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Freitag, 28. Juli 2023
okavanga, 13:21h
Papa hat nun eine Glatze. Als er am Telefon davon erzählt, ist es erst mal gar nicht so schlimm. Als ich das Foto sehe, muss ich sehr weinen. Es ist nun sichtbar. Er ist krank. Immerhin hat er einen neuen besten Freund. Insgeheim nenne ich ihn Rüdi. Rüdi Rucksack. Der füttert ihn mit massig Kalorien, auf Anordnung von Schwester Gabi (wir vermuten keine Anstellung in der Schwarzwaldklinik). Rüdi ist allerdings etwas langsam, er braucht mehrere Stunden für eine ordentliche Zufuhr. Das bedeutet, dass mein Vater abends Zuhause bleibt, oder Rüdi mitnimmt. Ich bin für letzteres, Rüdi sollte ausgeführt wreden. Wer hat das schon, seine eigene Astronautennahrung immer mit dabei? Was uns bleibt, ist viel Humor und Zuneigung.
Heute geht es weiter mit dem Blockseminar zu Suizidalität. Vermutlich sagte ich dazu hier noch nichts. Auch egal. Es ist genau so, wie man es sich für jemanden vorstellt, der dort als Zwitter sitzt: angehende Psychologin, und Tochter einer Frau mit Sterbewunsch. Es ist schwer dabei emotionalen Abstand zu bewahren.
Es ist alles etwas viel, da gehts jetzt nur um Fokus. Am Mittwoch Klausur, am Donnerstag gehts in die Heimat. Da habe ich auch ein bisschen Bauchschmerzen. Da kommt alles näher. Und ich fühle mich als würde ich einfach nur in einen 100jährigen Schlaf fallen wollen, ich bin sehr müde, die Akkus laufen am Limit, wie so oft vor Klausuren. Immhin eins gelernt: es geht vorbei.
Heute geht es weiter mit dem Blockseminar zu Suizidalität. Vermutlich sagte ich dazu hier noch nichts. Auch egal. Es ist genau so, wie man es sich für jemanden vorstellt, der dort als Zwitter sitzt: angehende Psychologin, und Tochter einer Frau mit Sterbewunsch. Es ist schwer dabei emotionalen Abstand zu bewahren.
Es ist alles etwas viel, da gehts jetzt nur um Fokus. Am Mittwoch Klausur, am Donnerstag gehts in die Heimat. Da habe ich auch ein bisschen Bauchschmerzen. Da kommt alles näher. Und ich fühle mich als würde ich einfach nur in einen 100jährigen Schlaf fallen wollen, ich bin sehr müde, die Akkus laufen am Limit, wie so oft vor Klausuren. Immhin eins gelernt: es geht vorbei.
Mittwoch, 26. Juli 2023
okavanga, 10:37h
Heute Nacht kam mal wieder der kleine Herr Professor zu Besuch. Älter ist er geworden. Einsam wirkt er. Zwischen uns ist alles okay, weder unangenehme noch angenehme Spannung, einfach neutral freundlich. Er ist aber auch nicht mehr so hyperaktiv und verbalaggressiv wie ich ihn oft erlebt habe. Ich begleite ihn zu Freunden, dort ist es skurril aber irgendwie gemütlich. Sie haben eine kleine Tochter. Erst mal wirkt alles normal. Dann wird klar, dass hier auch gleich konsumiert wird. der Gastgeber bereitet üppige Lines vor. Im Traum denke ich über die Tochter nicht weiter nach. Wach schon, auch wenn es gar keine Rolle spielt, weil es nur ein Traum ist. Ich frage die Gastgeber, was es gibt. Koks, sagen sie, und ich sage, ach, ich bin dabei. Der kleine Herr Professor packt seinen eigenen Beutel aus. Es ist so ein durchsichtiger 1-Liter-Beutel mit Zipverschluss. Darin viel weißes Pulver und ein Blister. Was hast du da, frage ich, Speed, sagt er, und ich antworte, das kann ich einfach nicht mehr nehmen. Für 100 Euro kaufe ich den Gastgebern also was vom Koks ab. Derweil läuft gute Musik und es sind noch drei vier weitere nette Leute da, alles wirkt entspannt und nicht eklig (im Traum!). Zum Konsum meinerseits kommt es nicht mehr, ich wache auf. Zwar versuche ich wieder einzuschlafen und dort weiterzuträumen, aber es klappt nicht. Hätte mich interessiert.
