Montag, 23. November 2020
Vom Suizid.
Gerade die Verfilmung des Buchs "Gott"von Ferdinand von Schirach angesehen.

Im Anschluss daran konnten die Zuschauer abstimmen. 70,8% entschieden sich dafür, dass Richard Gärtner von seiner Ärztin ein entsprechendes Mittel für seinen Suizid erhalten solle. Wie hätten Sie entschieden?

Mich selbst begleitet das Thema Suizid schon relativ lang. Mit 13 tätigte ich meinen ersten und bisher einzigen Suizidversuch, wenn auch ziemlich idiotisch und aussichtslos. Von der Drogenzeit mag auch manch einer behaupten, es wäre Selbstmord auf Raten gewesen. Dabei verfolgte ich einen solchen damit gar nicht, sondern nur das Abschalten von Emotionen. Und doch wäre es gelogen wenn ich sagen würde, ich hätte nie wieder über meinen eigenen Selbstmord nachgedacht, insbesondere in den letzten Jahren. Sehr getriggert hat mich in diesem Jahr das bereits mehrfach erwähnte Buch "Ein wenig Leben". Das war wichtig, denn es hat etwas bloß gelegt, was sonst immer nur wabert, und was unbedingt angesehen werden will, wenn ich nicht doch irgendwann den Weg des Suizids wirklich gehen möchte. Denn, und das ist wichtig: das möchte ich nicht. Ich hänge am Leben. Und doch erscheint mir der Suizid als eine Option zu sterben.

Unvergessen auch das Weihnachtsfest, bei dem meine Mutter uns eröffnete, dass sie die Sterbehilfe über Dignit*s erwägt und uns um unsere Unterstützung bittet. Ebenso die Gespräche über von ihr bereits rausgesuchte ICE-Strecken und Betäubungstabletten. Ich weiß gar nicht, wieviel aus diesen Zeiten ich hier überhaupt geschrieben habe.

Nach diesem Weihnachten habe ich eine Dokumentation gesehen über einen manisch-depressiven Patienten, dessen Wunsch selbstbestimmt zu sterben in der Schweiz entsprochen wurde, obwohl psychische Erkrankungen oft tatsächlich ein Hinderungsgrund sind. "Tod nach Plan" heißt dieser Film und ist hier mit Teil 1kostenlos verfügbar, zu den weiteren Teilen kann man sich durchklicken. Ich denke, dass meine Mutter als nicht entscheidungsfähig eingestuft werden würde von dieser Organisation, und manchmal weiß ich nicht, ob ich das gut oder schlecht finde. Meine Mutter ist so verzweifelt, so hilflos, so unglaublich müde. Ich weiß manchmal gar nicht, wie sie sich überhaupt so über Wasser hält. Nach wie vor übrigens ohne eigene Krankheitseinsicht. Wobei uns das Krankheitsbild immer noch irre atypisch vorkommt in ihrem Fall.

Um es kurz zu machen: mit all den Gedanken, die ich mir über die Jahrzehnte zu diesem Thema gemacht habe, befürworte ich Stand heute, dass jeder frei über sein Sterben entscheiden darf. Und ich befürworte, dass Ärzte dies durch die Übergabe entsprechender Mittel ermöglichen können.

Im Film wie auch in der gerade nachfolgenden Diskussion wird oft von Solidarität und Gemeinschaft gesprochen. Also. Dass mit Solidarität und Gemeinschaft Menschen doch vom Leben überzeugt werden sollen, aufgefangen werden sollen. Gemeinschaft und Solidarität können einen Punkt in einem Menschen nicht (immer) kompensieren oder gerecht werden. Ich könnte das jetzt ausführlicher beschreiben, möchte aber soviel über mich selbst hier nicht offenbaren, und das würde ich damit zwangsläufig tun. Ich finde es auch eine enorme Erwartungshaltung an eine Gemeinschaft/ Gesellschaft. Hat sie denn dann versagt, wenn jemand sich umbringt? Und: hat denn dann jemand versagt, wenn jemand, wie der Bischoff in dieser Diskussion es so verlangt, nicht zurück in ein lebenswertes Leben findet? Als wäre das einfach nur eine Entscheidung: ok, dann mach ich halt jetzt ein lebenswertes Leben. Als wäre es leichtfertige Gedanken, Überlegungen, Entscheidungen, die einen Menschen überhaupt erst an diesen Punkt bringen.

Oder die Behauptung gerade, dass ein Suizid oft Ausdruch von "ich will SO nicht mehr leben" sei. Ja, das mag sein. Aber was, wenn ich trotz jahrelanger Therapie einfach nicht zu dem Punkt komme, an dem meine Wunde geheilt, mein riesiges schwarzes Loch gefüllt werden kann? Und oft gibt es keine Alternative zum "SO". Als hätte jeder die freie Wahl, wie er lebt, wo, unter welchen Umständen, mit welchem Leid! Z.B. im Falle meiner Mutter. Soll ich ihre Schizophrenie abschalten? Soll ich sie zwingen Medikamente zu nehmen, deren Sinn sie nicht versteht, obwohl sie ansonsten völlig bei Sinnen, wach und klaren Verstandes ist? Ich diskutiere mit ihr beispielsweise völlig klar über C*r*na, die Wahlen in den USA, unsere Familie, alles. Ich meine.. er liest hier glaube ich nicht, aber auch Herr Schizophrenist ist doch absolut niemand, dem man einen klaren Verstand und freien Willen absprechen würde und möchte. Will sagen: eine psychische Erkrankung macht einen per se nicht unmündig oder entscheidungsunfähig. Nur meine Mutter selbst kann ermessen, wie lange sie ihr Leid noch tragen kann. Wir selbst sind wie auch die Ärzte sind am Ende mit unserem Latein, wie wir ihr unter den gegebenen Umständen noch helfen können. Wenn sie beschließt zu sterben, warum soll sie das nicht tun können?

