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Freitag, 9. Juni 2017
okavanga, 01:18h
Gegen Mittag fragt mich der Intimfriseur (ansässig in meiner Heimatstadt) per App, ob ich Urlaub habe. Sicher vermisst er mich auf Skype. Ich jammer kurz über mein Siechtum. Am frühen Abend klingelts an der Tür. Er hat mir scharfe Hühner- und Misosuppe liefern lassen. <3
Die Liebe in den Zeiten der Cholera Dating-Apps.
okavanga, 19:22h
Ich sieche zum Thera-Onkel, der mit der heutigen Stunde endlich einen eigenen Namen bekommt, auch wenn dieser Name nur einen Bruchteil dessen repräsentiert, was den Thera-Onkel für mich ausmacht.
Dieses Gutachterverfahren, das klingt nicht gut. „Wissen Sie“, sagt er, „die Kasse gibt diesen Gutachtern nicht dafür Geld, dass sie Fortführungen bewilligen.“ Das macht sogar für meinen heißen Kopf Sinn. Gefällt mir gar nicht, mein Bauch grummelt. „In jedem Fall werden wir aber irgendwie eine Lösung finden, jetzt warten wir erstmal ab.“ Ok, sag ich, und hoffe das Beste.
Gerade habe ich ihm von meinen Mini-Schritten in Richtung anderes Geschlecht berichtet. Von dem unerwarteten Date und dem unerwarteten Küssen, und von meinen App-Versuchen. Und dass ich total außer mir bin in diesen Dating-Situationen, und bei den Apps letztendlich immer den letzten Schritt zum Telefonat oder zum Date scheue. Wie sehr ich Bammel vor Ablehnung habe, davor nicht gut genug, nicht schön genug, nicht interessant genug zu sein.
Mir ist schon ganz warm, und er will mir gerade grundlegende Dating-Regeln und –Codes vorstellen, von denen ich bisher zum Teil nicht die geringste Ahnung hatte. Erst denke ich, er will mich verarschen, denn über sowas haben wir noch nie gesprochen. Aber er meint es ernst. Ich hänge an seinen Lippen. „Sie trinken soviel“, sagt er da, „haben Sie Fieber?“ Erst jetzt fällt mir auf wie sehr ich schwitze, und dass ich zur Hälfte der Zeit fast die komplette Wasserflasche ausgetrunken habe. „Ich weiß nicht…“ In der Tat, ich fühle mich scheiße. Aber das heute ist mir wichtig, ich wollte unbedingt hier her, vor allem um wegen dieser Gutachter-Sache zu sprechen. Er schmunzelt „Na vielleicht sollten wir das Thema wechseln, ich will Ihnen nicht noch mehr Blutdruck machen.“
„Nein, bitte, das müssen wir jetzt vertiefen! Ich bin so dermaßen unsicher in solchen Situationen.“
„Nun… Erstmal treffen Sie sich beim ersten Blind-Date nie am Abend. Nehmen Sie den Nachmittag. Sie wählen den Ort. Sie bestimmen, wo Sie sich treffen. Nehmen Sie da eine Wohlfühlzone, irgendeinen öffentlichen Ort, an dem Sie sich wohl fühlen. Diese Regeln sind übrigens alle nicht neu. Die gab es schon damals, als man auf Zeitungs-Annoncen geantwortet hat. Kennen Sie das überhaupt noch?“ „Klar, von meiner Mama.“
„Also gut. Dann begrenzen Sie das Date von vornherein zeitlich, auf 2 Stunden. Sagen Sie zum Beispiel, Sie müssen eine Freundin mit zum Arzt begleiten, die Freundin hat Ihnen extra noch gesagt: Nein nein, mach dein Date ruhig noch. Aber dann möchten Sie ihr eben helfen. Schauen Sie, ob der Typ Alkohol trinkt. Wenn er das am Nachmittag tut, ist er entweder hochgradig unsicher und muss sich Mut antrinken, oder er ist Alkoholiker. Beides wollen Sie nicht.“
Das entsetzt mich: „Ja aber was ist, wenn ich denn gerne ein Radler trinken möchte? Ich würde das gerade bei dem Wetter total gerne!“ Er lacht: „Tun Sie das nicht, trinken Sie beim ersten Treffen keinen Alkohol, machen Sie sich bei klarem Verstand ein Bild. Und vergessen Sie nicht – die Männer sind vielleicht auch bei mir.“ Wir lachen gemeinsam.
