Dienstag, 15. November 2011
Psyched out.
Langsam glaub ich den Verstand zu verlieren.

Heute morgen die Mitfahrer abgeholt, Richtung Arbeit gefahren. Irgendwann liegt eine tote Katze auf der Straße, und ich fange sofort an unkontrolliert loszuheulen. Mitfahrer bestürzt, ich peinlich berührt.

In die Arbeit, zur Chefin. Gesagt, ich kann das gerade alles nicht mehr. Zuviel. Ich habe nicht das Gefühl das sie versteht. Ich sage, dass ich einfach nicht reinpasse. Dass ich vor allem vor dem familiären Hintergrund ein freundliches Arbeitsumfeld brauche. Eine gute Unternehmenskultur. Sie sagt, wir könnten den BR so zerpflücken, aber du kannst einfach nicht cool bleiben.

Ich heule und und fühle mich angegriffen, sage, dass ich von mir selbst nicht erwarten kann in ein solches Umfeld einzufügen, anzupassen. Dass ich das als Verrat an mir selbst empfinde. Dass ich nicht mehr ordentlich schlafe. Immer mehr abnehme obwohl ich esse. Dass mich das Umfeld krank macht.

Ich sage, dass es für mich mit der Klärung der einen Situation nicht getan ist, nenne ihr Beispiele, die ich seit ich da bin beobachtet habe. Und allein schon, wie überhaupt dieser Einstieg ins Unternehmen gelaufen ist (mit der plötzlichen Vertragscancelung, etc).

Sie versteht mich nicht. Sagt, ich würde erwarten, alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen. Meint, dass es überall Probleme gibt. Jaja, das weiß ich alles, sage ich, aber das Minimum, das ich persönlich mir in einer Firma erwarte, ist hier nicht gegeben. Ich gehe nicht davon aus, dass man mir den Arsch nachträgt. Ich weiß, dass es immer Probleme gibt.

Das Gefühl habe ich nicht, sagt sie, und ich sage: ähm, doch!

Sie lacht, mal wieder. Es klingt für mich belächelnd, herablassend, wie: man du dummes Kind.

Und ich sage einfach nur: weißt du, genau das ist es, da stehst du dann als Führungskraft vor mir, und lachst während ich heule. Nein Danke.

Und gehe.

Sie sagte schon zu Eingang des Gesprächs, dass sie das gestrige Telefonat nicht als Gespräch zwischen Führungskraft und MA wertet, denn sonst...

Ich weiß nicht, was sonst. Ich sagte: ja, vielleicht ist es wirklich genau das, was ich brauche, eine Kündigung. Sie hat das glaub ich nicht verstanden, ich glaub sie dachte, ich mein das ironisch. Meinte ich aber nicht.

Alleine scheine ich diese Entscheidung gerade nicht hinzubekommen, ich hab das Gefühl keine klaren Gedanken mehr diesbezüglich fassen zu können, in diesen ganzen Verwirrungen und Fallstricken aus: was bedeutet das für meinen Lebenslauf. Kann ich woanders in diesem Berufsfeld arbeiten mit so relativ wenig Berufserfahren. Wohin soll ich. Wohin will ich. Was bedeutet die aktuelle Situation für meine Familie. Für die Beziehung zwischen mir und meinem Vater. Bin ich psychisch krank, und wenn ja wie sehr. Hab ich einen Schuss. Bin ich labil. Schwach. Unfähig. Was ist los mit mir.

Ich geh jetzt erstmal zum Arzt.

 
Ich kann wirklich nur noch einmal wiederholen, dass ich Dein Bauchgefühl als richtig empfinde. Wenn jemand lacht, während Du heulst und sonst alles abbügelt, was Du anzumerken hast, dann ist das nicht das richtige Umfeld für Dich. Anständige Vorgesetzte (mal angenommen, sie sind nicht bloß ein Idealbild, sondern es gibt sie tatsächlich) nehmen die Äußerungen ihrer Mitarbeiter ernst, vermischen nicht Privates mit Beruflichem und engagieren sich für Klärung und Beruhigung, anstatt so albern herumzulavieren. Wenn sie das nicht macht, ist sie fehl am Platz als Deine oder wessen auch sonst immer Chefin.