Ist es dann nicht furchtbar, wie auch im Film erwähnt, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen mit dem Verweis auf den Egoismus einer solchen Tat? Mit dem Argument, dass sie in Verantwortung steht für ihr Umfeld? Ist es nicht purer Egoismus des Umfelds, wenn sie einen Menschen von so einer Tat abhalten wollen, weil es gegen die eigenen moralischen Werte oder Vorstellungen verstößt?

Soweit. Ich weiß nicht ob das Sinn macht was hier steht. Ist einfach runtergetippt, wollte raus, vielleicht kommt irgendwann noch was hinzu. Das Thema geht mir arg ran.

Seelenheil ~ ... link (7 Kommentare)   ... comment



LL Tag 22: hm.
Mit hm ist der Tag auch schon ganz gut zusammengefasst. Kaum aus dem Bett gekommen, wie erschlagen gefühlt, Regel bekommen, Kopfschmerzen, angerufen bei der vom Bereitschaftsdienst genannten Praxis wegen des C-Tests. Mein Anliegen erläutert: App wurde rot, Nummer in App angerufen, seine Nummer erhalten, dass er Abstriche machen würde? Schweigen am anderen Ende der Leitung.
Ich: "Ist das so richtig?"
Er, sehr unterkühlt: "Ja. Aber ich verstehe nicht, wieso man dazu am Wochenende den Notarzt anrufen muss."
"Ähhh.... Notarzt???" haut es mir die Fragezeichen raus, "die Nummer stand in der App, ich bin davon ausgegangen, dass Hausarzt und Gesundheitsamt am Wochenende nicht erreichbar sind, und dort steht, man solle sich dann unter dieser Nummer melden."
"Die 116 117? Die steht wirklich in dieser App?"
"Ja ?!?"

Jetzt ist es so, dass ich vermutlich saudumm oder grenzenlos naiv bin. Da ich niemand bin, der mal eben am Wochenende bei Schnupfen den Notarzt aufsucht, und zum Glück noch nie einen echten Notfall an einem Wochenende hatte, kenne ich keine Notrufnummern. Sonst hätte ich vielleicht gewusst, dass diese nur für Notfälle gedacht ist. Das stand aber weder irgendwo, noch wurde ich im Telefonat mit der Bereitschaft selbst darauf hingewiesen. Erst war ich verschämt, dann echt sauer. Das erkläre ich dem Herrn dann auch, nachdem ich 45 Minuten mit vielen anderen in der Kälte auf den Abstrich warte (gut, ein Wartezimmer wäre in dem Fall wohl suboptimal, haha haha). Man erschrickt einfach, wenn diese App zum ersten mal rot wird, und will dann kein ignoranter Vollhorst sein, sondern alles richtig machen. Also ging ich den Hinweisen in der App nach. Ich zeige ihm mein Display, es ärgert ihn scheinbar nur, dass diese Nummer dort ohne weiteren Hinweis steht, und er kann kaum glauben, dass ich diese Nummer nicht als Notfallnummer für akute Symptome kenne. "Fürs nächste Mal wissen Sie das." Jo, jetzt schon.

"Wissen Sie denn, woher Ihre 2 Risikobegegnungen kommen, also wer das war? Vermutlich nicht." - entnervert bis resigniert

Vielleicht verliert man als Mitarbeitender einer Abstrichstation einfach auch den Glauben an die Menschheit. Erläutere ihm die Krankenhaussituation und die Möglichkeit mit Arztbesuchen oder Taxi. Aber ich weiß nicht, was ihm das weiter hilft?

Es folgt ein Rachenabstrich, Nase fällt bei mir ja gerade flach. Muss kurz grinsen als er das Stäbchen mit meinem Rachensabber von allen Seiten bestaunt, als könne er schon jetzt erkennen, ob ich positiv sein werde. Ihm selbst scheint schon lange das Lachen vergangen zu sein.

Ich frage noch, ob es denn sinnvoll ist sich jedes mal testen zu lassen, wenn die App rot wird. "Das ist eine gute Frage." Eine richtige Antwort bekomme ich nicht. "Es gibt ja schon einen Grund, warum das angeboten wird, aber hm ja... ich weiß auch nicht." Tja. Ich auch nicht. Ich will das System ja nicht unnötig belasten, vielleicht geht man sonst einfach immer 10 Tage in Quarantäne? Erweist sich aber auch als relativ unpraktisch, man kann ja sein Umfeld nicht ständig mit Einkäufen und Erledigungen strapazieren. Vor allem wenn es immer mehr Menschen im Umfeld gibt, die selbst eine rote App haben. Bisher kenne ich aber tatsächlich niemanden, der das schon mal hatte.

Man weiß es nicht, und das ist vermutlich auch ganz normal in diesem Pandemie-Stadium. Im Zweifel sicher einmal zuviel als einmal zu wenig getestet. Hm.

Morgen möchte ich dann über Alkohol sprechen.

ZDF RKI: 10.864 [14.394] neue Corona-Infektionen (Achtung Montagswerte, im Vergleich zur Vorwoche ist die Zahl der Neuinfektionen leicht angestiegen); Indizenzwert Mannheim 235,6 [233,7]; Hof Stadt 290,2 [281,5] bzw. Land 202,5 [204,6]
[in eckigen Klammern die ZEIT Online Daten, die direkt aus den Städten und Landkreisen stammen]

Mmmmm... der Duft von Herbstlaub! Theresienstein Oktober 2020


Das C-Wort ~ ... link (0 Kommentare)   ... comment