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Donnerstag, 15. Februar 2024
okavanga, 13:31h
Also manchmal fällt mir auch nicht mehr viel zum Geschehen ein. Kann man ja bald auch fast sagen, egal welches Geschehen. Heute zum Beispiel so gedacht, wie erstaunlich es ist, welchen Hass (vorwiegend) junge Leute auf sich ziehen, die sich einfach auf die Straße setzen um den Verkehr zu blockieren, niemanden beleidigen, keine Aggression zeigen. Und dass die dann auch noch als terrorverdächtig gelten. Auf der anderen Seite müssen Parteiveranstaltungen aufgrund einer Bedrohungslage abgebrochen werden, weil (primär) weiße Männer mit ihren Traktoren, Mistgabeln und Aggressionen daherkommen. Da spricht keiner von Terrorverdacht. I woas a ned.
Mittwoch, 14. Februar 2024
okavanga, 17:02h
Ein toller TAZ-Artikel: "Leben mit Psychose - Zwischen Wahn und Sinn".
Wenn ich sowas lese, frage ich mich schon, wieviel Glück ich hatte, bei meinem Drogenkonsum. Und warum meine Mutter nie zu einer Krankheitseinsicht gelangt ist, nicht mal für Sekunden. Frage mich, ob es auch Behandlungsfehler waren. Zu wenig Medis ausprobiert. Aber sie ist auch eine echt schwierige Patientin. Hätte sie die Medis lang genug genommen? Auch sie ist während mancher Neuroleptika sehr aufgedunsen, hat glaub ich nur eins mal etwas länger eingenommen, und ich weiß nicht, wie lange wirklich. Vielleicht 2 Monate? 3? Und vielleicht haben sie auch zur körperlichen Vernachlässigung beigetragen. Etwas, von dem mein Therapeut mir erzählte, dass es als Nebenwirkung bekannt ist. Die Leute erkennen ihren eigenen vernachlässigten Zustand, schämen sich dafür, können ihn aber nicht ändern.
Auch heute noch könnte ich manchmal einfach nur hemmungslos weinen. Um ihre Schmerzen, ihr Leid. Um meinen Schmerz, und den meines Bruders, um den Verlust meiner Mutter, der Mutter, die sie zumindest sein konnte. Es ist unfair, traurig. Aber es ist eben wie es ist.
Wenn ich sowas lese, frage ich mich schon, wieviel Glück ich hatte, bei meinem Drogenkonsum. Und warum meine Mutter nie zu einer Krankheitseinsicht gelangt ist, nicht mal für Sekunden. Frage mich, ob es auch Behandlungsfehler waren. Zu wenig Medis ausprobiert. Aber sie ist auch eine echt schwierige Patientin. Hätte sie die Medis lang genug genommen? Auch sie ist während mancher Neuroleptika sehr aufgedunsen, hat glaub ich nur eins mal etwas länger eingenommen, und ich weiß nicht, wie lange wirklich. Vielleicht 2 Monate? 3? Und vielleicht haben sie auch zur körperlichen Vernachlässigung beigetragen. Etwas, von dem mein Therapeut mir erzählte, dass es als Nebenwirkung bekannt ist. Die Leute erkennen ihren eigenen vernachlässigten Zustand, schämen sich dafür, können ihn aber nicht ändern.
Auch heute noch könnte ich manchmal einfach nur hemmungslos weinen. Um ihre Schmerzen, ihr Leid. Um meinen Schmerz, und den meines Bruders, um den Verlust meiner Mutter, der Mutter, die sie zumindest sein konnte. Es ist unfair, traurig. Aber es ist eben wie es ist.
Montag, 5. Februar 2024
Abgenommen?
okavanga, 21:26h
Heute Kontrolltermin bei der Frauenärztin. Die Myomsituation ist durch die OP inzwischen so gut handhabbar, dass bis auf weiteres keine weiteren Maßnahmen notwendig sind, und wir auch die Kontrolltermine wieder auf jährlich setzen können.