Wichtig wäre jetzt in meinen Augen (und zwar in der Reihenfolge): Einen oder zwei Tage Auszeit (zur Not auch per Krankschreibung) zu nehmen, in denen Du Dir den Raum und die Zeit einräumst, Dir selbst und Deinen Gefühlen zu begegnen und sie einzuschätzen - und unbedingt ernst zu nehmen, denn Du hast keinen Schuss, bist nicht labil, schwach oder unfähig. Die Lage wird Dir, so wie sie gerade ist, nicht gerecht. Du bist verletzbar, und möglicherweise ist das eher eine postive denn eine negative Eigenschaft, denn stumpf wie die Herdentiere durch die Gegend latschen und uns der allgemeinen "Kultur" des Ja-Sagens, versteckten Mobbens und Hinter-dem-Rücken-Redens anschließen könnten wir alle ohne große Mühe. Betrachte es als Vorteil, dass Dich diese Atmosphäre stört, und auch, dass Du das spüren kannst. Es ist wichtig, denn in Deinem Leben geht es nur um Dich. Wenn der Rest des Unternehmens diese Art des Umgangs und der Arbeit miteinander toll findet, bitte. "Leute, fresst Scheiße, Milliarden Fliegen können nicht irren!" - das fällt mir dazu ein.

Ich verstehe Deine Verzweiflung. Auch, dass Du über totgefahrene Katzen weinst (das macht sogar mein Mann). Dass man manches Mal so sensibel ist, dass es zum Haareraufen ist, und dass man lieber anders wäre, nicht so angreifbar. Lass Dich auf die Ferne umarmen.

Wenn Du die Auszeit beendest, dann solltest Du eine Ahnung haben, in welche Richtung Dich Deine Gefühle treiben. Ob Du noch Zeit brauchst, um tatsächliche Entscheidungen zu treffen, steht auf einem anderen Blatt, aber es ist glaube ich wichtig, sich selbst zuzuhören - das ist eine gute Grundlage. Dann kannst Du sehen, ob Du im Hintergrund schon nach etwas Neuem suchen möchtest, oder ob Du den Mut zusammen nehmen kannst und im Bezug auf die Arbeitsbedingungen klare, deutliche Worte finden kannst mit denen, die es angeht. Die Maßstäbe für Dich neu setzt.

Wichtig fände ich außerdem, dass Du Dich um Hilfe an Frau W. wendest, oder an jemanden sonst, dem Du vertraust. Nicht nur die Sache mit Deiner Mutter belastet Dich, da ist ja noch viel mehr, und keiner muss alles allein tragen.

Ich wünsche Dir Klarheit und Ruhe.

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Danke liebe Sturmfrau. Auch oder gerade vor allem dafür, dass du mich darin bestärkst auf meinen Bauch zu hören.

Ich hatte heute mit dem Arzt, bei dem ich war, ein langes Gespräch. Das war gut, und sein Rat entspricht weitgehend genau dem, was du sagst.

Danke auch für die Umarmung. Das kann ich gerade gut gebrauchen :-)

[Edit] übrigens begleitet mich der Spruch mit den Fliegen durch den Tag, und es könnte der Spruch sein, der mich durch die Zeit dort bringt, egal wielang sie noch ist.
Außerdem finde ich es absolut toll, wie sehr du mir etwas gibst durch deine langen, regelmäßigen und so einfühlsamen Kommentare. Ich halte das nicht für selbstverständlich. Danke!

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Weißt Du, zu manchen Blogeinträgen hier in diesem Dorf gebe ich einfach aus sachlichem Interesse meinen Senf, aber bei Dir zu lesen berührt mich wirklich, weil das, was Du bist und Deine Menschlichkeit so sehr spürbar sind. Sich auf diese Weise zu äußern erfordert Mut und Vertrauen. Das ist etwas anderes als das belanglose Bla Bla, das sich in so vielen Blogs niederschlägt. Das ist ein Grund, warum ich Dich gern lese und mit Dir fühle.

Dass Dich jetzt die Fliegen durch den Tag begleiten, amüsiert und ehrt mich gleichermaßen.