“Nach einer Stunde überlegen Sie, wie Sie es Ihnen geht. Wie Sie sich fühlen. Fühlen Sie sich wohl in der Situation, mit ihm? Sind Sie angestrengt? Angespannt? Oder macht es Spaß, und alles geht überraschen leicht und einfach? Stellen Sie sich vielleicht vorher einen Wecker, damit Sie nach einer Stunde innehalten können. Können Sie ja einfach sagen, Sie wollten sich an etwas erinnern, wenn es dann klingelt.“ „Nein ich sag ihm lieber, dass ich sonst immer bis 17 Uhr schlafe…“ Er lacht.
“Wenn Sie nach dieser einen Stunde eher skeptisch sind, nehmen Sie die zweite, um Ihr Bild weiter zu prüfen. Wenn Sie ein eher negatives Bild haben, können Sie auch mal fragen, wie seine Erfahrungen mit Frauen sind, z.B. mit seinen Ex-Freundinnen. Wie spricht er über andere Frauen?
Dann gibt es verschiedene Codes für das Verabschieden. Wenn jemand sagt: ‚ich ruf dich an‘, dann wars das. Sollte das anders sein, schreiben Sie mir bitte eine Mail mit dem Betreff: IRRTUM! Wenn Sie also elegant raus aus der Nummer wollen, sagen Sie das. Ich ruf dich an. Dann kann man noch sagen, wenn es beide nett fanden: lass uns das gerne wiederholen, wir bleiben in Kontakt. Es bleibt aber etwas unverbindlicher. Oder man wird gleich verbindlicher: Mensch das war schön heute, lass uns doch gleich was für das nächste mal ausmachen.“
Mein innerer Sekretär notiert alles eifrig mit. Schwupps ist die Stunde rum. „Üben Sie das doch mal. Ein bis maximal zwei Dates pro Woche. Einfach so. Auch um zu lernen mit eventueller Ablehnung umzugehen.“ Phu. Also wenn ich das echt durchziehe, dürfen Sie alle an diesem Projekt partizipieren, das ist Ihnen doch hoffentlich klar, liebe Leserschaft.
Hitch begleitet mich zur Tür und gibt mir noch Gesundheitsratschläge, die ich für meine Genesung beherzigen sollte. Auf meinem Weg zum Fahrstuhl höre ich sein Lachen in meinem Rücken, er steht noch in der Tür. Ich drehe mich um, und er grinst: „Ich ruf Sie an!“
Dieses Gutachterverfahren, das klingt nicht gut. „Wissen Sie“, sagt er, „die Kasse gibt diesen Gutachtern nicht dafür Geld, dass sie Fortführungen bewilligen.“ Das macht sogar für meinen heißen Kopf Sinn. Gefällt mir gar nicht, mein Bauch grummelt. „In jedem Fall werden wir aber irgendwie eine Lösung finden, jetzt warten wir erstmal ab.“ Ok, sag ich, und hoffe das Beste.
Gerade habe ich ihm von meinen Mini-Schritten in Richtung anderes Geschlecht berichtet. Von dem unerwarteten Date und dem unerwarteten Küssen, und von meinen App-Versuchen. Und dass ich total außer mir bin in diesen Dating-Situationen, und bei den Apps letztendlich immer den letzten Schritt zum Telefonat oder zum Date scheue. Wie sehr ich Bammel vor Ablehnung habe, davor nicht gut genug, nicht schön genug, nicht interessant genug zu sein.
