Montag, 15. Februar 2021
339. Angst.
Langsam glaube ich, ich verliere den Verstand. Die vorletzte Nacht war total gut, so dass ich dachte: alles im grünen Bereich, das wird schon, ich muss mich nur entspannen. Die letzte Nacht war wieder eine Vollkatastrophe, wie viele in den letzten drei Wochen. Ständig aufgewacht, dabei das Gefühl gehabt, die Beine und die Wirbelsäule vibrieren. Gedacht, ich kann mir das doch nicht einbilden, das kommt doch von außen, das ist irgendwas in dieser Wohnung oder in diesem Haus. Die ganze Nacht hindurch läuft ein Ommm Track auf Youtube, erst seit in den nachts höre, kann ich zumindest relativ schnell wieder einschlafen wenn ich aufwache. Viele Nächte davor lag ich ewig wach und nichts ging mehr.

All das, was ich erzähle, das Vibrieren, als wäre da Strom, die Überlegung, dass das doch von außen kommt, oder doch von mir, oder mal zum Umweltamt zu gehen und dort ein Gerät für Messungen zu holen. ich hab das alles schon mal erlebt, und es gibt keinen passenden deutschen Ausdruck dafür: I'm freaking out.

Feldenkrais, Mediation, Yoga, Spazierengehen, Radfahren. Sonne tanken, auf die Bachelorarbeit konzentrieren. Egal was ich tue. Es ist immer da. Besonders schlimm wird es nachts bzw. wenn ich liege. Bzw., das stimmt so nicht, muss ich sagen. Wenn ich draußen bin und mich bewege, dann ist das nicht so massiv, überhaupt nicht, höchstens in den Füßen, als würde man den Puls durch die Füße fließen fühlen. Diese furchtbaren Eindrücke kommen vor allem in meiner Wohnung, wenn ich am Schreibtisch sitze und arbeite, oder wenn ich auf dem Sofa oder im Bett liege.

S. gefragt, ob ich am Dienstag bei ihr übernachten kann, ich muss wissen, ob das andernorts nachts auch so ist. Ihre Familie kommt allerdings zu Besuch (eigentlich war geplant, dass sie bei ihrer Familie ist und ich die Katze sitte, so kam ich auf die Idee, dort zu schlafen). Frühstens am Samstag ginge es, da ist sie wieder bei der Familie.

Ich weiß nicht ob ich es bis dahin aushalte. Überlegt im Büro zu übernachten. Dort haben wir eine Matratze. Aber wie gruselig. Und zudem müsste ich das melden, wir müssen ja immer eingecheckt sein, wenn wir im Büro sind. Wie soll ich das erklären?

Meister Yoda ist am 23.2., er wollte am Telefon nicht weiter mit mir darüber sprechen, meint aber, das klänge alles gar nicht verrückt, sondern dass wir alle seit fast einem Jahr kontinuierlich Spannung aufbauen, die keine passende Abfuhr mehr erfährt. Der Körper suche sich dann einen Weg. Ich weiß nicht, ob ich mir wünschen soll, dass das stimmt. Ich wünsche mir einfach nur, dass ich nicht so krank werde wie meine Mutter. Dass ich das nicht für den Rest meines Lebens habe, dass es mich so beeinträchtigen wird, dass ich nichts mehr tun kann als in der Küche sitzen, zu rauchen und zu trinken. Dass ich mir nicht irgendwann einbilde, dass jemand das bewusst ausübt an mir.

Überlegt, ob ich zur Hausärztin gehe, vielleicht sie eine Idee. Denke aber, vielleicht muss ich wirklich erst sicher sein, dass das in mir ist, nicht von außen durch irgendwelche Infraschall-Scheiße. Der Hörtest beim HNO vor der OP ergab, dass ich irre gut höre, sowohl in hohen wie auch niederen Frequenzen ungewöhnlich gut. "Ich möchte nicht Ihr Mann sein und mich nachts nach Hause schleichen müssen", meinte der HNO damals. Und ich habe auch gelernt, dass wir über die Knochen hören, insbesondere tiefe Töne. Aber ist es wirklcih sowas? Ich weiß es nicht, ich weiß gar nichts mehr.

Ich kann kaum mehr sprechen ohne zu weinen, deswegen ziehe ich mich zurück, gehe nicht mehr ans Telefon, will niemanden sehen. Das, was Menschen dazu sagen, egal was es ist, ich halte es momentan nicht aus. Ich bin außer mir, und habe Angst.

[Edit] Es ist komisch, dass ich im Freundeskreis momentan nur mit Menschen darüber sprechen kann, die hier sind und die ich tatsächlich sehe. Selbst mit N. schaffe ich es nicht. Zum Glück sind sowohl S. als auch B. sehr pragmatische, ruhige, zuversichtliche MenschenAlso: nächste Woche Termin beim Thera, diese Woche Freitag bei der Hausärztin, parallel um Termin beim Neurologen bemüht, die haben sogar zurückgerufen aber ich war zu langsam, denke spätestens morgen melden die sich wieder.
B. und ihr Mann haben eine Wohnung nebenan, die gerade leer steht, lange Geschichte, jedenfalls meinte sie, ich solle heute Nacht gerne dort schlafen, wenn ich es versuchen möchte. Das werde ich tun. Außerdem hat mich S. dazu motiviert die Uni für heute ruhen zu lassen und mir stattdessen Yoga, Thai Essen Bestellung, Tee und Mantrensingen zu gönnen. Und mit PMR will ich auch wieder anfangen. Wird schon, wird schon, abklären und kucken was geht. S. meinte, für sie klingt das gar nicht so schlimm im Sinne von völlig Psycho oder dramatisch, sie meinte, ich finde ihre Migräne, die sie hochgestresst bekommt, ja auch nicht schlimm oder ganz schrecklich. Wichtig sei, dass man es einordnen könne, und dass es natürlich immer blöd ist, wenn die Symptome genau so aussehen wie etwas, wovor wir immer Angst haben, auch wenn sie damit erst mal überhaupt nichts zu tun haben. Das sage ich mir jetzt auch als Mantra. Und: ich bin nicht meine Mutter.


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