Etwas irritiertend war folgendes. Ich erzählte von den Erkrankungen um mich herum sprach und dem eigenen Krebsrisiko, und meinte: "bei solchen Gedanken merke ich langsam schon, dass ich älter werde." Da antwortete die Ärztin: "Ja aber Sie haben sich doch toll gehalten!" Solche Aussagen mag ich nicht, ich konnte nur irritiert: "Hä?" sagen. "Sie haben ja schon einiges abgenommen, und halten das seitdem auch gut." Ich nur 1000 Fragezeichen im Gesicht. "Abgenommen???" "Ja, Sie waren schon kräftiger, als wir uns kennengelernt haben.""
Auch jetzt noch: ?????
Als sie mich kennenlernte, war ich 27 Jahre alt und wog definitiv unter 70 kg. Ich wurde bis zum Alter von ca. 35 Jahren oft darauf angesprochen, dass ich zu dünn für meine Gröpße sei. Zum einen bin ich schlank veranlagt, zum anderen waren das noch Nachwehen von Drogen, und ich rauchte wie ein Schlot. Heute wiege ich definitiv über 70 kg. Ich habe nicht verstanden, was die Frauenärztin meint, war aber dermaßen perplex, dass mir dazu nichts mehr einfiel. Mein Gehirn kramte auf Hochtouren in Erinnerungen, was ich da vergessen/ verdrängt habe, oder was sie denn meinte, oder ob ich mich jetzt völlig verhört hatte, oder alles missverstanden, und warum überhaupt ist mein Gewicht relevant? Was hat Gewicht mit "gut gehalten" zu tun? Abgesehen davon war ich auch mit meinem Höchstgewicht nie kräftig. Kurios.
Etwas irritiertend war folgendes. Ich erzählte von den Erkrankungen um mich herum sprach und dem eigenen Krebsrisiko, und meinte: "bei solchen Gedanken merke ich langsam schon, dass ich älter werde." Da antwortete die Ärztin: "Ja aber Sie haben sich doch toll gehalten!" Solche Aussagen mag ich nicht, ich konnte nur irritiert: "Hä?" sagen. "Sie haben ja schon einiges abgenommen, und halten das seitdem auch gut." Ich nur 1000 Fragezeichen im Gesicht. "Abgenommen???" "Ja, Sie waren schon kräftiger, als wir uns kennengelernt haben.""
Auch jetzt noch: ?????
Als sie mich kennenlernte, war ich 27 Jahre alt und wog definitiv unter 70 kg. Ich wurde bis zum Alter von ca. 35 Jahren oft darauf angesprochen, dass ich zu dünn für meine Gröpße sei. Zum einen bin ich schlank veranlagt, zum anderen waren das noch Nachwehen von Drogen, und ich rauchte wie ein Schlot. Heute wiege ich definitiv über 70 kg. Ich habe nicht verstanden, was die Frauenärztin meint, war aber dermaßen perplex, dass mir dazu nichts mehr einfiel. Mein Gehirn kramte auf Hochtouren in Erinnerungen, was ich da vergessen/ verdrängt habe, oder was sie denn meinte, oder ob ich mich jetzt völlig verhört hatte, oder alles missverstanden, und warum überhaupt ist mein Gewicht relevant? Was hat Gewicht mit "gut gehalten" zu tun? Abgesehen davon war ich auch mit meinem Höchstgewicht nie kräftig. Kurios.
Sonntag, 4. Februar 2024
Durst nach Werden und Sein.
okavanga, 20:52h
In der Meditationsgruppe ging es um den dogmatischen Absolutheitsanspruch des Selbst. Um "Wer bin ich gerade" und dessen Dynamik. Um die Selbstreferenz als hilfreichen Anker und den Herzgeist. Ums sanfte Loslassen des Selbst. Es war irgendwie abstrakt und stieß doch etwas bei genau dem an, was ich gestern schrieb.