Es ist schon irre, dass ausgerechnet diese Person so zuverlässig in meinem Träumen wiederkehrt. Gilt er auch noch als Stressbarometer, wenn die Situation so entspannt ist? Naja, die Drogen eigentlich schon. Die Gesamtsituation, vermutlich. Erst neulich dachte ich mir, wie gut ich mein jüngeres Ich verstehen konnte, dass es die ganzen psychischen Belastungen einfach nur wegdrücken wollte. Es war eine Bewältigungsfunktion um weiterleben zu können. Nicht um zu sterben, auch wenn Drogen Selbstzerstörung implizieren. Das scheint im Vergleich zum psychischen Schmerz hinnehmbarer.
Auch fragte ich mich neulich, wie kurios es ist, dass ich nie an Psychedelika gegangen bin. Gerade LSD hat mich sehr interessiert, dazu habe ich viele Bücher verschlungen. Ich hätte es so gerne mal ausprobiert, und doch hielt mich immer eine gewisse Angst zurück. Damals wusste ich noch nicht, dass meine Mutter ca. 10 Jahre später die Diagnose "Paranoide Schizophrenie" bekommen würde. Aber vielleicht fühlte etwas ganz tief in mir, dass es richtig scheiße enden könnte solche Substanzen auszuprobieren.
Letztendlich bin ich unglaublich froh, dass ich das alles nicht vermisse. Keinerlei Substanz. Ok, Zucker, leider. Und manchmal erscheint mir derzeit der Alkohol als sehr verlockend. Doch nach 2 Gläsern mit Mimi habe ich über einen Tag gebraucht, um wieder in meiner Mitte zu landen. Ich mag es einfach nicht mehr. Ich mag das Leben nüchtern am meisten. Und kann es so auch am besten bewältigen.
[Edit] Da fällt mir ein, dass ich neulich geträumt habe, ich hätte eine Zigarette geraucht. Ausgerechnet eine Menthol-Zigarette. ich konnte sie im Traum sogar schmecken. Igitt, mochte ich nie, keine Ahnung was das für eine komische Entscheidung war im Traum. Bin jetzt seit über 10 Jahren rauchfrei, am Anfang habe ich öfters geträumt, ich rauche, dann immer voller Angst aufgewacht, ich hätte wirklich geraucht.
Ich sollte da schon genauer hinschauen, was gerade in mir abläuft. Die Träume von Substanzkonsum muten mir an wie die Suche meines Unbewussten nach Bewältigungsmechanismen. Ich hoffe, die Ärztin verlängert die Krankmeldung. Nach der Klausur nächste Woche fahre ich in die Heimat.
Das Ding ist, ich kann nicht viel tun, außer loslassen. Weder die Krankheit meines Vaters noch den Sterbewunsch meiner Mutter kann ich kontrollieren. Die damit einhergehenden Emotionen kann ich nur wohldosiert fühlen und ankucken. Diese Gleichzeitigkeit, dieser drohende Abschied von beiden, "wie eine ungewollte Schicksalsgemeinschaft", so mein Therapeut, hat das Potenzial mich zu überwältigen.
Naja. Tja.
Es ist schon irre, dass ausgerechnet diese Person so zuverlässig in meinem Träumen wiederkehrt. Gilt er auch noch als Stressbarometer, wenn die Situation so entspannt ist? Naja, die Drogen eigentlich schon. Die Gesamtsituation, vermutlich. Erst neulich dachte ich mir, wie gut ich mein jüngeres Ich verstehen konnte, dass es die ganzen psychischen Belastungen einfach nur wegdrücken wollte. Es war eine Bewältigungsfunktion um weiterleben zu können. Nicht um zu sterben, auch wenn Drogen Selbstzerstörung implizieren. Das scheint im Vergleich zum psychischen Schmerz hinnehmbarer.
Auch fragte ich mich neulich, wie kurios es ist, dass ich nie an Psychedelika gegangen bin. Gerade LSD hat mich sehr interessiert, dazu habe ich viele Bücher verschlungen. Ich hätte es so gerne mal ausprobiert, und doch hielt mich immer eine gewisse Angst zurück. Damals wusste ich noch nicht, dass meine Mutter ca. 10 Jahre später die Diagnose "Paranoide Schizophrenie" bekommen würde. Aber vielleicht fühlte etwas ganz tief in mir, dass es richtig scheiße enden könnte solche Substanzen auszuprobieren.
Letztendlich bin ich unglaublich froh, dass ich das alles nicht vermisse. Keinerlei Substanz. Ok, Zucker, leider. Und manchmal erscheint mir derzeit der Alkohol als sehr verlockend. Doch nach 2 Gläsern mit Mimi habe ich über einen Tag gebraucht, um wieder in meiner Mitte zu landen. Ich mag es einfach nicht mehr. Ich mag das Leben nüchtern am meisten. Und kann es so auch am besten bewältigen.