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Nein, bist du nicht, um auf deine Fragen zu antworten.
Du bewegst dich einzig im falschen Umfeld, eines, welchem Dir nicht gerecht wird.
Ein schlauerer Mann als ich es bin, hat mir mal in ähnlicher Situation geraten: Kompletter Millieuschnitt ist nötig, denn andernfalls lauert das chronische Unbehagen.
Was soll ich schreiben? Es war schmerzhaft, angefüllt mir Selbstzweifeln, aber von einem guten Freund begleitet und endete in der jetzige, sehr erfreulichen Gesamtsituation.
Ich will dir demnach keinen Rat geben, schon gar nicht ungefragt, jeder muss sich selber finden, aber ich kann Dir zu hören und das ist ja schonmal ein Anfang, allles los zu werden.

Ein Kraftstrahl für dich!

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Herr Cabman, wie schön dich hier zu lesen und danke fürs Zuhören. Ich freue mich über deinen Rat, ungefragt ist er keinenfalls, sonst würde ich nicht bloggen mit Kommentarfunktion ;-)

Woher weiß man, wann es das Umfeld ist, oder man selbst? Oder ist es automatisch beides, weil man so wie man ist nicht in ein Umfeld passt? Woher weiß ich, ob das Umfeld nicht mir gerecht wird, oder ob ich dem Umfeld nicht gerecht werde?

Ich freue mich sehr, dass du den Rat des schlauen Mannes mit mir teilst. Er sagt genau das aus, was mein Bauch mir sagt. Auch freut mich, dass du für dich einen solchen Schnitt vollziehen konntest.

Woher wusstest du, wohin du dich bewegen musst, und dass es dort besser ist? Ich weiß, das klingt nach einer blöden Frage. Aber ich habe inzwischen echt Schiss und Selbstzweifel, ob ich einfach zuviel von einem Umfeld erwarte, und dass mich das überall einholen wird. Auch wenn ich bei meiner alten Firma gesehen habe, dass ein Umfeld auch sehr sehr einladend und wundervoll, , freundlich, inspirierend sein kann.

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Nur weil ich nicht immer einen Kommentar hinterlasse, heißt das ja nicht, dass ich hier nicht mitlese.

Ich wusste zum damaligen Zeitpunkt nicht, was ich will. Ich wusste aber, was ich nicht will und das ist auch eine Strategie (Ausschluss verfahren). Im Abgleich der bestehenden Verhältnisse mit meinen Vorstellungen von einem, nämlich meinem Leben, kam ich zum Schluss, dass ich so nicht weitermachen konnte und wollte. Und ich war überzeugt: Es wird sich nichts ändern, wenn ich es nicht ändere. Und die zweite Lehrer hieraus: Manchmal muss man einen Schritt zurück machen, um auf Sicht zwei nach vorne unternehmen zu können.

So etwas passiert. Ich ändere mich, du änderst dich, alle Menschen ändern sich. Und da das gesamte Leben mehr oder minder einzig ein Beziehungsgeflecht sich ständig ändernder Knotenpunkte (Menschen) ist, muss sich unsere Sicht bzw. die Interpretation unseres Umfeldes auch ändern.
Und auch das fällt in die Kategorie „Survival of the fittest.“ –> Anpassungsvermögen an geänderte Rahmenbedingungen.

Und da jeder Mensch nur zu einem gewissen Grade fähig ist, von seiner Natur abzurücken und in eine Rolle (nichts anderes hast du in einer Firma) zu schlüpfen, ist es immer das Umfeld (gebildet aus den wichtigen Knotenpunkten Menschen), welches den Rahmen bildet, in dem Du dich in deiner Rolle bewegen kannst, oder eben nicht.
Ich denke, das ist eine zu vielschichtige Thematik als das man sie in einem Blogkommentar würdig diskutieren könnte.

Ich wollte dich nur wissen lassen, dass mir mit dir alles i.O. scheint, denn wie du am Ende deines Kommentars schriebst, gab es mal ein Umfeld, welches Dir behagte. Nun gilt ist, ein solches wiederzufinden und dafür drück ich dir die Daumen!

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@cabman: danke sehr, für den Glauben an meine Erfahrung und meine Wahrnehmung, und deine ermunternden Worte! :-)

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