Wann verhärtet sich da etwas beim Selbst. Wie beziehe ich mich auf "meins". Unruhig, hungrig durstig. Ich mich mein. Wann ist das hilfreich, wann nicht.
***
Mich mit dem Selbst zu beschäftigen, hat immer auch viel mit Du und Wir zu tun. Ich mag nicht nur auf mich schauen. Es mag hier anders anmuten, aber hier teile ich vor allem das, was mich mit mir selbst umtreibt. Über das (Seelen)leben anderer schreibe ich nicht gerne, es ist deren Privatheit. Schon das, was ich schreibe, wie z.B. über meine Mutter, scheint mir zuviel, und auch dabei versuche ich über das zu schreiben, was es mit mir macht. Ich merke aber auch, wenn ich mit mir selbst nicht ok bin, dann fällt mir die Beziehung zu anderen schwer.
Mag nicht mehr weiterschreiben, merke ich gerade, bin sehr müde, schon die ganzen letzten Tage. Fühle mich kränklich und erschöpft. Bin genervt davon, und von mir selbst.
Wann verhärtet sich da etwas beim Selbst. Wie beziehe ich mich auf "meins". Unruhig, hungrig durstig. Ich mich mein. Wann ist das hilfreich, wann nicht.
***
Mich mit dem Selbst zu beschäftigen, hat immer auch viel mit Du und Wir zu tun. Ich mag nicht nur auf mich schauen. Es mag hier anders anmuten, aber hier teile ich vor allem das, was mich mit mir selbst umtreibt. Über das (Seelen)leben anderer schreibe ich nicht gerne, es ist deren Privatheit. Schon das, was ich schreibe, wie z.B. über meine Mutter, scheint mir zuviel, und auch dabei versuche ich über das zu schreiben, was es mit mir macht. Ich merke aber auch, wenn ich mit mir selbst nicht ok bin, dann fällt mir die Beziehung zu anderen schwer.
Mag nicht mehr weiterschreiben, merke ich gerade, bin sehr müde, schon die ganzen letzten Tage. Fühle mich kränklich und erschöpft. Bin genervt davon, und von mir selbst.
Samstag, 3. Februar 2024
okavanga, 22:25h
Seit einigen Tagen, vielleicht auch seit der Weihnachtszeit, oder vielleicht seit der Situation mit meiner Mutter im November, oder vielleicht auch schon seit der Diagnose meines Vaters, vielleicht aber auch seit Corona, Kriegen, Klimakrise, Inflation und der ganzen wachsenden Rechtsextremenscheisse habe ich Angst. Sie sitzt auf meiner Brust, sie sitzt auf meinem Herz. Ich will das nicht recht wahrhaben, aber je mehr ich es vor mir verleugne, oder banalisiere, desto hartnäckiger sitzt sie da. Mit dickem Hintern, ruckelt hin und her, sitzt sich richtig schön breit, sagt demnostrativ: mich kriegste jetzt so schnell nicht mehr los.
Ich kanns ihr nicht verübeln. Es war viel. Es ist viel. Der Krebs, meine Mutter mit ihrer ewig währenden Erkrankung und der Suizid-Scheisse, Brustkrebs bei Katinka, der Tod von R., und dann noch die Arbeitssituation, bzw. nun die Kündigung und die Aussicht auf viele Wochen Krankengeld, gefolgt von Arbeitslosengeld (jeweils berechnet auf Basis eines Teilzeitgehalts). Ganz zu schweigen von den Zuständen im Land und in der Welt.
Eine Phase, versuche ich der Angst zuzuflüstern. Das ist nur temporär. Das wird schon irgendwie. Es ist immer irgendwie geworden.
Doch die Angst listet die in den nächsten Monaten anstehenden Sonderausgaben auf, grinst dann hinterfotzig, und holt das Mega-Brett hervor: ach ja, eine Phase? Interessant. Also wenn du bist Ende August deine Masterarbeit abgeben willst, dann hast du danach ja 2 Monate Pflichtpraktikum. Hoffentlich, nicht wahr, darum solltest du dich auch mal kümmern, vielleicht? Das brauchs du ja, für dein Studium, du erinnerst dich? Das ist unbezahlt, Mäuschen. Nach 3 Monaten mit ALG. Und dem nicht genug. In 2025 willst du dann in die Ausbildung. Von welchem Geld willst du die eigentlich bezahlen? Ganz zu schweigen von deinen laufenden Fixkosten? Von den nicht vorhandenen Ersparnissen?
