Donnerstag, 10. Mai 2012
Brief an mich.
Heute kein Brief an Frau W. Ich hab ja den Thera-Onkel.

Liebes Zukunfts-Ich,

dies ist ein friendly reminder. Du bist just in dem Moment, in dem ich den Brief schreibe, 32 Jahre alt, vor einem Job-und Ortswechsel, und voller Hoffnung. Egal was passiert, in den nächsten Monaten und Jahren. Vergiss nie, dass du dich nie wieder kleinreden lassen willst. Dass du nie wieder in eine Rolle gedrängt werden willst, die dir nicht passt, die dir zu klein ist, in die du nie wolltest.

Es gibt Situationen, in denen du Kompromisse eingehst. Weil du Konflikte vermeiden willst. Weil du in der Situation nicht überblicken kannst, welche Konsequenzen deine Aussage hat. Du sagst einfach ja, oder auch nein, weil es in diesem Moment einfach erscheint. Du fügst dich. Weil es passend erscheint. Oder vielleicht auch, weil du dich in die Aussage hast hineinreden lassen.

Erinner dich daran, wer du am 9.5.12 warst. Du hattest Ziele, Erwartungen, und ganz klare Vorstellungen. Du hattest eine Meinung. Du weißt was du willst, und was du nicht willst. [Das zu konkretisieren wäre jetzt ganz sinnvoll, aber wohl nicht Inhalt für dieses Blog.] Global gesagt: du willst dich einbringen können, Verantwortung übernehmen, Ziele verfolgen. Dieser Firma einen Touch von dir verleihen. Dich spürbar machen. Dich und deine Ideale soweit möglich verwirklichen. Inklusive unbequemer Diskussionen und Infragestellen. Du wusstest damals, dass das kommen wird. Und du hast dich darauf gefreut. Auf die Herausforderung zu zeigen wer du bist, was du willst, und was du kannst.

Erinner dich an das, was du damals gefühlt hast. An Klarheit. Es ist wichtig. Du hast nicht oft Klarheit gehabt in deinem Leben. Umso wichtiger ist die Klarheit diesmal. Natürlich können sich Meinungen und Vorstellungen ändern. Aber im Kern darfst du dir nicht untreu werden. Und das, wovor du in dem Moment Angst hattest, als du dir selbst diesen Brief geschrieben hast, widerstrebt deinem Kern.

Wenn du jetzt, in eben jener Zukunft, das Gefühl hat, dass dieses Kernelement verletzt wird. Dann tu etwas. Und zwar schnell. Such das Gespräch. Schreib dir auf, was wichtig ist, was du willst. Zieh die Notizen von damals zurate. Ach ja, und zieh M. zurate, sie hast du gebeten zu intervenieren, wenn es soweit kommt. Und notfalls, kündige, wenn das alles nichts bringt. Umziehen musst du nicht notwendigerweise. Aber tu etwas, um dich wieder dir selbst zu nähern. Jammer nicht rum. Halt die Klappe und geh vorwärts.

Vergiss nie nie nie, dass du jederzeit alles anders machen kannst. Auch wenn der Verstand es dir nicht zutraut. Hör auf deinen Bauch und dein Herz. Verschliess dich nicht dir gegenüber. Hör auf dich. Wir wissen beide, dass... also auf, vertrau dir!

Alles Liebe,
Ich

 
Tragen Sie den Brief immer bei sich.
Schöne Idee sowas!

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@berenike: vielleicht sollte ich es echt drucken und bei mir tragen. Oder nochmal mit der Hand aufschreiben. Bisher gibts das nur hier.

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Sehr schön, sehr ermutigend geschrieben für Dein zukünftiges Ich. Und eine gute Erinnerung daran, Dich auf das zu besinnen, was Du bist und willst.

Abgesehen von:
(...) Jammer nicht rum. Halt die Klappe (...)

"Jammern" gehört zu dem Prozess, zu erkennen, dass etwas verkehrt läuft. Es ist zwar von den meisten Menschen nicht besonders gern gesehen, aber auch ein Teil von Dir, und Du kannst erst weitergehen, wenn Du akzeptierst, dass auch das "Jammern" seinen Grund, Platz und seine Funktion hat.

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@sturmfrau: das absolut TOLLE ist ja, dass ich dafür so grandiose Leser wie dich habe :-) Den Kommentar sollte ich dann wohl mit ausdrucken! Danke für den "Hinweis". Du hast recht. Aber da kommt dann halt doch immer dieses Gnadenlose mir gegenüber durch. Ich übe!!!

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Ich hatte ehrlich gesagt nach dem Abschicken die Befürchtung, mal wieder (unbeabsichtigt) schulmeisterlich rüberzukommen. Das sind natürlich alles nur Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe, die nicht für den Rest der Welt gelten müssen. Aber ich habe mich halt auch lange für's Jammern verachtet...

Tue es manchmal noch heute (letzte Woche: Mit einer fetten Erkältung zu hause geblieben, also weder gearbeitet noch zum Sport gegangen, und mich unablässig einfach nur faul gefunden - was für ein gehässiges Stimmchen).

Damit meinte ich auch nicht, dass man sich jetzt ins Jammern versteigen soll, aber ich bin der Auffassung, das passiert auch nicht, wenn man die miese Seelenlage anerkennt. Weißt ja: Lieb zu sich selbst sein ist erste Pflicht.

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Ich mag ja auch ganz besonders die Schlussformel:

"Alles Liebe,
Ich."

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@pandora: ;-) Kann man sich mal gönnen!

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Du hast so recht, recht, recht! Vor einiger Zeit hab ich was ganz ähnliches in mein Tagebuch geschrieben: Eine Erklärung dessen, was ich will. Jetzt kann ich die Stelle nicht mehr finden... ein guter Tipp von Berenike - immer bei sich tragen. Das ist etwas Heiliges. Das ist Dein Kompass, behalte ihn immer in der Hand. Alles Gute!

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@annie rock: das ist echt gut, es hilft schon wenn man es aufschreibt, es ist mal gesagt. Aber wie schade, dass du es nicht mehr findest :-( Oder du machst auch ein Blog, und verewigst es da ;-) Auch dir von Herzen alles Gute!

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unterschreb ich so.

man darf aber nie vergessen, dass es ein ich nicht gibt. das, woran viele ja verzweifeln, ist dieses klammern an die idee der fixen identität. die ist aber sehr wandlungsfähig. ziele, die zehn jahre wichtig waren, können manchmal innerhalb von tagen oder wochen plötzlich keine rolle mehr spielen.
der kern... er ist mal flüssig, mal fest, mal gasförmig. er kann zentiert sein oder in alle hemisphären zerstreut. es gibt ihn, aber er ist wie eine wolke... die zu regen wird, zu einem ozean und dann wieder zu nebel.

wie mir ein freund immer sagt: treben lassen, nicht gehen lassen...

und ein jammerfreund bin ich auch nicht. nur kurzfristig. ich verliere mich sonst. melancholie ist der gesang der sirenen, man geht schnell unter.

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