem, wo sie seit ein paar Jahren steht, diese Schizophrenie, das, was sie als Erwachsene erleiden muss... ja, wegen dem, wie sie aus diesem Leben raus gehen wird. Andererseits finde ich es nach wie vor so grausam, was sie mit uns tut. Für mich ist es sehr viel leichter aus der Distanz heraus. Tatsächlich war das auch immer der allerwichtigste Grund, warum ich niemals mehr langfristig in der Heimat wohnen wollte, so lange sie noch lebt. Weil ich weiß, wie sehr sie über einen verfügen, einen beherrschen kann. Dazu das schlechte Gewissen meinem Bruder gegenüber, dass er alles vor Ort abfängt. Ich kann das aber, gerade mit der Historie, die meine Mutter und ich haben, einfach in dem Maße leisten. Ich würde meinem Bruder sehr wünschen, dass er sich mehr abgrenzt. Er könnte theoretisch auch wo anders wohnen. Es ist nicht unsere Schuld, dass sie kein Netz hat.

Es ist, als wären wir einfach unser gesamtes Leben lang für sie verantwortlich. Wirklich das gesamte.

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Mittwoch, 7. Dezember 2022
Last christmas?
Emotionaler Overkill. In Gesprächen mit meiner Mutter merke ich, dass sie Revue passieren lässt. Sich erinnert. Heute fragt sie, ob ich über Weihnachten mal Zeit für uns beide einrichten kann. Dann fängt sie an zu weinen. "Wir haben ein paar Leichen im Keller, du und ich", meint sie. "Die möchte ich aus dem Weg räumen."

Ich weiß, dass das stimmt, habe mich aber seit Jahren nicht mehr getraut mit ihr über Dinge zu reden, bearbeite sie alleine. Auch aus Angst davor, dass dann wieder Bretter kommen, mit denen ich nicht umgehen kann, oder dass sie nur leugnet. Sie hat gerade eben sehr klar gesagt, was sie bereut: den Brief, den sie mir nach Südafrika gesendet hat. Ich habe verdrängt, was drin steht. Weiß nur, dass ein Therapeut mal ausgeflippt ist, als ich ihm den Brief gezeigt habe.

Ich habe ihr gesagt, dass ich es gut finde, wenn wir reden, und dass meine Bedingung ist, dass wir beide gegenseitig respektieren, wenn die andere sagt, dass sie nicht mehr weiterreden kann und abbrechen möchte. Damit war sie einverstanden.

Es ist emotional so randvoll momentan.

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