Dann sitze ich da, glotze der grinsenden Angst dämlich ins Angesicht, oder vielleicht hocke ich auch eher wie das Kaninchen vor der Schlange, und habe keine Antworten. Ich werde 44 und schaue auf ähnlich prekäre Zeiten wie während meines Erststudiums. Aber immerhin gabs da noch Bafög und Kfw.
Und dann ist da der Teil, der nach den Erlebnissen im letzten Jahr sagt: das Leben ist wichtig, wir lieben es. Ich weiß, wie verschissen teuer die Ausbildung in unserem Wunsch-Institut ist. Aber das Leben ist so kurz, und wir sind nicht mehr Anfang 20. Es ist nicht unser Erststudium. Wenn es echt gut läuft, haben wir nur noch die Hälfte des Lebens vor uns. Dieses Institut ist alles, was wir uns wünschen, um diese lange und anstrengende Ausbildungszeit nicht wieder nur als Maloche und Ballast zu betrachten. MACH ES EINFACH MÖGLICH - EGAL WIE.
Die Angst kann über diesen Teil nur lachen, und schießt hinterher: ist doch vielleicht eh fürn Arsch. Wer weiß, wie lange wir überhaupt noch so leben können, wie wir leben. Was kümmert dich so ein Zeug? Mach einfach irgendeinen Job, hör auf zu jammern, und verdien Geld.
Mir geht die Kraft aus für starke Argumente, es reicht für ein: das ist das, was ich versucht habe, bevor ich mich mit Mitte 30 für diesen neuen Weg entschieden habe. Dass ich all das überhaupt noch mal auf mich genommen habe, rüht aus einem großen Leidensdruck. Nicht mehr für die Rendite und Boni von Arschlöchern, sondern für das Wohl anderer Menschen zu arbeiten, das war und ist mein tiefer Wunsch. Und die jüngsten Erfahrungen mit der Firma, mit Menschen, die mich seit 17 Jahren kennen und nun wie den letzten Dreck rausgedrückt haben, bestätigen mir, wie richtig und wichtig meine Entscheidung war. Ich wusste, dass es nicht leicht wird, aber es war mir nicht mehr möglich, diesen anderen Weg auszuhalten. Bei aller Anstrengung fühle ich mich so viel lebendiger, als vor 10 Jahren. Hänge so viel mehr am Leben.
Worauf wollte ich eigentlich hinaus? Keine Ahnung. Ich habe Angst. Angst davor, dass ich meinen Weg nicht wie gewünscht weitergehen kann, weil mir einfach nur Geld fehlt. Angst vor der Angst, und davor, wieder in eine Depression zu rutschen, weil alles zuviel wird und dann, ja, tja, dann tendiere ich dazu, alles runterzudrücken. Depressere. Damit ist dann auch keinem geholfen.
Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, die nicht mal ansatzweise abbezahlte Wohnung zu verkaufen. Aber das macht mir noch mehr Angst, abgesehen davon, dass der Zeitpunkt gerade nicht optimal ist. Die Wohnung ist so gut wie meine einzige Investition in eine (Rentner)Zukunft. Und zumindest in Städten würde ich für die gleiche Quadratmeterzahl niemals eine so niedrige Kaltmiete wie meine Kreditrate zahlen. Ich habe Angst, mir irgendwann in Deutschland keine Mieten mehr leisten zu können. Ist jetzt nicht so utopisch, bei der Entwicklung. Dann habe ich zumindest noch meine Wohnung. Auch rein betriebswirtschaftlich gesehen wäre ein Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt einfach nur dumm.