Mir ist schon ganz warm, und er will mir gerade grundlegende Dating-Regeln und –Codes vorstellen, von denen ich bisher zum Teil nicht die geringste Ahnung hatte. Erst denke ich, er will mich verarschen, denn über sowas haben wir noch nie gesprochen. Aber er meint es ernst. Ich hänge an seinen Lippen. „Sie trinken soviel“, sagt er da, „haben Sie Fieber?“ Erst jetzt fällt mir auf wie sehr ich schwitze, und dass ich zur Hälfte der Zeit fast die komplette Wasserflasche ausgetrunken habe. „Ich weiß nicht…“ In der Tat, ich fühle mich scheiße. Aber das heute ist mir wichtig, ich wollte unbedingt hier her, vor allem um wegen dieser Gutachter-Sache zu sprechen. Er schmunzelt „Na vielleicht sollten wir das Thema wechseln, ich will Ihnen nicht noch mehr Blutdruck machen.“
„Nein, bitte, das müssen wir jetzt vertiefen! Ich bin so dermaßen unsicher in solchen Situationen.“
„Nun… Erstmal treffen Sie sich beim ersten Blind-Date nie am Abend. Nehmen Sie den Nachmittag. Sie wählen den Ort. Sie bestimmen, wo Sie sich treffen. Nehmen Sie da eine Wohlfühlzone, irgendeinen öffentlichen Ort, an dem Sie sich wohl fühlen. Diese Regeln sind übrigens alle nicht neu. Die gab es schon damals, als man auf Zeitungs-Annoncen geantwortet hat. Kennen Sie das überhaupt noch?“ „Klar, von meiner Mama.“
„Also gut. Dann begrenzen Sie das Date von vornherein zeitlich, auf 2 Stunden. Sagen Sie zum Beispiel, Sie müssen eine Freundin mit zum Arzt begleiten, die Freundin hat Ihnen extra noch gesagt: Nein nein, mach dein Date ruhig noch. Aber dann möchten Sie ihr eben helfen. Schauen Sie, ob der Typ Alkohol trinkt. Wenn er das am Nachmittag tut, ist er entweder hochgradig unsicher und muss sich Mut antrinken, oder er ist Alkoholiker. Beides wollen Sie nicht.“
Das entsetzt mich: „Ja aber was ist, wenn ich denn gerne ein Radler trinken möchte? Ich würde das gerade bei dem Wetter total gerne!“ Er lacht: „Tun Sie das nicht, trinken Sie beim ersten Treffen keinen Alkohol, machen Sie sich bei klarem Verstand ein Bild. Und vergessen Sie nicht – die Männer sind vielleicht auch bei mir.“ Wir lachen gemeinsam.
“Nach einer Stunde überlegen Sie, wie Sie es Ihnen geht. Wie Sie sich fühlen. Fühlen Sie sich wohl in der Situation, mit ihm? Sind Sie angestrengt? Angespannt? Oder macht es Spaß, und alles geht überraschen leicht und einfach? Stellen Sie sich vielleicht vorher einen Wecker, damit Sie nach einer Stunde innehalten können. Können Sie ja einfach sagen, Sie wollten sich an etwas erinnern, wenn es dann klingelt.“ „Nein ich sag ihm lieber, dass ich sonst immer bis 17 Uhr schlafe…“ Er lacht.
“Wenn Sie nach dieser einen Stunde eher skeptisch sind, nehmen Sie die zweite, um Ihr Bild weiter zu prüfen. Wenn Sie ein eher negatives Bild haben, können Sie auch mal fragen, wie seine Erfahrungen mit Frauen sind, z.B. mit seinen Ex-Freundinnen. Wie spricht er über andere Frauen?
Dann gibt es verschiedene Codes für das Verabschieden. Wenn jemand sagt: ‚ich ruf dich an‘, dann wars das. Sollte das anders sein, schreiben Sie mir bitte eine Mail mit dem Betreff: IRRTUM! Wenn Sie also elegant raus aus der Nummer wollen, sagen Sie das. Ich ruf dich an. Dann kann man noch sagen, wenn es beide nett fanden: lass uns das gerne wiederholen, wir bleiben in Kontakt. Es bleibt aber etwas unverbindlicher. Oder man wird gleich verbindlicher: Mensch das war schön heute, lass uns doch gleich was für das nächste mal ausmachen.“
Mein innerer Sekretär notiert alles eifrig mit. Schwupps ist die Stunde rum. „Üben Sie das doch mal. Ein bis maximal zwei Dates pro Woche. Einfach so. Auch um zu lernen mit eventueller Ablehnung umzugehen.“ Phu. Also wenn ich das echt durchziehe, dürfen Sie alle an diesem Projekt partizipieren, das ist Ihnen doch hoffentlich klar, liebe Leserschaft.
Hitch begleitet mich zur Tür und gibt mir noch Gesundheitsratschläge, die ich für meine Genesung beherzigen sollte. Auf meinem Weg zum Fahrstuhl höre ich sein Lachen in meinem Rücken, er steht noch in der Tür. Ich drehe mich um, und er grinst: „Ich ruf Sie an!“
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