[Edit] Da fällt mir ein, dass ich neulich geträumt habe, ich hätte eine Zigarette geraucht. Ausgerechnet eine Menthol-Zigarette. ich konnte sie im Traum sogar schmecken. Igitt, mochte ich nie, keine Ahnung was das für eine komische Entscheidung war im Traum. Bin jetzt seit über 10 Jahren rauchfrei, am Anfang habe ich öfters geträumt, ich rauche, dann immer voller Angst aufgewacht, ich hätte wirklich geraucht.
Ich sollte da schon genauer hinschauen, was gerade in mir abläuft. Die Träume von Substanzkonsum muten mir an wie die Suche meines Unbewussten nach Bewältigungsmechanismen. Ich hoffe, die Ärztin verlängert die Krankmeldung. Nach der Klausur nächste Woche fahre ich in die Heimat.
Das Ding ist, ich kann nicht viel tun, außer loslassen. Weder die Krankheit meines Vaters noch den Sterbewunsch meiner Mutter kann ich kontrollieren. Die damit einhergehenden Emotionen kann ich nur wohldosiert fühlen und ankucken. Diese Gleichzeitigkeit, dieser drohende Abschied von beiden, "wie eine ungewollte Schicksalsgemeinschaft", so mein Therapeut, hat das Potenzial mich zu überwältigen.
Naja. Tja.
Samstag, 22. Juli 2023
okavanga, 00:21h
Wieder ein Abend mit Mimi. So schön. Ich zeige ihr den Kiez und meine Wohnung. Und frage sie, so rein hypothetisch, wie es denn wäre, wenn ich jemanden aus ihrer Kohorte, sie hat ein Jahr vor mir mit dem Master angefangen, interessant und attraktiv fände.
Ich wünsche mir, dass ich es schaffe, ihn auf einen Tee einzuladen. Er fuchst mich schon das ganze Semester über. Irgendwas ist da. Mimi fragt, um wen es sich handelt. Ein absoluter Weirdo, sage ich, und Mimi errät sofort, wen ich meine. Sie ermutigt mich dazu, es sei doch nix dabei, sich einfach kennenzulernen. Ich finde es absolut übergriffig, ihn das aus meinem Alter heraus zu fragen. Aber. Aber. Ich hoffe, ich mach das. Er will Analytiker werden. Welch Rarität.
Ich wünsche mir, dass ich es schaffe, ihn auf einen Tee einzuladen. Er fuchst mich schon das ganze Semester über. Irgendwas ist da. Mimi fragt, um wen es sich handelt. Ein absoluter Weirdo, sage ich, und Mimi errät sofort, wen ich meine. Sie ermutigt mich dazu, es sei doch nix dabei, sich einfach kennenzulernen. Ich finde es absolut übergriffig, ihn das aus meinem Alter heraus zu fragen. Aber. Aber. Ich hoffe, ich mach das. Er will Analytiker werden. Welch Rarität.
Sonntag, 16. Juli 2023
okavanga, 18:00h
Übers Wochenende ist mein Bruder mit Freunden wandern. Es fällt ihm schwer abzuschalten, schreibt er mir eben. Meinem Vater scheint es zwar ein klein wenig besser zu gehen, doch hat er jetzt allein durch den Durchfall, den er seit ca. Mittwoch hat, soviel abgenommen, dass wohl zur Debatte steht ins Krankenhaus zu kommen. Morgen hat er Kontrolltermin beim Onkologen. Meine Mutter scheint heute Nacht (mal wieder) den Notarzt wegen Atemnot und extrem hohem Puls gerufen zu haben. Sie kam ins Krankenhaus. Ich traue mich gerade gar nicht, bei meinem Vater oder meiner Mutter anzurufen, mein Herz tut weh, mein Bauch noch mehr, mir ist übel. Weiß nicht, wie ich mehr Details heute verarbeiten könnte. Versuche auf die Prüfung zu lernen, doch die Gedanken schweifen ab. Ich bete, dass die Verlängerung der Krankmeldung kein Problem sein wird. Dieses toxische Arbeitsumfeld würde mir gerade einfach nur den Rest geben.
Bei meinem Bruder kommt dazu, dass sein Schwiegervater ebenfalls seit einigen Jahren an Krebs erkrankt ist und sich momentan in der zweiten Chemo befindet, seine Haare fallen aus.