Und manchmal sagt ein anderer Teil ganz leise: mein Gott sind das Luxusprobleme. Ja, vielleicht sind sie das. Aber der Job ist ein so großer Teil im Leben unserer Gesellschaft, ich mag nicht mehr für den Reichtum anderer buckeln und selbst dabei in irgendeinem Büro vor irgendeinem PC kreuzunglücklich sein. Und es ist das erste mal in meinem Leben, dass ich eine Vision habe, eine ganz konkrete Vorstellung und ein ganz konkretes Ziel, wo ich hinmöchte. Ich weiß, dass genau das, was ich tue, mein Weg ist. Ich hatte leider nicht das Privileg, das vor oder direkt nach meinem Abi zu wissen, da hatte ich ganz andere Probleme. So eine klare Vision kannte ich vorher gar nicht. Und es ist so toll, nun eine zu haben, denn das treibt an, gibt Kraft und Zuversicht und Lebenswillen. Aber ich merke nun auch, dass es beängstigend ist, wenn man realisiert, dass es vielleicht einfach nur bei einer Vision bleibt.
Und in manchen, ganz winzigen, seltenen Momenten sagt eine in mir ganz resolut und liebevoll: du hast dann zwei Studienabschlüsse. Du wirst auf die Füße fallen. Ich glaub an dich. Aber bitte kümmer dich vor allem um das, was das letzte Jahr mit dir gemacht hat. Das ist wichtiger als alles andere.
Ich kanns ihr nicht verübeln. Es war viel. Es ist viel. Der Krebs, meine Mutter mit ihrer ewig währenden Erkrankung und der Suizid-Scheisse, Brustkrebs bei Katinka, der Tod von R., und dann noch die Arbeitssituation, bzw. nun die Kündigung und die Aussicht auf viele Wochen Krankengeld, gefolgt von Arbeitslosengeld (jeweils berechnet auf Basis eines Teilzeitgehalts). Ganz zu schweigen von den Zuständen im Land und in der Welt.
Eine Phase, versuche ich der Angst zuzuflüstern. Das ist nur temporär. Das wird schon irgendwie. Es ist immer irgendwie geworden.
Doch die Angst listet die in den nächsten Monaten anstehenden Sonderausgaben auf, grinst dann hinterfotzig, und holt das Mega-Brett hervor: ach ja, eine Phase? Interessant. Also wenn du bist Ende August deine Masterarbeit abgeben willst, dann hast du danach ja 2 Monate Pflichtpraktikum. Hoffentlich, nicht wahr, darum solltest du dich auch mal kümmern, vielleicht? Das brauchs du ja, für dein Studium, du erinnerst dich? Das ist unbezahlt, Mäuschen. Nach 3 Monaten mit ALG. Und dem nicht genug. In 2025 willst du dann in die Ausbildung. Von welchem Geld willst du die eigentlich bezahlen? Ganz zu schweigen von deinen laufenden Fixkosten? Von den nicht vorhandenen Ersparnissen?
Dann sitze ich da, glotze der grinsenden Angst dämlich ins Angesicht, oder vielleicht hocke ich auch eher wie das Kaninchen vor der Schlange, und habe keine Antworten. Ich werde 44 und schaue auf ähnlich prekäre Zeiten wie während meines Erststudiums. Aber immerhin gabs da noch Bafög und Kfw.
Und dann ist da der Teil, der nach den Erlebnissen im letzten Jahr sagt: das Leben ist wichtig, wir lieben es. Ich weiß, wie verschissen teuer die Ausbildung in unserem Wunsch-Institut ist. Aber das Leben ist so kurz, und wir sind nicht mehr Anfang 20. Es ist nicht unser Erststudium. Wenn es echt gut läuft, haben wir nur noch die Hälfte des Lebens vor uns. Dieses Institut ist alles, was wir uns wünschen, um diese lange und anstrengende Ausbildungszeit nicht wieder nur als Maloche und Ballast zu betrachten. MACH ES EINFACH MÖGLICH - EGAL WIE.
Die Angst kann über diesen Teil nur lachen, und schießt hinterher: ist doch vielleicht eh fürn Arsch. Wer weiß, wie lange wir überhaupt noch so leben können, wie wir leben. Was kümmert dich so ein Zeug? Mach einfach irgendeinen Job, hör auf zu jammern, und verdien Geld.
Mir geht die Kraft aus für starke Argumente, es reicht für ein: das ist das, was ich versucht habe, bevor ich mich mit Mitte 30 für diesen neuen Weg entschieden habe. Dass ich all das überhaupt noch mal auf mich genommen habe, rüht aus einem großen Leidensdruck. Nicht mehr für die Rendite und Boni von Arschlöchern, sondern für das Wohl anderer Menschen zu arbeiten, das war und ist mein tiefer Wunsch. Und die jüngsten Erfahrungen mit der Firma, mit Menschen, die mich seit 17 Jahren kennen und nun wie den letzten Dreck rausgedrückt haben, bestätigen mir, wie richtig und wichtig meine Entscheidung war. Ich wusste, dass es nicht leicht wird, aber es war mir nicht mehr möglich, diesen anderen Weg auszuhalten. Bei aller Anstrengung fühle ich mich so viel lebendiger, als vor 10 Jahren. Hänge so viel mehr am Leben.
Worauf wollte ich eigentlich hinaus? Keine Ahnung. Ich habe Angst. Angst davor, dass ich meinen Weg nicht wie gewünscht weitergehen kann, weil mir einfach nur Geld fehlt. Angst vor der Angst, und davor, wieder in eine Depression zu rutschen, weil alles zuviel wird und dann, ja, tja, dann tendiere ich dazu, alles runterzudrücken. Depressere. Damit ist dann auch keinem geholfen.
Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, die nicht mal ansatzweise abbezahlte Wohnung zu verkaufen. Aber das macht mir noch mehr Angst, abgesehen davon, dass der Zeitpunkt gerade nicht optimal ist. Die Wohnung ist so gut wie meine einzige Investition in eine (Rentner)Zukunft. Und zumindest in Städten würde ich für die gleiche Quadratmeterzahl niemals eine so niedrige Kaltmiete wie meine Kreditrate zahlen. Ich habe Angst, mir irgendwann in Deutschland keine Mieten mehr leisten zu können. Ist jetzt nicht so utopisch, bei der Entwicklung. Dann habe ich zumindest noch meine Wohnung. Auch rein betriebswirtschaftlich gesehen wäre ein Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt einfach nur dumm.
Und manchmal sagt ein anderer Teil ganz leise: mein Gott sind das Luxusprobleme. Ja, vielleicht sind sie das. Aber der Job ist ein so großer Teil im Leben unserer Gesellschaft, ich mag nicht mehr für den Reichtum anderer buckeln und selbst dabei in irgendeinem Büro vor irgendeinem PC kreuzunglücklich sein. Und es ist das erste mal in meinem Leben, dass ich eine Vision habe, eine ganz konkrete Vorstellung und ein ganz konkretes Ziel, wo ich hinmöchte. Ich weiß, dass genau das, was ich tue, mein Weg ist. Ich hatte leider nicht das Privileg, das vor oder direkt nach meinem Abi zu wissen, da hatte ich ganz andere Probleme. So eine klare Vision kannte ich vorher gar nicht. Und es ist so toll, nun eine zu haben, denn das treibt an, gibt Kraft und Zuversicht und Lebenswillen. Aber ich merke nun auch, dass es beängstigend ist, wenn man realisiert, dass es vielleicht einfach nur bei einer Vision bleibt.
Und in manchen, ganz winzigen, seltenen Momenten sagt eine in mir ganz resolut und liebevoll: du hast dann zwei Studienabschlüsse. Du wirst auf die Füße fallen. Ich glaub an dich. Aber bitte kümmer dich vor allem um das, was das letzte Jahr mit dir gemacht hat. Das ist wichtiger als alles andere.
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