Ich weiß nicht wie mein Bruder es erträgt, er ist so nah an allem dran. Manchmal bin ich traurig, dass ich so weit weg bin, aber es ist wohl auch ein Segen.
In der Klinik saß ich manchmal nachts im Meditationsraum und blickte auf die Bergkette gegenüber der Klinik. Eines nachts, während eines Gefühls tiefer Ohnmacht und Traurigkeit, fiel mir dabei mein Taufspruch ein: "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat." Damals dachte ich, dass kein Spruch hätte passender sein können, und dachte darüber nach, wie lange und oft ich schon in meinem Leben meine inneren Augen zu den sich vor mir auftürmenden Bergen gehoben hatte, auf der Suche nach Hilfe. Ich weinte in diesem stillen Raum, als mir klar wurde, dass ich Hilfe erhalte und annehmen kann, Hilfe von vielen Seiten, von dieser wundervollen Klinik in den Bergen, von mir selbst, und einer Höheren Macht. Seitdem denke ich immer wieder an den Spruch. Die Idee einer Höheren Macht kann man belächeln. Ich finde es ungemein tröstlich Dinge an sie abzugeben, die ich nicht ändern kann.
Bei meinem Bruder kommt dazu, dass sein Schwiegervater ebenfalls seit einigen Jahren an Krebs erkrankt ist und sich momentan in der zweiten Chemo befindet, seine Haare fallen aus.
Ich weiß nicht wie mein Bruder es erträgt, er ist so nah an allem dran. Manchmal bin ich traurig, dass ich so weit weg bin, aber es ist wohl auch ein Segen.
In der Klinik saß ich manchmal nachts im Meditationsraum und blickte auf die Bergkette gegenüber der Klinik. Eines nachts, während eines Gefühls tiefer Ohnmacht und Traurigkeit, fiel mir dabei mein Taufspruch ein: "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat." Damals dachte ich, dass kein Spruch hätte passender sein können, und dachte darüber nach, wie lange und oft ich schon in meinem Leben meine inneren Augen zu den sich vor mir auftürmenden Bergen gehoben hatte, auf der Suche nach Hilfe. Ich weinte in diesem stillen Raum, als mir klar wurde, dass ich Hilfe erhalte und annehmen kann, Hilfe von vielen Seiten, von dieser wundervollen Klinik in den Bergen, von mir selbst, und einer Höheren Macht. Seitdem denke ich immer wieder an den Spruch. Die Idee einer Höheren Macht kann man belächeln. Ich finde es ungemein tröstlich Dinge an sie abzugeben, die ich nicht ändern kann.
Mittwoch, 12. Juli 2023
okavanga, 15:59h
Etwas kurioses geschah eben. Normalerweise begebe ich mich am Mittwoch nach der Vorlesung direkt zurück in Richtung Mannheim. Nicht so heute. Ich wollte ein Kartenspiel zum Geburtstag für Rini besorgen, und schauen ob ich weitere nette Kleinigkeiten für sie finde. Ich durchstreifte zwei Buchläden und kuckte hier und da, und spazierte dann entlang der Hauptstraße Richtung Bismarckplatz. Auf diesem Weg kamen mir plötzlich zwei ehemalige Kollegen entgegen. Wir begrüßten uns ganz baff, die beiden kamen gerade aus der Mittagspause und luden mich in ihre Büroräume ein. Ich wusste gar nicht, dass sie inzwischen in Heidelberg arbeiten. Das Büro ist wunderschön. Dort erzählten sie mir von der Firma, und ich erzählte von mir, und sie sahen sich an und grinsten, und berichteten von einer Stellenausschreibung, über der sie gerade sitzen. Ob ich mir denn diese Stelle vielleicht zur Überbrückung bis zu meinem Ausbildungsbeginn vorstellen könne?
Ich werde nachdenken, sie senden mir die Beschreibung zu. Vermutlich werden die Finanzen spannender Diskussionspunkt. Abgesehen davon: der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können. Mal sehen, ob denn das Team überhaupt Lust auf mich hat. Einige davon kennen mich bereits, sie waren mal da, wo ich noch bin. Kann auch verstehen, wenn sie ein neues Gesicht wollen.
Spannend, was das Leben so bringt.
Ich werde nachdenken, sie senden mir die Beschreibung zu. Vermutlich werden die Finanzen spannender Diskussionspunkt. Abgesehen davon: der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können. Mal sehen, ob denn das Team überhaupt Lust auf mich hat. Einige davon kennen mich bereits, sie waren mal da, wo ich noch bin. Kann auch verstehen, wenn sie ein neues Gesicht wollen.
Spannend, was das Leben so bringt.
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